Was Canva von Apple gelernt hat und mehr – Guy Kawasaki und Melanie Perkins im Interview

Canva gehört zu den weltweit erfolgreichsten Online-Designsoftware-Lösungen.

Mehr als 10 Millionen Menschen nutzen das Tool weltweit bereits und es werden immer mehr.

Im heutigen Interview spreche ich mit der Gründerin Melanie Perkins und dem Canva Chief Evangelist Guy Kawasaki über das Startup, dessen Entstehung und die Zukunft.

Viel Spaß damit.

(To the english version of the interview.)

Inhalt

Welche Rolle spielt Design für Sie in Ihrem Leben?

Melanie Perkins: Design wird heutzutage für Jedermann immer wichtiger, gerade im Hinblick auf die Geschäftswelt. Das Internet und vor allem die sozialen Medien haben ein ungeheures Momentum: die Notwendigkeit, unsere Webseiten und Posts sichtbar und einzigartig zu machen, lässt uns alle mehr Augenmerk auf das Visuelle legen.

Ich selbst designe schon seit Jahren. Die Idee für Canva kam mir, als ich im Zuge eines Tutoriums meinen Kommilitonen den Umgang mit den Adobe Designprogrammen beibrachte. Dabei wurde mir klar, dass diese Programme für die meisten Menschen viel zu komplex und und viel zu teuer sind – und dass, obwohl viele Millionen Menschen den Wunsch hegen, selbst etwas zu designen.

Wie ist die Idee für Canva entstanden und was ist das Besondere daran?

Melanie Perkins: Die Reise mit Canva begann 2007, als ich an der Universität studierte. Damals unterrichtete ich Studenten im Umgang mit Programmen wie InDesign und Photoshop. Das Erlernen und auch die Nutzung dieser Programme gestaltete sich für die meisten Studenten sehr zäh und mühsam. Mir wurde klar, dass die Zukunft des Designs eine komplett andere sein würde, nämlich Online, kollaborativ und vor allem sehr intuitiv und eingängig.

Als mir diese Idee zuerst in den Kopf kam, war es uns jedoch nicht mal ansatzweise möglich, das Produkt unserer Träume zu realisieren. Mein Mitgründer und ich waren beide Studenten. Wir hatten kein Geld. Wir hatten keine Erfahrung in den Bereichen technischer Entwicklung und der Geschäftswelt. Wir wussten noch nicht mal was ein „Startup“ war, und kannten auch niemanden der in einem solchen arbeitete. Wir hatten lediglich ein Problem erkannt, das wir lösen wollten – und wir verfügten über einen schier absurden Vorrat an Entschlossenheit.

Wir gründeten ein Startup mit dem Namen Fusion Books. Damit testeten wir unsere Idee des Designs der Zukunft in dem Nischenmarkt der Schuljahrbücher. Nach einigen Jahren hatten wir bewiesen, dass unsere eingängige Art zu designen funktionierte und wir wagten uns schließlich an das Thema Design in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Komplexität.

Canva ist etwas Besonderes, da es jedem ermöglicht selbst zu designen. Früher war Design vor allem komplex und teuer, so dass es den meisten Menschen verwehrt blieb, selbst professionelle Designs zu erstellen. Canva richtet sich an die Gesamtheit derer, die einfach designen wollen.

Von der Software her betrachtet ist Canva speziell, da es das einzige Programm ist, das es dir ermöglicht alle Schritte des Designprozesses an einem Ort auszuführen.

Da wir in unserem Marketplace mehr als eine Millionen Bilder sowie tausende professionell designte und individuell veränderbare Layouts anbieten, kann Canva wirklich für jeden einzelnen Schritt des Designprozesses verwendet werden.

Wer nutzt die App und was kann man damit alles machen?

Melanie Perkins: Mehr als 10 Millionen Menschen in 179 Ländern nutzen bereits die App. Besonders gut kommt sie bei digital- und Social Media-Vermarktern sowie bei Startups und gemeinnützigen Organisationen an.

Canva ermöglicht dir die Kreation professioneller Designs für alles Mögliche – von Visitenkarten über Vortragsfolien bis hin zu Werbematerialien, und das vollkommen unabhängig von deinen Designvorkenntnissen. Wir machen das möglich, indem wir für jeden Dokumententyp (z.B. Facebook-Cover, Vortragsfolien etc.) tausende professionell designte Layouts anbieten. Diese sind dann wiederum komplett modellierbar: du kannst die Wörter, Farben und Bilder beliebig verändern und anpassen. Du kannst von Anfang an komplett dein eigenes Ding machen.

