Familie, Partnerschaft und andere Herausforderungen für Selbständige – Interview

So spannend und interessant die Selbständigkeit für viele ist, sie fordert auch Opfer. Eine gute Work-Life-Balance bekommen viele Gründer in den ersten Jahren nicht hin.

Darunter kann vor allem Familie und Partnerschaft leiden, aber auch andere soziale Kontakte.

Im folgenden Interview geht es unter anderem um Ehe und Familie, aber auch um weitere Erfahrungen mit der Selbständigkeit im Netz.

Hallo Sascha. Bitte stell dich meinen Lesern vor.

Hallo, mein Name ist Sascha Jundt. Seit 1999 bin ich mit meiner Frau Karin verheiratet. Kinder haben wir leider keine. Nach einer Ausbildung im Einzelhandel besuchten meine Frau und ich gemeinsam eine Bibelschule. Anschließend zogen wir in die Nähe von Nürnberg, wo meine Frau eine Stelle in einer Arztpraxis fand. Ich hingegen war nach der Bibelschule in einem Burnout gelandet von dem ich mich nur langsam erholte.

Irgendwann fing ich an, mich intensiv mit dem Schreiben auseinanderzusetzen. 2007 kauften wir ein Haus, welches uns ermöglichte die Oma meiner Frau bei uns aufzunehmen und sie innerhalb der häuslichen Pflege zu betreuen. Von 2008 bis 2014 habe ich Texte für ein Radgeberportal im Internet geschrieben. Eine Tätigkeit, die sich sehr gut mit der häuslichen Pflege, wo man theoretisch rund um die Uhr gefordert ist, vereinbaren ließ.

Welche Erfahrungen konntest du mit dem Internet bisher sammeln und wie kamst du zu Twitter?

Es war für mich eine positive Erfahrung Texte für das Internet zu schreiben.

Natürlich musste ich mich langfristig auf ein Thema spezialisieren, denn das Radgeberportal wollte ihre Autoren als Experten präsentieren. Nach einigen Überlegungen schienen die Themen Ehe und Beziehungen für meine Frau und mich interessant. Aus diesem Grund begannen wir eine Ausbildung zum Paarberater. Innerhalb dieser Ausbildung bekamen wir so viele Impulse zum Thema Coaching, dass es mir ein Anliegen wurde, nicht nur Paare sondern auch anderer Personen zu beraten.

Aus diesem Grund absolvierte ich eine Ausbildung zum Personal Coach an einer Fernschule. Parallel dazu schreib ich weiterhin Texte für das Internet. Doch natürlich sollten diese auch gelesen werden. Auch hatte ich einige eBooks mit Kurzgeschichten geschrieben, welche sich nicht verkauften. Die Frage wie das möglich ist, andere Personen auf meine Texte und Bücher aufmerksam zu machen, führte mich zu Twitter.

Natürlich denkt man bei sozialen Netzwerken meistens sofort an Facebook. Doch für mein Anliegen, nämlich meine Texte einem breiten Publikum zu präsentieren, schien mir Twitter besser geeignet. Leider gingen die Umsätze beim Radgeberportal 2014 stark zurück. Aus diesem Grund kündigte ich 2014 meine Tätigkeit. Seit Oktober 2015 absolviere ich ein Fernstudium zum Online-Redakteur. In diesem Fernstudium lerne ich nicht nur wie man Texte fürs Internet schreibt, sondern auch wie man im Internet recherchiert, Kontakte knüpft und wie man mit Hilfe von HTML Webseiten gestaltet.

Du beschäftigst dich primär mit Ehe und Beziehungen. Gibt es da Unterschiede zwischen Angestellten und Selbständigen?

Natürlich. Wenn man als Angestellter arbeitet, kommt man in den Genuss eines regelmäßigen Gehalts. Praktisch heißt das, man weiß, dass am Ende des Monats garantiert Geld auf dem Konto ist. Aus diesem Grund kann man viel besser planen und hat bezüglich Finanzen mehr Sicherheit und Freiheit.

