Aktuelle rechtliche Herausforderungen für Websitebetreiber – Interview

Wer eine eigene Website betreibt oder im Social Web aktiv ist, muss in Deutschland viele rechtliche Anforderungen beachten.

Im heutigen Interview spreche ich mit Rechtsanwältin Simone Rosenthal über die rechtlichen Herausforderungen für einen zeitgemäßen und grenzüberschreitenden Internetauftritt.

Darin geht es unter anderem um Datenschutz, Fallstricke im Social Web, Cookies, Fotos, Videos und mehr.

Das sind nicht unbedingt schöne, aber sehr wichtige Themen und man sollte sich damit Beschäftigen, um teure Abmahnungen zu vermeiden.

1. Guten Tag Frau Rosenthal. Bitte stellen Sie sich meinen Lesern vor.

Guten Tag, ich bin seit 2004 Rechtsanwältin und seit 2007 Partnerin in der Kanzlei Schürmann Wolschendorf Dreyer Rechtsanwälte. Neben meiner Tätigkeit in der Rechtsanwaltskanzlei bin ich Geschäftsführerin der ISiCO Datenschutz GmbH, ein Beratungsunternehmen, welches Analyse, Auditierung, Beratung und Mitarbeiterschulungen für Datenschutz und IT-Sicherheit anbietet.

Außerdem gehöre ich dem Expertenkreis des Wirtschaftsrates an, welcher die Enquete-Kommission der Bundesregierung “Internet und digitale Gesellschaft” berät. Zudem bin ich Mitglied der Bundesarbeitsgruppe “Netz- und Medienpolitik” und aktives Mitglied der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR).

Als Rechtsanwältin unserer Kanzlei beteilige ich mich auch regelmäßig als Referentin an Vortragsveranstaltungen und Konferenzen zu Themen des IT- und Medienrecht.

2. Welche Fachgebiete gehören zu Ihren Schwerpunkten?

Unter anderem berate ich Unternehmen der Neuen Medien und des Internets in Fragen des Immaterialgüter und IT-Rechts. Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Beratung von Unternehmen im Handels- und Gesellschaftsrechts, insbesondere die Gestaltung nationaler und internationaler Verträge im Bereich des Handels- und Vertriebsrechts und des Geistigen Eigentums (Lizenzverträge).

Zu meinen Mandanten zählen vor allem nationale und internationale Unternehmen, Medienunternehmen, IT-, E-Commerce- und Technologieunternehmen, Forschungsgruppen und Institute im Bereich Technologieforschung und -entwicklung sowie Verlage und Agenturen.

3. Sie befassen sich intensiv mit Online-Recht. Wo steht Deutschland da aktuell, auch verglichen mit dem Rest der Welt, und welchen Nachbesserungsbedarf sehen Sie?

Unsere Gesetze müssen weiter für die digitale Gesellschaft angepasst werden. Wir haben beispielsweise in Europa in jedem Mitgliedsland unterschiedliche Gesetze und Auslegungen für den Datenschutz und das Urheberrecht. Das ist kontraproduktiv und gleicht einem großen “Flickenteppich”.

Wir brauchen dringend ein neues und einheitliches Datenschutzrecht und ein Urheberrecht, welches der digitalen Gesellschaft gerecht wird. Denn die digitale Welt kennt keine Ländergrenzen, sondern ist international. Anstatt das Online-Recht systematisch neu zu regulieren und eine Vereinheitlichung herbeizuführen, werden immer nur Einzelprobleme herausgegriffen und geändert. So zum Beispiel die “Button-Lösung” vor einigen Wochen. Wir müssen jedoch insgesamt Gesetze schaffen, die der digitalen Gesellschaft gerecht werden und eine zeitgemäße Regulierung darstellen.

Auch beim Datenschutz muss eine einheitliche, grenzüberschreitende Linie gefunden werden, um Rechts- und Planungssicherheit für die Unternehmen, die nicht nur auf dem nationalen Markt aktiv sind, zu schaffen.

Für das Datenschutzrecht haben wir in Deutschland einen sehr hohen Standard. Das wird jedoch bei Unternehmen oft als Behinderung angesehen. Es kann aber auch einen Wettbewerbsvorteil bedeuten. Kunden werden durch Datenschutzskandale in den Medien sensibler und wollen immer genauer wissen, was mit Ihren Daten passiert. Kundenvertrauen durch mehr Transparenz könnte so auch Umsätze steigern.

Auch amerikanische Unternehmen machen sich immer mehr Gedanken, wie sie Kundendaten datenschutzkonform verarbeiten können. Als bestes Beispiel: Die Gesichtserkennung bei Facebook soll ab Oktober gestoppt werden. Hier verbessern die Amerikaner ihren Datenschutz und nähern sich auch im politischen Prozess den europäischen Vorschriften des Datenschutzes an.