Wie lief die Umsetzung von Canva und wie haben Sie zum Start die ersten Nutzer gefunden?

Melanie Perkins: Seit über zehn Jahren, seit mir klar wurde, dass sich im Bereich Design viele Dinge grundsätzlich verändern müssen, arbeite ich an der Vision für Canva. In dieser Zeit sind die Idee und das Unternehmen unglaublich gewachsen. Die fundamentalen Elemente und Geschäftspläne für Canva halten sich jedoch immer noch recht nahe an die ursprüngliche Vision. Von außen betrachtet mag es so wirken, als seien wir schon einigermaßen weit entwickelt, doch wir haben bisher nur 1% von dem erreicht was wir uns vorgenommen haben.

Wie haben Sie es geschafft bis heute mehr als 10 Millionen Nutzer zu gewinnen?

Melanie Perkins: Im Grunde genommen haben wir unseren allerersten und unseren zehnmillionsten Nutzer auf genau die gleiche Art und Weise gewonnen: wir arbeiten an der Lösung für ein Problem das Millionen Menschen auf der ganzen Welt betrifft. Da wir uns an die Lösung eines echten Problems gemacht haben, bedeutet das: es gibt da draußen viele Leute die nach unserem Produkt suchen – und nicht umgekehrt.

Außerdem hat uns Mund-zu-Mund-Propaganda sehr geholfen. Deswegen ist es uns auch so wichtig, Canva in so vielen Sprachen wie möglich nutzbar zu machen. Es ist viel einfacher, eine App in deiner eigenen Sprache weiterzuempfehlen. Unsere 10 Millionen bisherigen Nutzer haben wir gewonnen als unsere App nur in Englisch verfügbar war. Es klingt vielleicht nach ein bisschen viel, aber es gibt auf der Welt 3 Milliarden Internetuser und nur 28% von denen sprechen Englisch – wir fangen also gerade erst an!

Warum sind Sie, Herr Kawasaki, bei Canva eingestiegen?

Guy Kawasaki: Ich bin zu Canva gegangen, weil dies für mich eine unglaubliche Chance war die Welt zu verändern. Genau genommen: um die Welt durch die Demokratisierung des Designs zu verändern!

Dreißig Jahre zuvor half ich bei Apple mit, in Form des Macintosh die Welt durch die Demokratisierung des Computerwesens zu verändern.

Canva hat ähnliches Potential. Es war einfach zu gut, um die Gelegenheit vorüberziehen zu lassen. Solche Gelegenheiten bieten sich einem im Lauf der Jahrzehnte nur äußerst selten.

Was genau ist ihre Aufgabe bei Canva?

Guy Kawasaki: Ich bin Canvas Chief-Evangelist. „Evangelist“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Träger guter Neuigkeiten“. Ich bringe die gute Neuigkeit, dass die Menschen jetzt mit Canva großartige Designs kreieren können ohne sich teure Software kaufen und Wochen mit der Einarbeitung zubringen zu müssen.

Mein Job ist es also, dass möglichst viele Menschen diese guten Neuigkeiten hören.

Wie bringen Sie ihre Erfahrungen, z.B. bei Apple, hier mit ein?

Guy Kawasaki: Parallelen zwischen meiner Arbeit für Apple und meiner jetzigen Arbeit für Canva lassen sich leicht ziehen. Beides Mal ging es vornehmlich darum Technologie zu demokratisieren – auf dass sie möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht wird. Macintosh ermöglichte den Menschen den Nutzen von Computern.

Canva ermöglicht es den Menschen Designer zu werden und Dinge zu erschaffen. Außerdem gibt es zwischen Apple und Canva viele Ähnlichkeiten in punkto Designverständnis – gerade wenn es um Schlagwörter wie Einfachheit, Eleganz und Eingängigkeit geht.

Wie wichtig ist die Internationalisierung von Canva und wie wird das angegangen?

Guy Kawasaki: Wenn du so etwas Wunderbares hast wie Canva oder Macintosh, dann willst du, dass jeder es nutzt. So einfach ist das. Wir wollen nicht, dass Kosten und Komplexität eine Barriere zu gutem Design darstellen – also darf auch die Sprache auf keinen Fall ein Hindernis sein.

Nur so viel: Canva erreichte 13 Millionen Menschen in einem viel schnelleren Tempo als dies damals Apple geschafft hat.