Als Selbstständiger hingegen hat man diese Sicherheit nicht. Das größte Problem in dieser Situation sind die laufenden Kosten wie Miete, Versicherungen und Energiekosten. Egal wie die Geschäfte im vorigen Monat liefen, der Mieter möchte sein Geld. Das ist der normals Alltag.

Mitten in diesem Alltag, kann es zu Spannungen kommen. Diese können vielseitig sein und darum braucht es hier individuelle Lösungen und keine  vorgegebenen Konzepte. Innerhalb unserer Ausbildung zum Paarberater haben meine Frau und ich gelernt mit dem Paar individuelle Lösungen zu entwickeln  . Eben das macht die Beratungstätigkeit so spannend. Das was Paar X geholfen hat, kann Paar Y überhaupt nicht umsetzen, weil es gar nicht in ihren Alltag passen würde. An diesem Punkt möchte ich Mut machen, regelmäßig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Hauptgrund warum Partnerschaft scheitern ist, dass dieser Schritt viel zu selten gewagt wird.

Zusammenfassend kann man sagen, dass innerhalb der Selbstständigkeit der Druck von Außen größer ist, als wenn man in einem Angestellten Verhältnis  arbeitet. Dies wirkt sich auch auf die Partnerschaft aus. Eben aus diesem Grund, sollte man sich hier Hilfe von außen holen, damit die Partnerschaft nicht unter der Herausforderung der Selbstständigkeit scheitert.

Wo siehst du besondere familiäre Herausforderungen, wenn sich ein (Ehe-)Partner selbständig macht?

Teilweise habe ich diese Frage bereits in Frage 3 beantwortet. Die größte Herausforderung ist das Fehlen eines festen Einkommens.

Ich möchte noch einen zweiten Punkt hinzufügen. Dieser Punkt betrifft das Thema Zeit. Natürlich haben Sie als Selbständiger mehr Möglichkeiten sich Ihre Zeit individueller einzuteilen und dies ist ein großer Vorteil. Wenn man zum Beispiel besser bis spät in die Nacht arbeitet, hat man dazu als Selbstständiger alle Freiheit der Welt. Trotzdem sollte man sich von Anfang an, feste Arbeitszeiten angewöhnen und diese auch mit dem Partner/ der Partnerin absprechen.

Vor allen Dingen wenn der Partner/ die Partnerin von zu Hause aus arbeitet und sozusagen „immer verfügbar“ scheint, stimmt das nicht. Sehr hilfreich kann hier ein Türschild mit der Aufschrift „Bitte nicht stören“ sein.

Wie wichtig ist ein Partner überhaupt bei der Existenzgründung?

Bei einer Existenzgründung ist der Partner/ die Partnerin sehr wichtig. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist immer eine große Herausforderung.

Ohne Partner/ Partnerin ist er aber noch schwieriger, denn Selbstständigkeit ist kein Selbstläufer. Aus diesem Grund wird es immer wieder zu Rückschlägen kommen. Da glauben Sie zum Beispiel Ihren ersten großen Kunden „an der Angel“ zu haben, doch kurz vor der Vertragsunterzeichnung springt dieser dann doch ab. Mit solchen oder ähnlichen Situationen wird man nur schwer allein fertig.

Auch ist es sicherlich hilfreich, wenn der Partner/ die Partnerin zumindest am Anfang der Selbstständigkeit für ein regelmäßiges Einkommen sorgt, dann ist der finanzielle Druck in der Anfangszeit nicht so groß.

Der Partner/ die Partnerin muss die Wertschätzung dafür aber auch immer wieder kommunizieren. Entweder verbal oder mit keinen Aufmerksamkeiten.

Wie kann man Arbeit und Privatleben besser unter einen Hut bekommen?

Das ist eine sehr große Herausforderung und tatsächlich scheitern daran viele Beziehungen. Der Grund dafür liegt darin, dass es hierfür kein Erfolgskonzept gibt. Zwar gibt es viele gute Ansätze, aber der beste Ansatz ist wertlos, wenn er sich nicht im Alltag umsetzen lässt.

