Buchhaltung für Freelancer – Interview mit Tagwerk und Einblicke in die Umsetzung

Die Anzahl der Online-Services für Selbständige und Freelancer wächst.

Immer mehr Arbeiten kann man online erledigen, was sicher ein paar Vorteile mit sich bringt.

Speziell an Freelancer richtet sich das Angebot von tagwerk, welches die Themen Buchhaltung und Steuer beinhaltet.

Was das Angebot speziell für Freelancer interessant macht und wie das Angebot umgesetzt und vermarktet wurde, erfahrt ihr im folgenden ausführlichen Interview.

Guten Tag Herr Moll. Bitte stellen Sie sich meinen Lesern vor.

Ursprünglich komme ich aus dem wunderbaren Rheinland, aus Düsseldorf, um genau zu sein, bin vor 17 Jahren nach Hamburg gezogen und lebe mit meiner Familie in Ottensen. Studiert habe ich in Düsseldorf und Hamburg.

Mein beruflicher Werdegang hat mich bisher als freiberuflicher Art Direktor und Illustrator von der Agentur Scholz&Friends über die Verlage Gruner&Jahr und Die Zeit bis zur jetzigen Tätigkeit als Mitgründer und Geschäftsführer von mein-tagwerk.de geführt.

Neben den vielen Herausforderungen im Aufbau des Online Startups liegt mein Schwerpunkt in der Konzeption und Umsetzung der Kommunikation sowie des Marketing. Das beinhaltet die grafische Gestaltung der Seite, die Usability, die Animationen und die Werbemittel.

Welche Erfahrungen konnten Sie im Online-Business bisher sammeln?

Vor meiner Gründung von tagwerk hatte ich relativ wenig Erfahrung in diesen Bereich, war vielmehr im Print zu Hause. Das hat sich schnell geändert, heute ist das der Schwerpunkt meiner Tätigkeit.

Vor allem in der Produktentwicklung, Webdesign und Usability habe ich seitdem viele nachhaltige Erfahrungen gesammelt. Die größte Herausforderung lag im Bereich Usability, der Spagat zwischen den eigenen Design-Vorstellungen und den Nutzungsgewohnheiten der Anwender ist teilweise immens.

Auch das Feedback ist total anders, bisher haben die Kunden sich gemeldet, wenn sie zufrieden waren. Jetzt ist es genau umgekehrt, die Kunden melden sich in der Regel, wenn Sie unzufrieden sind und das wird sehr konkret kommuniziert.

Die Erwartungen an Software sind hoch, sie soll funktionieren und verständlich sein, dann ist alles gut. Erst wenn es hakt bekommt man das Feedback, daran musste ich mich gewöhnen.

Wie ist Ihr Projekt mein-tagwerk.de entstanden und wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Die Idee zu tagwerk ist meinem Partner Georg Portwich beim Wäsche legen gekommen. Er hat über seine wirtschaftliche Situation als freiberuflicher IT Entwickler gegrübelt. Die Themen Buchhaltung und Steuer haben ihm keine Ruhe gelassen, da es keine vernünftige Online Lösung für Freelancer gab.

Daraufhin entstand die Idee zu tagwerk und über die Zusammenarbeit im Bereich Design bin ich dazu gestoßen. Wir haben aus der gemeinsamen Erfahrung als Freelancer die Software entwickelt, prozessorientiert, maßgeschneidert und sehr schlank.

Wir konnten uns mit tagwerk bereits über zwei Auszeichnungen freuen, den IKT Innovativ Preis vom Ministerium für Wirtschaft und Technologie und den Preis GründerGeist der Hamburger Wirtschaftsjunioren.

Was sind die wichtigsten Features von mein-tagwerk.de und wo liegen die Besonderheiten, auch gegenüber der zahlreichen Konkurrenz?

Unser Anspruch ist eindeutig, wir definieren die Themen Steuer machen und Buchhaltung für Freelancer neu. Freelancer können ihre gesamte projekt- und kundenbezogene Organisation mit tagwerk strukturieren, abrechnen und gleichzeitig ihre Unterlagen ohne Mehraufwand für die Steuer vorbereiten. Das nimmt viel Arbeit ab, spart Zeit und sogar bis zu 45% bei den Steuerberatergebühren.

