Finanztipps für Existenzgründer: Liquidität, Rücklagen, Geld-Probleme – Selbstständig machen Schritt 12

Finanztipps für Existenzgründer: Liquidität, Rücklagen, Geld-Probleme - Selbstständig machen Schritt 12Wichtige Finanztipps für Existenzgründer gebe ich in Teil 12 meiner Artikelserie Selbstständig machen.

Ich gebe Tipps auf was Gründer beim Thema Geld achten sollten und warum die Liquidität wichtig ist

Zudem gehe ich auf häufige Geld-Probleme eine und schildere, wie man mit Liquiditätsengpässen am besten umgeht.

Finanztipps für Existenzgründer

Liquidität geht vor Rentabilität! ist einer der wichtigsten Sätze für Existenzgründer und Selbstständige.

Sehr viele Firmen, Selbstständige und Existenzgründer gehen nämlich nicht insolvent, weil das Geschäftsmodell nicht funktioniert hat oder die Konkurrenz zu stark war.

Sehr viele gehen pleite, weil es Liquiditätsprobleme gibt.

Diese Selbstständigen bzw. Firmen sind nicht in der Lage, ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Da kann die Auftragslage noch so gut sein, wenn einem das Geld ausgeht, sieht es nicht gut aus.

Liquiditätsplanung

In der Finanzmathematik gibt es 2 Berechnungsmethoden für den eigenen Liquiditätsgrad.

Diese beiden Formeln sollte man vor allem dann regelmäßig anwenden, wenn man größere Ausgaben hat.

Liquidität 1. Grades

Die Liquidität 1. Grades wird auch Barliquidität genannt. Man berechnet mit der folgenden Formel den Anteil der kurzfristigen Verbindlichkeiten (also Verbindlichkeiten, die man selber in Kürze bezahlen muss), den man mit den eigenen Barreserven bezahlen kann:


flüssige Mittel (Konto) / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100


Hier gilt die Faustregel, dass man mindestens 25% erreichen sollte. Mehr ist natürlich immer gut.

Beispiel:
Hat man kurzfristige Verbindlichkeiten in Höhe von 4.000 Euro und 1.000 Euro auf dem Konto, dann ist das eine Liquidität 1. Grades von 25%.

Diese Barreserven braucht man, da nicht alle Kunden ihre Rechnungen sofort bezahlen. Es müssen in dem Fall also nur 75% der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch Forderungseingänge gedeckt sein.

Liquidität 2. Grades

Noch wichtiger ist die Berechnung der Liquidität 2. Grades.

Hier rechnet man neben den Barmitteln auch die eigenen kurzfristigen Forderungen ein:


(flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten x 100


Dieser Wert sollte natürlich bei mindestens 100% oder noch besser darüber liegen, da man sonst weniger Geld einnimmt/hat, als man selber bezahlen muss.

Beispiel:
Man hat auf dem Konto 1.000 Euro und in den kommenden 2 Wochen werden nochmal 4.000 Euro an Forderungen von Kunden bezahlt. Dem gegenüber stehen 4.000 Euro an kurzfristigen Verbindlichkeiten, die man bezahlen muss.

Das würde eine Liquidität 2. Grades von 125% ergeben.

Das reicht grundsätzlich, um in den schwarzen Zahlen zu bleiben, aber idealerweise sollte diese Quote noch höher liegen, um die flüssigen Mittel zu erhöhen.

Die Liquiditätsplanung ist umso interessanter und wichtiger, je mehr Forderungen und Verbindlichkeiten man hat, denn auch wenn sich über das ganze Jahr gerechnet ein Plus an Einnahmen ergibt, hat man ein Problem, wenn die Verbindlichkeiten vor allem im 1. Halbjahr anfallen und die Forderungen erst im 2. Halbjahr, z.B. durch eine schlechte Zahlungsmoral, reinkommen.

Dann hat man ein Liquiditätsproblem und das hat schon vielen das Genick gebrochen.

Rücklagen bilden

Deshalb sollte man in die Existenzgründung nicht ohne finanzielle Rücklagen gehen.

Als Online-Existenzgründer benötigt man zwar oft keine großen Investitionen und auch die regelmäßigen Verbindlichkeiten halten sich in Grenzen, aber natürlich muss man ebenfalls die privaten Kosten hier einbeziehen und da ist in der Regel jeden Monat etwas fällig.

