5 weitere unpopuläre Erkenntnisse aus eineinhalb Jahren Online-Business

Nach der Vorstellung der ersten 5 Startup-Lehren geht es heute mit 5 ebenfalls wichtigen Erkenntnissen weiter.

Dabei geht es unter anderem um den Umgang mit den Nutzern, Investoren und Affiliate-Marketing.

Am Ende ziehe ich dann noch ein abschließendes Fazit zu meinen Startup-Erfahrungen.

5 weitere unpopuläre Erkenntnisse aus eineinhalb Jahren Online-Business

6. Sei für deine Nutzer greif- und sichtbar!
Bei vielen Online-Projekten habe ich immer wieder das Gefühl, dass sich die Gründer fast schon dahinter verstecken wollen (“Wo ist hier bitte das Impressum?”). Dabei macht gerade die Sichtbarkeit der “Macher dahiner” einen großen Unterschied bei Nutzern, empfinden viele die Online-Welt doch als anonym und kalt.

Zeigt daher Fotos eures Teams, fordert eure Nutzer überall auf, euch anzurufen und schreibt ein wenig über euch und eure Geschichte. Eine gut gestaltete Über-uns-Seite ist heutzutage meiner Meinung nach Pflicht!

Wir bekommen jeden Tag etwa 2-3 E-Mails und 1-2 Anrufe von unseren Nutzern. Dabei ist von Lob über Kritik und auch mal Hassmails an Banken (wir in CC) so ziemlich alles dabei. Das Schöne daran ist, dass wir so auch etwas über unsere Zielgruppe erfahren.

Wie alt sind unsere Nutzer? Welche Sorgen haben sie? Was suchen sie? Und neben diesen Informationen bekommen wir gleichzeitig noch relativ mühelos eine emotionale Bindung oben drauf, die nicht selten zu persönlichen Empfehlungen im Familien- und Freundeskreis führt.

7. Arbeite für lau!
Wo es etwas kostenlos gibt, muss es auch einen Haken geben – so zumindest die weitläufige Meinung. Tatsächlich ist da meist sogar etwas dran. Wer sich aber für seine Nutzer einsetzt, Arbeit und Zeit in Anfragen steckt und dann noch nicht einmal Geld dafür verlangt, wird mit lebenslangem Dank und vor allem feinster Mundpropaganda belohnt.

Beispiel: ein Nutzer schickte mir per E-Mail die Frage, warum Banken überhaupt noch Tagesgeld zu Zinsen von z.B. 1,6% anbieten, wenn die EZB doch derzeit Geld quasi zum Nulltarif an sie verleiht.

Eine sehr gute Frage, die ich mir nach einer kurzen Google-Suche selbst nicht so recht beantworten konnte. Nach fast 6 Stunden des Studierens von Foren, Basel-III-Richtlinien, EZB-Dokumenten und Fachpublikationen hatte ich eine E-Mail-Antwort von über einer Seite zusammengeschrieben und an den Herrn geschickt. Der bedankte sich am nächsten Tag überschwänglich für die ausführliche Antwort.

Wenn dieser Nutzer das nächste Mal ein Tagesgeldkonto braucht, dann wird er dies zu 99% über Kritische-Anleger.de abschließen und höchstwahrscheinlich seine ganze erweiterte Familie ebenso.

Hängt euch also für eure Nutzer/Besucher rein und setzt euch auch einmal ein paar Stunden hin, ohne dafür unmittelbar finanziell entlohnt zu werden. Das macht sonst kaum jemand! Es lohnt sich!

8. Investoren braucht kein Mensch …
… naja, es sei denn, man möchte sein Startup innerhalb von 2 Jahren in 30 Länder exportieren und nach einem Millionen-Exit im 3. Jahr nach Bali auswandern. Aber ganz ehrlich: wer will sowas!? Aufwachen liebe Entrepreneure! Wenn euch nach 1 Woche auf Bali nicht langweilig ist, dann seid ihr im falschen Business!

Tatsächlich gibt es ein riesiges Spektrum an Internet-Startups, die mit langsamem, organischen Wachstum, sowie langfristigem Horizont sehr gut ohne externe Investoren auskommen.

In der Praxis hat das Ganze sogar eine Menge Vorteile. So kann ich auch unpopuläre Entscheidungen treffen, die mich potentiell Geld oder Einnahmen kosten, ohne dass mir morgen jemand einen Vortrag über Wachstum und Umsatz/Gewinn hält. Ich kann Fehler machen, daraus lernen und selber über mein Unternehmen entscheiden – es ist eben meins.