Durch folgende Features unterscheidet sich tagwerk von allen anderen Online-Anbietern von Buchhaltungs- oder Rechnungstools:

  1. Wir sind ein Komplettservice: Angefangen beim kostenlosen Stundensatzrechner über die Möglichkeit Angebote zu kalkulieren, Projekte und Kunden zu verwalten, Zeiten zu erfassen, Kosten und Reisen zu dokumentieren, bis zur Rechnungsstellung und automatisch generierten Einnahmen-Überschuss-Rechnung bieten wir alles an was Freelancer für ihre Projekte brauchen.
  2. Wir haben keine Warenwirtschaft, keine Buchungskonten, keine Lieferscheine. Das Projekt steht im Zentrum und alle Daten werden projektbezogen erfasst und ausgewertet. Deshalb ist tagwerk einfach und übersichtlich. Es ist ohne Vorkenntnisse schnell zu verstehen.
  3. Wir sind intelligent vernetzt, haben eine Schnittstelle zum Steuerberater für den Datenaustausch und eine Schnittstelle zu Elster zur einfachen Anmeldung der Umsatzsteuer. Über das tagwerk Steuerberaternetzwerk können unsere Kunden günstige Steuerberatungsleistungen in Anspruch nehmen und bis zu 45 % sparen.
Welche Vorteile haben Online-Rechnungsservices gegenüber lokalen Software-Lösungen?

Die Vorteile sind vielfältig, der größte Vorteil ist sicher die Mobilität, die heute eine zunehmende Rolle spielt. Die Anwendung kann von Ort und Rechner unabhängig aufgerufen werden, egal welches Betriebssystem oder welchen Browser ich verwende.

Aus meiner Sicht ist die ständige Weiterentwicklung ebenfalls ein riesiger Pluspunkt: Ich muss mich als Anwender nicht um Updates kümmern und bei uns können die Nutzer sogar durch Ihr Feedback aktiv an der Entwicklung teilnehmen. Wir arbeiten regelmäßig Anregungen und Kundenfeedback in das Programm ein.

Was liegen nach Ihrer Erfahrung die größten Herausforderungen bei der Buchhaltung von Selbständigen?

Elster ist zurzeit sicher ein großes Thema bei allen Freelancern, d.h. die Pflicht zur digitalen Umsatzsteuervoranmeldung ab Mai 2013. Wir haben dafür extra eine Elster Schnittstelle im System eingerichtet, damit Anwender auf Basis ihrer EÜR (Einnahmen Überschuss Rechnung) die Anmeldung direkt aus tagwerk heraus selber erledigen können. Das ist sehr komfortabel und damit schnell gemacht.

Darüber hinaus geht es eigentlich nur darum, das gefühlte Monster Buchhaltung zum Zwerg zu machen. Der reale Aufwand ist in der Regel wesentlich kleiner als der gefühlte. Eine gute Struktur durch ein Programm, ein festes Ritual zur Umsetzung und eine schöne Belohnung danach, das reicht nach unserer Erfahrung.

Wo liegen die häufigsten Buchhaltungs-Fehler?

Der größte Fehler ist wohl die Unsicherheit. Daher wird das Thema lieber verschoben, als in Angriff genommen.

Ein paar konkrete Stolpersteine sind zum Beispiel die formalen Voraussetzungen einer Rechnung. Angaben wie fortlaufende Rechnungsnummer, Ort, Datum, Steuernummer und der richtige Umsatzsteuersatz sind wichtig.

Oder das Thema Belege sammeln, und zwar nur Belege die auch wirklich zur Ausübung meiner Tätigkeit nötig sind. Im zweiten Schritt Belege archivieren, am Besten einscannen und online in tagwerk ablegen und als Kosten direkt den Projekten zuweisen. Danach ab in den Ordner und gut ist.

Reisekostenabrechnung ist ein weiterer Stolperstein. Wer kennt schon die verschiedenen Mehrwertsteuersätze für Hotelkosten, Frühstück, Bus und Bahn oder die gesetzlichen Spesensätze für Reisen über 8, 14 oder 24 Stunden? Auch Reisen kann man in tagwerk komfortabel abrechnen: Einfach die Brutto Beträge eingeben, den Kostenarten zuweisen und wir erstellen daraus eine Reisekostenabrechnung.


Wie sieht es mit der Datensicherheit bei Ihnen aus?

Wir haben eine externe Agentur beauftragt unseren Datenschutz zu prüfen und haben dadurch das IPS Zertifikat erhalten.

Das bedeutet, dass wir sehr hohe Anforderungen an unsere AGB erfüllen und die Daten zum Beispiel nach deutschem Datenschutz behandelt und in Deutschland gesichert werden. Wir haben ebenfalls einen externen Datenschutzbeauftragten, Dr. Felst aus Hamburg, der mit Anwaltsaugen über die korrekte Umsetzung der AGB wacht.