Ich habe 2006 das Glück gehabt, dass ich von meiner alten Firma eine ansehnliche Abfindung erhalten habe. Dieses Geld haben wir zum größten Teil als Rücklage behalten und nicht auf den Kopf gehauen.

Und das war auch gut so, da meine Selbstständigkeit doch recht schleppend anlief und in den ersten Monaten mehr Ausgaben als Einnahmen vorhanden waren. Da habe ich unter anderem von dieser Rücklage gelebt.

Deshalb sollte man sich vor der Existenzgründung ein gutes Geld-Polster anlegen und/oder einen Partner mit einem regelmäßigen und gutem Einkommen haben.

Wer mit 0,- Euro Rücklagen die Selbstständigkeit startet, geht es ein großes Risiko ein.

Brutto statt Netto

Viele Existenzgründer unterschätzen das Finanzamt. Bereits im letzten Artikel zu den Steuern habe ich darauf hingewiesen, dass nicht alles Geld, was auf dem eigenen Geschäftskonto landet, auch das eigene ist. Davon muss man die von Kunden bezahlte Umsatzsteuer abziehen, die Einkommensteuer, die man noch zahlen muss und z.B. auch die Gewerbesteuer.

Das Finanzamt ist da recht streng und auch wenn es Fristverlängerungen gibt, sollte man immer genug Geld für diese Zahlungen zur Verfügung haben.

Man muss sich einfach die Angestellten-Sicht auf das eigene Konto abgewöhnen. Als Angestellter ist das Gehalt, was auf dem eigenen Konto landet, erstmal komplett meins.

Das ist bei Selbstständigen eben völlig anders. Da kommen sozusagen die “Brutto-Einnahmen” und man muss neben den oben genannten Zahlungen zudem noch die Krankenversicherung und ggf. weitere Versicherungen und die Altersvorsorge bezahlen. Das sollte man bei der Liquiditätsplanung ebenfalls einrechen.

Hilfe bei Liquiditätsengpass

Was tun, wenn man in einem Liquiditätsengpass ist?

Es ist sehr wichtig, diesen so zeitig wie möglich zu erkennen. Deshalb sollte man die oben genannten Formeln regelmäßig anwenden.

Dann heißt es: Keine Panik.

Zu allererst sollte man einen Kassensturz machen und genau analysieren, wie hoch die Liquiditätslücke ist. Man stellt also die Barmittel und kurzfristigen Forderungen den kurzfristigen Verbindlichkeiten (das beinhaltet alle Ausgaben, also auch Steuern, Versicherungen, Miete etc.) gegenüber. Dann wird man sehen, wie viel Euro genau fehlen.

Kennt man dann den Fehlbetrag, dann kann man unter anderem das Folgende machen:

  • Innerhalb der Familie einen Kredit aufnehmen.
  • Die kurzfristigen Verbindlichkeiten analysieren. Was muss sofort bezahlt werden? Was kann noch warten?
  • Stundungen sind ebenfalls möglich. So sollte man sowohl mit Lieferanten, als auch mit Finanzämtern, Versicherungen etc. sprechen und ggf. Ratenzahlungen oder längere Zahlungsfristen vereinbaren.
  • Evtl. kann die eigene Hausbank einen langfristigen Kredit gewähren oder den Dispokredit erhöhen.
  • Wie wäre es mit einem Inkassobüro, um ausstehende und schon lange fällige Rechnungen endlich einzutreiben?
  • Man kann z.B. auch die eigene kapitalbildende Lebensversicherung beleihen. Wenn man diese schon länger hat, dann kann man bei weiterhin bestehendem Versicherungsschutz diese verpfänden und dann später wieder auslösen.

Was sollte man nicht machen?

  • Man sollte keinesfalls Rechnungen einfach nicht bezahlen. Das löst keine Probleme und sorgt nur für zusätzlichen Ärger.
  • Man sollte seine Lebensversicherung nicht verkaufen, da die eigene Familie noch in viel größere Schwierigkeiten kommt, wenn einem danach etwas zustößt.
  • Bei aussichtsloser Lage einen Kredit von der Familie nehmen und diese dadurch mit in den Abgrund reißen.
  • Man sollte es erst gar nicht soweit kommen lassen!