4. Das Social Web wird auch für Unternehmen immer wichtiger. Was sind nach Ihrer Erfahrung die häufigsten rechtlichen Fallstricke im Social Web?

Ich denke, die rechtlichen Fallstricke liegen vor allem darin, dass gesetzliche Vorgaben nicht ernst genommen werden.

Oft geht es um Meinungsäußerungsfreiheit versus Persönlichkeitsrechte. Wie viel oder was kann man über eine Person im Social Web schreiben, ohne dass das Persönlichkeitsrecht der Person betroffen werden.

Bei Kommentarfunktionen nach einem Artikel stellt sich beispielsweise die Frage, wer ist wirklich der Urheber des Kommentars? Wen kann man zur Verantwortung ziehen, wenn ein Kommentar Rechte von anderen verletzt?

Es gibt zahlreiche Regelungen unter anderem zum Impressum, zur Datenschutzerklärung und den AGBs. Doch die werden von den Unternehmen oft nicht richtig angewandt.

Oft sehe ich zum Beispiel Webseiten, die ein falsches Impressum haben. Andere haben eine fehlende oder mangelhafte Datenschutzerklärung. Weiter sind bei sehr vielen Webseiten auch die AGBs fehlerhaft. Das Problem ist dabei, das diese Unternehmen auf “unsicherem Fuß leben” und sich der ständigen Gefahr einer kostspieligen Abmahnung aufgrund wettbewerbsrechtlichen Verstößen aussetzen.

5. Der Datenschutz wird schon lange besonders in Verbindung mit Facebook und anderen Social Networks diskutiert. Was darf man eigentlich auf der eigenen Seite einbauen und kann man wegen Datenschutzverstößen abgemahnt werden?

Das ist ein sehr schwieriges Thema, was man lange diskutieren könnte.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) sagt, dass Fanpages und Social-Plugins wie der “Gefällt mir”-Button sämtlich gegen die Vorgaben des Telemediengesetzes und des Bundes- bzw. Landesdatenschutzgesetzes Schleswig-Holstein verstoßen und forderte Webseiten-Betreiber in Schleswig-Holstein auf, diese Dienste zu deaktivieren. Bei Nichteinhaltung der Übergangsfrist drohen privaten Betreibern Untersagungsverfügungen und Bußgelder bis zu einer Höhe von 50.000,00 EUR. Bis jetzt haben die Aufsichtsbehörden jedoch noch keine Bußgelder verhängt.

Es ist hier ohnehin fraglich, in welchen Verantwortungsbereich die Benutzung des “Gefällt mir”-Buttons von Facebook fällt: Ist es Facebook selbst, das gegen Gesetze verstößt oder sind es die Unternehmen, die den “Gefällt mir”-Button auf ihrer Homepage einbinden. Oder sind es vielmehr die User, die freiwillig den Button drücken und damit ihre Daten an Facebook freigeben.

Es bleibt abzuwarten, ob sich auch die Datenschutzbehörden anderer Bundesländer die Auffassung des ULD zum Vorbild nehmen und Webseiten-Betreibern die Nutzung entsprechender Social-Plugins ebenfalls untersagen und wie sich die Rechtssprechung hierzu positionieren wird. Bisher jedenfalls sind Social-Plugins juristisch umstritten.

6. Fotos und Videos werden gern auf Firmenwebsites eingesetzt. Worauf muss man achten, wenn man selber Fotos und Videos für die eigene Website aufnimmt? Darf man z.B. Produkte von Dritten selber fotografieren und in die eigene Website einbauen?

Videos und Fotos sind urheberrechtlich geschützt. Wenn Videos und Fotos, auf denen eine Person abgebildet bzw. gezeigt wird, auf einer Website eingebunden werden, müssen sie immer das Recht am eigenen Bild bzw. das Persönlichkeitsrecht der Person beachten!

Das heißt, wenn sie es veröffentlichen wollen, brauchen sie die Einwilligung. Probleme entstehen vor allem dort, wo Fotos einfach bedenkenlos von anderen Websites genommen oder ein Film eingebaut wird, obwohl die Nutzungsrechte nicht übertragen worden sind, was zu teuren Abmahnungen führen kann.

Weiter sollte berücksichtigt werden, dass Mitarbeiter ihr schriftliches Einverständnis geben, wenn sie innerhalb von Kampagnen oder Informationsmaterial abgebildet werden. Wir erleben es bei unseren Mandanten oft, dass ein Mitarbeiter kündigt und die Nutzung seines Fotos plötzlich untersagt. Der Arbeitgeber sollte hier immer darauf achten, dass er sich im Vorfeld absichert und sich das dauerhafte Einverständnis für eine Veröffentlichung sichert.