Bevor ihr also über Venture Capital nachdenkt, schaut euch erst einmal die verschiedenen Optionen an:

  • Tut es am Anfang vielleicht ein Halbtags- oder Nebenjob, mit dem ihr im Notfall auch 1-2 Jahre überleben könnt?
  • Gibt es Förderungen vom Staat?
  • Können Eltern oder Großeltern euch unterstützen?
  • Habt ihr vielleicht sogar Ersparnisse?
  • Ließe sich das Unternehmen evtl. billiger aus dem Ausland aufbauen (Thailand, Vietnam, Indonesien?)?

Erst wenn diese Optionen ausgeschlossen sind, sollte meiner Meinung nach der Blick zu Investoren gehen.

Dass Investoren auch Vorteile mit sich bringen und durchaus ihre Daseinsberechtigung haben (insbesondere bei kapitalintensiven Startups), möchte ich hier nicht in Abrede stellen. Dass jedoch in vielen Gründerköpfen der Gedanke an VC mittlerweile vor dem ersten Prototypen oder den ersten Monaten im Business steht, halte ich für falsch.

9. Affiliate-Marketing ist ein Geschäftsrisiko
Affiliate-Marketing ist eine wunderbare Sache, lässt sich damit doch ohne größeren Aufwand für Produktentwicklung und -testing etwas vermarkten, bei dem man praktisch kein Risiko trägt (Stichwort Produkthaftung, Gewährleistung, Zahlungsabwicklung etc.).

Das Schöne daran ist zudem, dass man insbesondere bei bekannten Marken relativ einfach nach dem Piggiback-Prinzip von bestehendem Suchvolumen profitieren kann. Wer hat nicht selber schon einmal nach etwas wie “MarkeXY Erfahrungen” oder “ProduktXY Test” gesucht.

Das Problem dabei ist allerdings, dass Produktanbieter und Affiliate-Netzwerke in den meisten Fällen eine zu große Macht haben und häufig mit den Publishern machen, was sie wollen. Als Webseitenbetreiber kann man zumeist nur zuschauen und schlucken.

Da werden Provisionen von heute auf morgen um 50% gekürzt oder Programme trotz bestehender Verträge schlichtweg über Nacht eingestellt. Wer da nicht breit aufgestellt ist, muss auch mal mit ansehen, wie plötzlich 70% des Umsatzes wegbrechen.

Versucht daher, das Risiko solcher Ausfälle zu vermindern, indem ihr eine ganze Palette von Produkten vermarktet und dazu auch noch, sofern möglich, verschiedene Affiliate-Systeme nutzt.

Langfristig halte ich allerdings die Entwicklung eigener Produkte für die nachhaltigere Strategie, auch wenn es zunächst aufwändiger erscheint.

10. Ohne Offline gibt es kein Online!
Viele Leute haben noch immer die Vorstellung, dass ein Online-Business von der Couch aus mit gelegentlichem E-Mail-Kontakt oder Skype-Chat geführt werden kann. Tatsächlich mag dies in vielen Fällen auch funktionieren, jedoch macht der persönliche Offline-Kontakt zu Nutzern, Kunden und Geschäftspartnern einen riesigen Unterschied, wenn nicht sogar DEN Unterschied.

Sich mit der Konkurrenz zum Kaffee zu verabreden, den Affiliate-Partnern Weihnachtsgeschenke zu schicken oder auch mal einen Nutzer direkt anzurufen stärkt nicht nur persönliche Beziehungen, sondern sorgt auch dafür, dass euer Unternehmen mit einem Gesicht und einer Persönlichkeit ausgestattet in den Köpfen der Menschen hängen bleibt.

Bei der nächsten Kooperations- oder Abschlussmöglichkeit seid IHR es dann, die als Erstes genannt werden und nicht der Kollege XY, der sich hinter seiner generischen Seite Z verbirgt (siehe Punkt 6).

Mein Tipp daher: trefft euch mit Kunden, Partnern und Konkurrenten in der realen Welt. Geht auf diese Leute aktiv zu (alter Trick: “Bin am 26.10. sowieso in der Umgebung. Interesse an einem Treffen/Cafe?”) und scheut für derartige Treffen auch keine Umwege oder Kosten. Es lohnt sich langfristig in jedem Fall!