Darüber hinaus werden die Daten bei der Übertragung SSL verschlüsselt und sind somit für Dritte nicht lesbar. Da fällt mir noch ein neues Feature ein, das wir gerade live geschaltet haben, den globalen Download aller in tagwerk erfassten Daten.


Meine Leser starten ja selbst Online-Projekte. Deshalb würde es sie sicher interessieren, wie die Umsetzung von mein-tagwerk.de lief und wie groß der Aufwand war und ist.

Das ist sicher der Aspekt den ich selber total unterschätzt habe. Sowohl der Aufwand und die Schwierigkeiten in der Umsetzung von mein-tagwerk.de waren deutlich höher als ich anfangs vermutet habe.

Wir haben vor drei Jahren mit dem Projekt begonnen, lange nebenher teilweise Vollzeit gearbeitet und uns Schritt für Schritt voran gekämpft. Da der Leistungsumfang von tagwerk sehr groß und komplex ist, war das Thema Stabilität und Usability für uns vorrangig. Daher hat es auch lange gedauert dieses Ziel zu erreichen.

Jetzt sind wir seit Ende 2012 an dem Punkt, dass tagwerk stabil läuft und alle Leistungen so integriert sind, wie wir uns das vorgestellt haben. Der technische Aufwand hängt stark von der Komplexität ab.

Der weitere Aufwand besteht in der Ausrichtung auf den Markt, dem Proof of Concept und der Finanzierung. Man braucht viel Durchhaltevermögen und ein sehr gutes Team, das sich in seinen Fähigkeiten ergänzt. Zurzeit sind wir ein Team von 5 Mitarbeitern, drei Festangestellte, eine Studentin und eine freie Vertrieblerin. Damit sind wir sehr gut aufgestellt, der Aufwand für Support, Marketing und Produktentwicklung nimmt stetig zu, daher planen wir sukzessive den Aufbau weiterer Mitarbeiter.

Als Grundregel kann man wohl sagen, es dauert mit Sicherheit länger als man das selber geplant hat! Es sei denn man hat bereits sehr viel Erfahrungen im Aufbau von Startups gesammelt.


Wie gehen Sie die Vermarktung von mein-tagwerk.de an? Welche Maßnahmen liefen gut und welche nicht?

Überschätzt haben wir die Wirkung von Google Adwords. Man kann zwar seinen Traffic kurzfristig hochfahren, nachhaltige Besucherzahlen oder eine bessere Conversion erzielt man dadurch nicht.

Die Qualität der Leads ist für uns entscheidend. Daher bieten wir den Anwender kostenfreie Inhalte die ihnen in ihrer alltäglichen Arbeit als Freelancer helfen.

Buchhaltung für Freelancer - Interview mit TagwerkZum Beispiel gibt es bei uns einen kostenfreien Stundensatzrechner mit dem man auf Basis seines notwendigen oder gewünschten Nettomonatslohns und unter Berücksichtigung seiner monatlichen Kosten seinen Stundensatz berechnen kann.

Dieser kann gespeichert werden und man kann auf dieser Grundlage zukünftig Angebote kalkulieren und sieht sofort, ob man damit im wirtschaftlichen Bereich liegt.

Zusätzlich bauen wir eine Bibliothek mit Gründungs- und Buchhaltungstipps auf, dort erhalten Interessierte kostenlose Unterstützung. Diese Inhalte generieren für uns qualitative Leads und steigern unseren Traffic.

Ein weiterer Baustein der Vermarktung sind Kooperationen, zum Beispiel mit projektwerk oder anderen Software Anbietern. Wir haben vor kurzem einen Kooperationsvertrag mit der Firma Wolters Kluver / Addison abgeschlossen, sie sind in Deutschland die Nummer zwei im Bereich Software für Steuerberater. Tagwerk wird in Zukunft als Branchenlösung für Freelancer die Angebotspalette erweitern.


Was planen Sie für die Zukunft?

Umgesetzt wird zurzeit die Elster Schnittstelle. Daran anschließend werden wir unser Steuerberaternetzwerk weiter ausbauen. Wir führen zurzeit bundesweit Gespräche mit Kanzleien, um unseren Nutzern Kostenvorteile von bis zu 45% bei den Gebühren weiterreichen zu können.