Als Faustregel gilt, wer ein Bild oder einen Film erstellt hat, ist Urheber.

Wenn sie Produkte von Dritten selber fotografieren und in die eigene Website einbauen, müssen sie zudem das Markenrecht beachten. Sie können nicht einfach ein Markenprodukt, wie etwa Coca Cola, fotografieren und damit gleichzeitig die eigenen Waren und Dienstleistungen, in diesem Fall Getränke, bewerben. Dies kann eine Markenrechtsverletzung eines anderen Unternehmens darstellen. Hier ist immer der Kontext wichtig. Im Zweifel raten wir dazu, sich vorher anwaltlichen Rat einzuholen.


7. Die EU Cookie-Richtlinie sorgt für Verwirrung unter deutschen Websitebetreibern. Gilt diese bereits für deutsche Websites und welche Auswirkung hat dies ggf.?

Die Cookie-Richtlinie ist in Deutschland noch nicht umgesetzt worden. Die Frist zur Umsetzung in nationales Recht lief bereits am 25.05. 2011 ab. Niederlande, Österreich, UK aber auch Schweden haben die Richtlinie bereits umgesetzt.

Die Debatte um die Cookie-Richtlinie hat in Deutschland wieder an neuer Brisanz gewonnen, seitdem der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar Anfang Mai öffentlich die Auffassung äußerte, die europäischen Regeln zum Cookie-Opt-In seien in Deutschland auch ohne Umsetzung in ein nationales Gesetz unmittelbar anwendbar. Dies bedeute, dass sie auch ohne Umsetzung in ein deutsches Gesetz der hiesigen Aufsichtspraxis zugrunde gelegt und von den Datenschutzbehörden durchgesetzt werden könnten, so Peter Schaar.

Es bestehen nach unserer Einschätzung gewichtige Zweifel, ob die Regeln zum Cookie-Opt-In tatsächlich hinreichend bestimmt sind. Jedoch ist dies aus meiner Sicht unerheblich. Eine unmittelbare Anwendung von EU-Richtlinien in den Mitgliedsländern setzt voraus, dass die Umsetzungsfrist abgelaufen und die Richtlinie unbedingt sowie hinreichend bestimmt ist.

In diesem Fall wäre eine Richtlinie nach ständiger EuGH Rechtssprechung unter Umständen anwendbar, jedoch nur zwischen Staat und Bürger. Eine unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie zwischen Unternehmen der privaten Wirtschaft und dem Bürger scheidet jedoch nach der bisherigen Rechtssprechung des BGH aus. Für deutsche Unternehmen dürfte die Richtlinie bisher keine unmittelbare Geltung haben.


8. Ebenso gibt es bei Newslettern immer wieder rechtliche Probleme. Worauf sollte man aus rechtlicher Sicht beim Aufbau eines eigenen Newsletters achten?

Es muss deutlich hervorgehen, wer der Absender des Newsletters ist. Daher muss der Newsletter ein Impressum enthalten. Entweder man baut direkt ein Impressum in den Newsletter ein oder man verweist mit einem Link auf das Impressum auf der Homepage. Wichtig ist, dass der User das Impressum mit max. 2 Klicks auffindet (sog. 2.Klick-Lösung). Außerdem muss der User darüber belehrt werden, dass er den Newsletter jederzeit widerrufen kann und wo genau die Abmeldefunktion ist.

Zahlreiche Probleme gibt es beim Versand von Newslettern. Oft geht es darum, unter welchen Voraussetzungen E-Mail-Werbung in welchem Umfang und Zeitrahmen an Kunden oder “noch nicht Kunden” versendet werden darf. Grundsätzlich benötigt ein Unternehmen laut UWG für den Versand von Werbung an die E-Mail-Adresse eines möglichen Kunden eine ausdrückliche vorherige Einwilligung. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Nachweis, dass eine solche Einwilligung von dem Beworbenen erteilt wurde, nur durch das sogenannte Double-Opt-In-Verfahren oder ein entsprechendes Verfahren rechtssicher geführt werden.

Es gibt nur eine Ausnahme: Nur das Versenden eines Newslettern an Bestandskunden ist auch ohne die Durchführung eines vorherigen Double-Opt-In-Verfahrens möglich, wenn die E-Mail-Adresse vom Kunden im Zusammenhang mit einem Umsatzgeschäft mitgeteilt wurde, der Kunde Newsletterwerbung für ähnliche Waren und Dienstleistungen enthält und er dieser Werbung nicht widersprochen hat.