Fazit

Mein Fazit aus all diesen Punkten lässt sich am Ende des Tages aber auch kurz zusammenfassen:

  • Macht euch mit Herz selbständig, steht hinter eurem Projekt, aber vergesst nie, dass das Ganze auch oft genug harte, nervige und ätzende Arbeit ist.
  • Programmiert eure Seiten soweit es geht selbst und achtet dabei stets auf eine klare, logische Struktur des Systems, die sich auch im Content und der URL widerspiegelt.
  • Betrachtet SEO nicht als Wissenschaft, sondern vor allem als die Kunst, gut strukturierten, hilfreichen (!) Content zu schreiben, den sonst keiner hat. Bleibt diesbezüglich sauber – bitte keine Grey/Black-Hat-SEO-Methoden!
  • Wenn Nutzer euch um Infos oder einen Gefallen bitten, solltet ihr dies als Chance sehen, persönliche Beziehungen und kostenlose Mundpropaganda zu fördern, auch wenn es mit (erheblichem?) Aufwand verbunden ist.
  • Neben den eigenen Nutzern ist aber auch die Konkurrenz im Auge zu behalten. Ein Cafe hier, ein Mittagessen oder Telefonat da hat noch niemandem geschadet – ganz im Gegenteil.
  • Überlegt euch zudem gut, ob der Weg über Venture Capital wirklich nötig ist oder ein organisches Wachstum nicht auch möglich ist. Letzteres würde ich der Aufnahme von Risikokapital jederzeit vorziehen.
  • Seid zu guter Letzt bei Affiliate-Marketing vorsichtig, dass ihr euch nicht in Abhängigkeiten begebt, die euch zum Verhängnis werden könnten (Stichwort Vermarktungs- bzw. Programmstopps). Eine breite Aufstellung ist hier immer ratsam. Besser noch ist die Entwicklung eines eigenen Produktes.

Ansonsten gilt es durchzuhalten, sich häufiger mal in den Hintern zu treten und dabei immer glaubwürdig zu bleiben. Der Erfolg (das Geld?) kommt dann irgendwann von allein – eigentlich (fast) garantiert.


Über mich

Ich betreibe seit Anfang 2012 auf Kritische-Anleger.de ein Portal für unabhängige Test- und Erfahrungsberichte im Bereich der konservativen Geldanlage und habe mir damit nach 6 Jahren des Studierens und 3 Jahren im Angestelltendasein meinen Traum von der Selbständigkeit im Internet verwirklicht.

Zuvor hatte ich bereits 2002 die Plattform Movie-Trade.com aufgebaut (Webseite nicht mehr verfügbar), über die u.a. der Stern in einer seiner Ausgaben berichtete. Heute arbeite ich nun von der Bankenmetropole Frankfurt aus und treibe dort neben meinem Anlegerportal weitere Projekte im Finanzbereich voran.

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Peer Wandiger

5 Gedanken zu „5 weitere unpopuläre Erkenntnisse aus eineinhalb Jahren Online-Business“

  1. Danke für die Fortsetzung der Serie. Sehr interessant und auch hilfreich für mich persönlich. Und neben bei gelungenes Marketing für kritische-anleger 😉

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  2. Wirklich genial, dass es mal einer aussprichst 🙂 Investoren braucht kein Mensch und für die Leute die meinen 2 Millionen anzunehmen und diese dann zu verpulvern, soll gesagt sein, dass ihr euer Unternehmen in den häufigsten Fällen verloren habt. Schon oft erlebt 😉 Bitte mal den Vertrag lesen. Bei einem nachfolgenden Exit von 6 Millionen Euro bleiben bei euch in der Regel dann nur noch wenige tausend Euro hängen.

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  3. Das mit den nicht benötigten Investoren ist vollkommen richtig. Viel wichtiger ist es, dass man seine Ausgaben möglichst niedrig hält, um nicht auf Kapital von außen angewiesen zu sein.

    Das schicke Büro oder der teure Laserdrucker kommen einem bei späteren Finanzierungsrunden dann nämlich richtig teuer, da der eigene Anteil am Unternehmen viel geringer ist, als wenn man auf diese Dinge verzichtet hätte.

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  4. Sehr sehr authentischer Artikel! Ich denke der wichtigste Punkt, den Du ansprichst ist wirklich der, nicht zu sehr in der “Online-Welt” zu leben. Klar, das Internet bietet großartige Möglichkeiten – dennoch musst Du immer wieder rausgehen und eine wirkliche persönliche Bindung mit den Leuten aufbauen. Ich vergesse das auch von Zeit zu Zeit – daher danke für den Reminder! 🙂

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  5. Das ist extrem hochwertiger Content. Völllig zu Recht schreibst du, dass du den Eindruck hast, manche würden sich hinter ihrer Webseite verstecken. Dieses Gefühl habe ich auch. Allerdings darf man auch nicht vergessen dass es gerade von der Abmahnindustrie wegen kleinster Unaufmerksamkeiten oftmals Ungemach droht. Man kann nicht vor jedem Blogartikel den Anwalt konsultieren. Man muß irgendwie den Spagat hinbekommen, einerseits sichtbar zu sein, und andererseits eine gewisse Privatspähre zu wahren.
    Gruß Willi

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