Das heißt, wenn der Nutzer tagwerk für die wirtschaftliche Organisation seiner Projekte nutzt, kann er oder sie durch den direkten Datenaustausch und die Vorerfassung der Belege viel Geld beim Steuerberater sparen. Dieser muss die Belege nicht mehr in sein System einpflegen, sondern erhält eine Exportdatei aus tagwerk und kann dem Mandanten dadurch ein faires Angebot machen.

Weiterhin besteht der Plan in der Etablierung unseres Startups. Für unsere internen Strukturen haben wir personell einen großen Schritt mit Carina Weigel getan, Sie unterstützt uns seit November als gestandene Projektmanagerin. Für die nächsten Schritte im Steuerberatermarkt freuen wir uns auf die intensive Zusammenarbeit mit Addison.


Zum Abschluss des Interviews würde ich mich über Ihre wichtigsten Tipps für Selbständige im Netz freuen.

Sich Selbständig zu machen halte ich für eine gute und mutige Entscheidung. Egal ob als Freelancer oder mit einer Startup Idee. Wichtig ist es sich zu trauen und die Lust Dinge zu gestalten und zu bewegen, sein eigener Chef zu sein.

Mit der Selbständigkeit gehen viele Herausforderungen einher, aber man muss auch nicht alles von Anfang richtig machen. Man sollte sich gut informieren und die Herausforderungen Schritt für Schritt angehen. Daher finde ich zum Beispiel deine Rubrik Schritt für Schritt auf Selbständigkeit im Netz ganz wunderbar, praktisch und vor allem an die eigenen Erfahrungen angelehnt.

Sehr unterhaltsam und hilfreich als Orientierung sind die Mythen der Selbständigkeit, viele davon kann ich bestätigen oder habe sie selber erlebt. Als Vorbereitung auf eine Tätigkeit als Freelancer oder Gründer halte ich sie für wichtiger als die viele organisatorische Tipps, da sie häufig auch falsche Gedankenmuster entlarven.


Danke Herr Moll

für die umfangreichen Einblicke und Tipps.


Umfrage

Macht ihr eure Buchhaltung und Steuererklärung selber?

  • Ja, ich mache meine Buchhaltung und Steuererklärung komplett selber. (45%, 1.427 Stimmen)
  • Ich sammle nur Belege. Um den Rest kümmert sich eine Buchhaltungsbüro/Steuerberater. (34%, 1.065 Stimmen)
  • Die Buchhaltung mache ich selber, aber der Steuerberater macht den Abschluss. (21%, 655 Stimmen)

Teilnehmerzahl: 3.147 (max. 1 Stimmen)

Peer Wandiger

4 Gedanken zu „Buchhaltung für Freelancer – Interview mit Tagwerk und Einblicke in die Umsetzung“

  1. Finde ich eine interessante Sache. Habe mir die Webseite auch mal angeschaut und finde das Projekt ziemlich ansprechend. Gerade auch der Lohnrechner ist ein Thema für mich, da ich seit geraumer Zeit überlege aus meiner Teilselbstständigkeit (Hauptjob + Nebenjob) nur einen Job zu machen, in dem ich mein eigener Chef bin.

    Gerade hier fand ich den Part mit der Reisekostenabrechnung sehr gut, immerhin ein relevantes Thema – auch jetzt schon. Allerdings ist all dieser Steuerkram für mich ein Graus und wird es wohl auch immer bleiben. 🙂

    Danke auch von mir für das Interview!

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  2. Tolle Sache, vor allem, dass man seine Belege direkt bei Tagwerk ablegen kann. Ich habe erst vor kurzem damit angefangen meine Belege zu scannen, davor landeten sie immer in einer Mappe, oder auf der Pinnwand und am Ende musste ich sie mir von überall mühsam zusammensuchen.

    Auch die anderen Buchhaltungstipps sind sehr hilfreich.

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  3. Toller Bericht und eine gute Informationsquelle für Existenzgründer. Vor allem die Buchhaltung ist ein Punkt, wo es viele Probleme für “Jungunternehmer” gibt.

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  4. Ich halte nicht viel von Onlinelösungen. Eine lokale Software, und wenn es nur eine Excellösung ist, halte ich für viel sinnvoller. Onlineangebote sind mir viel zu unsicher. Sowohl beim Thema Datenschutz (Da kann noch so viel beteuert werden, gehackt wurden auch schon die Großen) als auch im Angebot selbst. Wer versichert mir, dass ich das in 2 Jahren noch nutzen kann? Vielleicht kostet es dann etwas oder mehr, aber dann habe ich mein System schon darauf abgestimmt.

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