Hier gilt die Lebensweisheit, das Probieren über Studieren geht. Man sollte sich informieren, wie andere Personen zum Beispiel aus dem Freundeskreis mit diesem Problem umgegangen sind. Anschließend sollte man ein Konzept entwickeln, welches auf den individuellen Alltag zugeschnitten ist.

An dieser Stelle ist vielleicht ein Gedanke zum Thema Selbsthilfebücher angebracht. Von diesen gibt es bekanntlich jede Menge. Allerdings können hier nur allgemeine Ratschläge weitergegeben werden. Was der Alltag allerdings fordert, sind individuelle Lösungen und eben hier liegt das Problem.

Meine Lösung lautet, dass man sich der Herausforderung stellt und sich durch Rückschläge nicht entmutigen lässt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Spaß macht verschiedene Modelle zu testen, zu überdenken und zu überarbeiten.

Ist es überhaupt sinnvoll eine Work-Life-Balance anzustreben?

Auf jeden Fall ! Aber auch hier gilt, es sind individuelle Lösungen gefragt, schließlich soll eine Work-Life-Balance Freude bereiten. Es soll ein Ausgleich zum Alltag sein. Findet ein solcher Ausgleich nicht statt, stellen sich sehr schnell gesundheitliche Probleme ein.

Für mich persönlich sind Musik und Sport ein wichtiger Bestandteil meines Lebens geworden. Beim Walken kommen mir zum Beispiel immer wieder gute Ideen. Vor allen Dingen, wenn ich lange Zeit am Computer gesessen habe, ist es ein guter Ausgleich.

Zu einer Work-Life-Balance gehört auch der regelmäßige Check-up beim Allgemeinarzt, sowie gesundes Essen und ausreichend Schlaf. In unserer hektischen Zeit ist das gar nicht so leicht dies alles im Alltag umzusetzen. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sich lohnt und man es schaffen kann.

Lass mich hier noch kurz von einem persönlichen Schlüsselerlebnis berichten. Im April 2015 besuchte ich in einer Gemeinde ein Seminar. Der Referent war bereits weit über achtzig Jahre alt und hielt an drei Abenden beeindruckende Vorträge. Irgendwann stellte ich mir die Frage, wie mein Leben in diesem Alter wohl aussehen würde. Über die Antwort brauchte ich nicht lange nachzudenken. Es würde ziemlich erbärmlich aussehen, wenn ich nicht endlich etwas tue.

Also begann ich mir – sicherlich ahnst du was kommt – ein individuelles Konzept zu erarbeiten und dieses Schritt für Schritt in meinen Alltag einfließen zu lassen. Das Resultat? Hatte ich im April 2015 Übergewicht, konnte ich Anfang 2016 Idealgewicht aufweisen. Mein Allgemeinarzt behauptete sogar, er könne seine Praxis dicht machen, wenn alle Männer in meinem Alter so gesund seinen wie ich.

Mein ganz persönliches Work-Live-Balance-Konzept besteht also aus gesundem Essen, ausreichend Schlaf, Musik und regelmäßigem Sport.

Welche Fehler sollte man dabei nicht begehen?

Lass mich hier vor allen Dingen vier häufige Fehler ansprechen. Erstens setzt man sich zu sehr unter Druck.

Der zweite Fehler lautet, dass man nach Rückschlägen zu schnell aufgibt. Eine stabile Work-Live-Balance ist die Grundlage für beruflichen Erfolg. Ich möchte sogar soweit gehen und sagen, dass dieser ohne das andere nicht möglich ist.

Der dritte Fehler, der oft gemacht wird ist, dass man berufliche Auszeiten braucht, und diese langfristig planen und auch einhalten sollte. Wenn man zum Beispiel an einem Wochenende einen Spielenachmittag mit der Familie plant, sollte man diesen dann auch umsetzen. Natürlich kann immer etwas dazwischen kommen, aber dann muss es sich schon um einen Notfall oder eine Krankheit handeln.