Temporäre Liquiditätsprobleme – grundsätzliche Finanztipps

Die oben genannten Tipps, wie man temporäre Liquiditätsprobleme umgehen kann, funktionieren aber auch wirklich nur dann, wenn es sich um temporäre Probleme handelt. Also wenn, wie oben beschrieben, z.B. die eigenen Forderungen zwar höher als die kurzfristigen Verbindlichkeiten sind, aber die Zahlungseingänge erst später kommen.

Das bedeutet, dass das eigene Geschäftsmodell insgesamt funktioniert.

Ein großes Problem hat man dann, wenn das eigene Geschäftsmodell nicht funktioniert und die Verbindlichkeiten dauerhaft höher sind, als die Forderungen.

Dann sollte man keinesfalls das Unausweichliche hinauszögern und noch mehr Schulden durch Kredite machen. Statt einfach so weiter zu machen, sollte man ganz genau das eigene Geschäftsmodell analysieren und evtl. externe Hilfe in Anspruch nehmen.

Man kann an vielen Schräubchen drehen, um die eigenen Kosten zu senken und die Einnahmen zu erhöhen. Die Anpassung der eigenen Stundensätze, die Einkaufpreise für Arbeitsmittel/Material, Ausgaben für ineffektive Werbung oder zu wenig Werbung, überdimensionierte Büroräume etc..

Nur wenn man langfristig eine Perspektive hat, die mehr Einnahmen als Ausgaben verspricht, sollte man sich mit den kurzfristigen Liquiditäts-Lösungen über Wasser halten.

Langfristige Finanztipps

Langfristig muss man monatlich deutlich mehr verdienen, als man Geld zum Leben braucht. Das mag im ersten Moment manchen etwas zu geldgierig aussehen, aber das Problem der Liquiditätsengpässe erfordert genau das.

Wer 12 Stunden am Tag arbeitet und in normalen Zeiten gerade so viel verdient, dass er/sie über die Runden kommt, wird in schlechten Zeiten ganz schnell ohne Geld dastehen.

Deshalb muss das Ziel lauten, dass man in guten und normalen Zeiten mehr verdient, um Rücklagen für schlechtere Zeiten zu haben.

Und man sollte immer daran denken, dass die Zeiten sich ändern können, das hat gerade Corona sehr gut gezeigt. Also nicht erst mit der Kundengewinnung und Rücklagenbildung anfangen, wenn das Geld knapp wird!

Fazit zu den Finanztipps

In diesem Artikel habe ich die meiner Meinung nach wichtigsten Finanztipps für den Umgang mit dem eigenen Geld gegeben.

Viele Selbstständige scheitern nicht an der Arbeit, der Konkurrenz oder den Aufträgen, sondern an den Finanzen bzw. Liquiditätsengpässen und das hätte man oft vermeiden können.

So geht es weiter
Im nächsten Teil der Serie geht es um finanzielle Förderungen für Existenzgründer. Was da möglich ist und wo man die entsprechenden Informationen findet, erfahrt ihr dann.

Peer Wandiger

2 Gedanken zu „Finanztipps für Existenzgründer: Liquidität, Rücklagen, Geld-Probleme – Selbstständig machen Schritt 12“

  1. Vielleicht noch als Tipp.

    Mir hat mein Steuerberater geraten ein Drittel vom Umsatz auf ein separates Konto zu überweisen. Sofern es finanziell machbar ist. Von dem Geld zahle ich vierteljährig zum Beispiel die Umsatzsteuer-Voranmeldung und stelle so sicher, dass hierfür auch immer das benötigte Geld auf dem entsprechenden Konto vorhanden ist.

    Das wird vermutlich von sehr viele Handwerksbetrieben und kleineren Unternehmen vergessen.
    Und plötzlich ist zum Quartalsanfang das Geschäftskonto tief im Minus.

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  2. Hi Peer,

    bei deinem Absatz über die Liquidität fände ich es noch eine gute Ergänzung zu beschreiben, wie man seine Liquidität in der Praxis tatsächlich im Auge behält. Die Berechnung ist das eine, die Anwendung ja das andere.

    Ich hab bei mir im Blog dazu mal eine Marktanalyse für Liquiditäts-Management-Tools gemacht.
    Excel ist da nur ein Tool von, allerdings für die meisten eher nicht brauchbar. Auch keine Excel-Vorlage.

    Eine spezialisierte Software bietet den Liquiditätsüberblick in schönem Design und verständlich.

    Beste Grüße

    Jan

    Antworten

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