Grundsätzlich gilt: Bei Unsicherheiten sollte immer über das Double-Opt-In-Verfahren eine Einwilligung eingeholt werden.

Für Fragen zum Internetrecht und den angrenzenden Rechtsgebieten stehen wir jederzeit sehr gerne zur Verfügung. Sie erreichen uns auf www.medienundmarken.de oder unter 030 501 75764.


Danke Frau Rosenthal

für die aktuellen Informationen.

Peer Wandiger

6 Gedanken zu „Aktuelle rechtliche Herausforderungen für Websitebetreiber – Interview“

  1. Ein sehr interessanter Artikel über die Fallstricke im Internet. Leider gibt es im deutschen Recht oft keine eindeutigen Antworten. Weil es meistens heißt: “Es kommt darauf an.”Es ist es wohl wirklich sicherer sich vorher fachlichen Rat zu suchen, weil man als Normalbürger mit mäßigen juristischem Wissen kaum weiterkommt.

    Ich habe zum Beispiel lange im Internet nach Infos über die, im Artikel erwähnten, selbstaufgenommenen Bildern gesucht. Wirklich schlau bin ich daraus nicht geworden. Im Gegenteil, oft war es ziemlich verwirrend, wenn ich etwas fand.

    Ich habe einen Büro-Blog und wollte eigentlich nur wissen, ob ich einen im Handel erhältlichen Aktenordner fotografieren darf und als Bild in meine gewerbliche Homepage einbinden kann.

    Am Ende habe ich es sicherheitshalber sein lassen……Die möglichen Konsequenzen, wenn ich mich irre, sind mir zu vorerst zu kostenintensiv für einen neuen Blog.

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  2. Guter Artikel! Danke dafür. Wird man gleich noch mal daran erinnert was man alles zu beachten hat. Sind ja mittlerweile doch eine ganze Menge Fallstricke die im Netz lauern. Aber gut Anwälte wollen/müssen ja auch was verdienen 😉

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  3. > Kundenvertrauen durch mehr Transparenz könnte so auch Umsätze steigern.

    In der Theorie sicher richtig, in der Praxis jedoch zwei völlig verschiedene Dinge. Ich hab eine Weile als Penetrationstester gearbeitet und nicht nur einen Online-Shop oder sonstige Webapp gesehen, die tolle Siegel und Button à la “geprüfte Sicherheit” und “Ihre Daten sind sicher” und “SSL-Verschlüsselung” und Bla enthielten. Die Realität sah leider ganz anders aus und z. T. konnte man auf Umwegen die gesamte Datenbank mit allen Usern abziehen. Und wenn man dann auch noch ungehashte Passwörter sieht, wird’s einem ganz anders.

    > Oder sind es vielmehr die User, die freiwillig den Button drücken und damit ihre Daten an Facebook freigeben.

    Facebook sammelt ja nicht nur Daten, wenn man klickt, sondern wenn der Button bereits eingebunden ist. Das ist ja das “Schöne” daran (für Facebook). Deswegen bauen viele Webseiten wie Heise diesen “Doppelklick” ein. Einmal klicken, um die Social Media Leiste zu aktivieren, dann erst Like.

    @Steve:
    Völlig übertrieben. Für deinen neuen Blog interessiert sich mit Sicherheit erstmal kein Anwalt und schon gar nicht Leitz, nur weil du deren Ordner fotografiert hast. Ich würd’s einfach online stellen.

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  4. Ich weiß nicht wie es bei eCommerce-Seiten ist, aber ich denke die Gestze müssen echt gezielter aufs digitale abgestimmt werden. Beim eCommerce hört man immer wieder, dass Abmahnungen vielen das Leben schwer machen.

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  5. Ein sehr wichtiger Artikel. Inzwischen muss jeder aufpassen, dass man nicht in einen rechtlichen Fallstrick im Internet hin ein gerät. Wie die Anwältin es auch geschildert hat. Es ist nicht alles rechtlich, einwandfrei abgestimmt.
    Liebe Grüße Raphael63

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  6. Sehr hilfreicher Artikel. Man muss verdammt aufpassen, was man ins Netz stellt. Viele Dinge sind einem aber gar nicht so bewusst. Z.B. nicht einfach irgendetwas abzufotografieren und es als sein eigenes Bild deklarieren. Es kommt genauso darauf an, was oder wer auf dem Foto zu sehen ist.
    Ich würde mich freuen wenn es bald noch mehr Artikel zum Thema Datenschutz und Fallen gibt.
    Ich finde, es ist ein sehr zentrales Thema.
    Ich kann auf jedenfall einiges aus diesem Artikel mitnehmen, was ich in Zukunft beachten muss.

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