Der vierte Fehler wurde schon erwähnt: Sie versuchen irgendein Work-Live-Balance-Konzept zu Kopieren, anstatt ein individuelles zu erarbeiten. Es ist natürlich nicht falsch, einzelne Elemente aus einen Work-Live-Balance Konzept zu übernehmen. Das wichtigste ist aber, dass Sie damit glücklich sind und einen Ausgleich zum Alltag schaffen.

Was sind gute Möglichkeiten mit Arbeitstress umzugehen und den nicht am Partner auszulassen?

Das ist eine sehr gute Frage. Man hat einen harten Arbeitstag hinter sich und sehnt sich danach, mit dem Partner/ der Partnerin über den ganzen Frust zu reden.
Doch dies sollte man nur bedingt tun. Ihr Partner/ Ihre Partnerin ist in erster Linie ein gleichwertiges Gegenüber und nicht ein seelischer Mülleimer und auf gar keinen Fall ein Therapeut/ eine Therapeutin. Das Problem ist, dass Arbeitsstress die Beziehung belastet.

Eine mögliche Lösung könnte sein, dass man über seinen Arbeitsstress mit dem Partner redet, aber dieser zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit hat zu sagen, dass es ihm zuviel wird.

Alternativ könnte man sich auch regelmäßig mit einem Kollegen treffen. Man berichtet, worüber man sich letzte Woche geärgert hat und dann berichtet der Kollege. Danach geht man wieder auseinander. Klingt im ersten Moment komisch, ist aber sinnvoll. Diese Beziehung dient in erster Linie um Frust loszuwerden. Man sitzt einfach nur da und hört zu. Abschließend der wichtige Hinweis, dass man während eines solchen Treffens keinen Alkohol trinken sollte, denn dieser ist ein trügerischer Seelentröster.

Nun ja und dann gibt es da noch das gute alte Tagebuch. In diesem kann man alles notieren was stresst. In der Regel sind Tagebücher sehr gute Zuhörer. Ich persönlich führe seit Anfang dieses Jahres Tagebuch. Allerdings notiere ich die Ereignisse des Tages nur stichpunktartig.

Zum Schluss würde ich mich über deine Tipps für ein glückliches Leben freuen.

Das ist eine schwierige Frage. Aktuell gibt es 7 Milliarden Menschen auf der Welt und jeder würde diese Frage anders beantworten.

Grundlegende Aspekte für ein glückliches Leben sind stabile zwischenmenschliche Beziehungen und eine individuelle Work-Life-Balance. Bei mir umfasst sie gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf, regelmäßige sportliche Aktivität, Musik und das Lesen von guten Büchern.

Es gibt keine Formel für Lebensglück. Wichtig ist aber, dass man ein Ziel vor Augen hat. Ohne dieses würde sich das allmorgendliche Aufstehen doch gar nicht lohnen. Man sollte sich also über seine Lebensziele klar sein und sich dann auf den Weg machen. Natürlich ist dieser Weg nicht leicht, trotzdem lohnt es sich, ihn zu gehen. Letzendlich sind es doch unsere Ziele, die uns immer wieder herausfordern und das Leben lebenswert machen.

Danke für das Interview

Peer Wandiger

2 Gedanken zu „Familie, Partnerschaft und andere Herausforderungen für Selbständige – Interview“

  1. Die Absprache mit dem Partner ist unwahrscheinlich wichtig. Nicht nur einmalig, sondern immer wieder. Der Partner muss nicht viel von der Selbstständigkeit verstehen, aber warum man es so machen will. Nämlich für die Familie, in der Hoffnung, in absehbarer Zeit ein besseres Auskommen zu erzielen. Wir nutzen regelmäßig die letzte Stunde am Abend, um darüber zu sprechen.

    Antworten
  2. Danke für das interessante Interview. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass eine gute Partnerschaft einen sehr gut unterstützen kann. Gerade wenn der Partner auch dahinter steht und die Sache für gut hält, ist dass eine immense Unterstützung. Oft bringt z.B. meine Partnerin sinnvolle Aspekte mit in die Selbstständigkeit mit hinein, die mir so nie aufgefallen wären (z.B. im Umgang mit Kunden).

    Grüße
    Martin

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