Canva ist mittlerweile schon eine bekannte Marke. Wie wichtig ist das für den Erfolg?

Guy Kawasaki: Apple hat bewiesen, dass gute Markenführung eine Schlüsselkomponente des wirtschaftlichen Erfolgs darstellt. Doch noch viel wichtiger ist das Produkt selbst. Es ist kinderleicht Evangelist und Markenbotschafter von etwas Großartigem zu sein.

Die Leute nennen das „Guys goldenes Händchen“: was Gold ist, das berührt Guy. Die Marke Canva steht für die Befähigung jedes Einzelnen, für Wirksamkeit und Eleganz. Dafür stehen wir.

Welche Vision haben Sie für Canva und wie soll damit mal Geld verdient werden?

Guy Kawasaki: “Design” ist ein sehr weites Feld. Wir wollen es ganz normalen Menschen ermöglichen, alles Mögliche zu designen.

Gleichzeitig schauen wir uns stets neue Geschäftsmodelle an. Momentan verdienen wir Geld mit dem Verkauf grafischer Komponenten sowie zusätzlicher High-End Dienste. Aber man darf nicht außer Acht lassen, dass die User Canva für sehr viele Dinge nutzen können ohne etwas bezahlen zu müssen!

Wenn wir nur genug Leute für Canva begeistern, dann wird das Geld schon kommen.

Zum Schluss würde ich mich über ihre drei wichtigsten Tipps für Online-Startups freuen.

Guy Kawasaki: Meine drei besten Ratschläge sind:

  1. Konzentriert euch auf die Produktion eines Prototypen. Pitch, Plan und Prognosen müssen hintenanstehen. Sinn und Zweck eines Unternehmens ist es primär, Kunden zu generieren und nicht bloß Geld zu scheffeln. Viele Unternehmer legen Ihr Augenmerk zu sehr auf das Geld und nicht auf das Liefern.
  2. Überarbeitet euer Produkt ständig. Die Auslieferung eines Produkts ist ein Prozess und kein bloßes Ereignis. Wenn ihr ein großes Unternehmen sein wollt, könnt ihr nicht nur Waren ausliefern und euch zurücklehnen. Die harte Arbeit beginnt erst mit dem Moment der Veröffentlichung.
  3. Und drittens: Stellt Leute ein, die besser sind als ihr. Die Besten stellen die Allerbesten ein. Die Guten stellen die Befriedigenden ein und die Befriedigenden schließlich die Mangelhaften. Gründer und Manager sollten alles daransetzen, Leute einzustellen die besser sind als sie selbst!

Danke für das interessante Interview

Peer Wandiger

4 Gedanken zu „Was Canva von Apple gelernt hat und mehr – Guy Kawasaki und Melanie Perkins im Interview“

  1. CANVA hat für mich einen ganz gravierenden Nachteil: ich kann es weder auf dem Android Smartphone (Galaxy Note) noch auf einem Android Tablet nutzen – egal welchen Browser man nimmt, immer heißt es “unsupported”. Und wenn ich es dann nur zuhause am PC nutzen kann …

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  2. Danke. Ein tolles Interview, insbesondere die drei Tipps am Schluss. “Die harte Arbeit beginnt erst mit dem Moment der Veröffentlichung.” … So true.

    Viele Grüße
    Olivia

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  3. Danke für das interessante Interview.

    Besonders wichtig finde ich folgendes “[…]Da wir uns an die Lösung eines echten Problems gemacht haben[…]”.

    Wenn eine tolle Lösung für ein konkretes Problem gefunden wird, gibt es auch eine (genau definierte) Zielgruppe dafür. Wenn es sich dann auch noch um die Lösung für ein eigenes Problem handelt, gehört man auch selbst “zur eigenen Zielgruppe”. Das spornt natürlich an, es immer besser zu machen.

    “[…]Einfachheit, Eleganz und Eingängigkeit[…]” werden leider viel zu oft vergessen oder vernachlässigt.

    Ich werde mir Canvas auf jeden Fall ansehen.

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  4. Lieber Peer,

    danke dir für das Interview. Canva verwende ich mittlerweile seit fast einem Jahr. Coole Sache und empfehle ich sehr gerne weiter. Mich hätte noch interessiert wie diese die ersten Hürden der Umsetzung genommen haben, wenn sie Anfangs keinen Techniker/Programmierer an Board hatten.

    Liebe Grüße,
    Sebastian

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