Besonderes Geschäftsmodell, Online-Shop, Kickstarter und erste Erfolge – Schwerkraft-Verlag

Besonderes Geschäftsmodell, Online-Shop und erste Erfolge - Im Gespräch mit dem Schwerkraft-VerlagDass ich ein Brettspiel-Fan bin, wissen durch meine Blog Case Study mittlerweile sicher viele von euch. Dadurch bin ich auf den Schwerkraft-Verlag gestoßen, der tolle Spiele im Programm hat.

Im folgenden Gespräch mit Carsten Reuter, dem Gründer des Verlages, geht es um die Idee und die Umsetzung, aber auch um Probleme, Herausforderungen und praktische Tipps.

Das Interview mit Carsten habe ich übrigens in der Woche vor dem Bekanntwerden der Nominierungen der Spiel des Jahres e.V. geführt. Mittlerweile ist bekannt, dass zwei seiner Titel (“Terraforming Mars” und “Räuber der Nordsee”) nominiert wurden, was ein sehr großer Erfolg ist.

Viel Spaß mit den spannenden Einblicken.

Wann und warum ist der Schwerkraft Verlag entstanden? Wie kamst du auf die Idee?

Ich bin bereits Zeit meines Lebens in der Spielebranche beruflich unterwegs. Hier hat sich ein solides Netzwerk aufgebaut, das mir den Einstieg als Verleger erleichtert. Dabei geht es nicht um ein Netzwerk im Sinne von Gefälligkeiten oder dergleichen. Es geht vielmehr um die einfachsten Dinge: Wo fängt man an? Wer bietet welche Leistungen beim Erstellen (im weitesten Sinne) eines Printprodukts an? Und andere elementare Fragen, die sich sicher jeder stellt, der morgen dasselbe Geschäftsmodell betreiben möchte.

Und so ergibt sich schon der Übergang zu der Idee. Ich hatte schon immer viel zu tun mit Spielen aus den USA. Aber während so ziemlich jedes deutsche Spiel seinen Weg als englische Version nach Amerika findet, sah es andersherum mau aus. Nur die größten US-Verlage hatten in Deutschland Partner für deutsche Versionen. Aber Größe steht nicht immer für Qualität und so blieben viele Perlen unentdeckt. Diesen Schatz habe ich angefangen zu bergen, als ich meinen Verlag, der sich auf Lokalisierungen fremdsprachiger Spiele spezialisiert hat, ins Leben gerufen habe.

Wie hat sich dein Verlag seit dem Start entwickelt und wie sieht es generell mit der Brettspiel-Branche aktuell aus?

Die Brettspielbranche stellt eigentlich Luxusgüter her. Als solches profitiert sie natürlich auch von dem wirtschaftlichen Hoch, das wir seit Ende 2009 erleben. Aber nichts hält ewig und eine Änderung der konjunkturellen Wetterlage wird auch an meiner Branche nicht spurlos vorbeiziehen.

Dass der Schwerkraft-Verlag erst 2013 ins Leben gerufen wurde, bedeutet natürlich, dass ich mit diesem Unternehmen noch keine schweren Zeit erlebt habe. Ich war aber bereits früher schon in der Spielebranche gewerblich tätig und weiß daher, auch in einem schwierigeren Umfeld zu bestehen.

Was macht den Schwerkraft-Verlag gegenüber den Wettbewerbern besonders?

Wir versuchen gar nicht, etwas anders oder besonders zu machen. Im Gegenteil, die anderen größeren Verlage sind ein Ansporn und in vielen Bereichen ein Rollenmodell. Es geht also vielmehr darum, das richtige der anderen zu übernehmen und zugleich auch aus deren Fehlern zu lernen.

Was uns aber tatsächlich unterscheidet ist, dass wir keine eigenen Spiele entwickeln. Wir sind ein reiner Lokalisierungsverlag. Einigen Lizenzgebern ist dies ein wichtiger Punkt, da so keine Interessenskonflikte entstehen. Wir behandeln die lizensierten Spiele, als wären es unsere eigenen.

Welche Herausforderungen und Probleme musstet bzw. müsst ihr mit dem Verlag überwinden?

Das sind doch zwei Fragen, oder? Zu den vergangen Problemen gehörte mit Sicherheit die jeder Neugründung innewohnende Unbekanntheit und damit einhergehende Desinteresse des Fachhandels. Daher haben wir auch noch im Gründungsjahr einen eigenen Webshop aufgebaut, um sicherzustellen, dass wir alle Kunden erreichen können, auch wenn der Handel sich zunächst nicht für unsere Spiele interessiert hat.

Unter den aktuellen Problemen ist Personal mit Sicherheit ein größeres Dilemma. Damit stehen wir aber nicht allein da, denn alle Verlage suchen derzeit Redakteure und Übersetzer. Die größeren suchen zudem Vertriebler. Es ist aber erschreckend, wie schlecht z.B. die Interpunktion einiger Bewerber ist. Ein Verlag mit Printprodukten ist natürlich sehr darauf bedacht, dass seine Texte nach außen einwandfrei sind.

Welche Möglichkeiten und Chancen bietet das Internet für euch?

Oben habe ich bereits unseren Webshop erwähnt, der uns ein flächendeckendes Angebot unserer Spiele ermöglicht, auch dort, wo wir keinen Handelspartner haben. Die meisten Vorteile des Internets sind Deinen Lesern wohl bekannt, für uns jedoch besonders reizvoll ist das simple Medium Email. Eine reaktionsschnelle Kommunikation mit unseren Kunden ist uns immer wichtig gewesen, aber die Kapazitäten für eine Telefon-Hotline haben wir noch nicht. Dafür ist das Volumen einfach nicht da. Email-Anfragen hingegen können wir beantworten, ohne permanent am Platz sein zu müssen.

Ihr verkauft eure Spiele über einen eigenen Online-Shop. Wie gut funktioniert das und wie macht ihr dafür Werbung?

Das funktioniert mittlerweile sehr gut. Es dauerte halt etwas, bis sich das Verständnis für die häufigsten Anliegen unserer Kunden herauskristallisiert hat. Mittlerweile sind unsere Artikelbeschreibungen so, dass weniger Rückfragen kommen als anfangs.

Den Shop bewerben wir nicht aktiv. Wir bewerben nur die Produkte und geben dabei oft den Shop als Bezugsquelle an. Ich denke, dass eine Produktbewerbung für den Kunden auch viel interessanter ist als eine allgemeine Shopbewerbung, denn sie ist abwechslungsreicher und inspiriert den Kunden mehr.

Kürzlich wart ihr auf Kickstarter mit einer Kampagne aktiv. Worum ging es da und welche Vorteile bietet Kickstarter für euch?

Kickstarter ist für uns unwichtig. Wir haben eine breite Kundenbasis, die wir mit unserem Newsletter und kurz laufenden Vorbestellaktionen direkt erreichen. Und da wir hier unsere eigene Infrastruktur nutzen, sparen wir so auch die hohen Gebühren, die bei Kickstarter anfallen.

Allerdings ist es auch so, dass einige unserer englischsprachigen Partnerverlage ohne eigene Infrastruktur auf Kickstarter angewiesen sind, in diesen Fällen ist es wichtig, dass wir zeitgleich das Erscheinen unserer deutscher Ausgaben kommunizieren bzw. die Spiele direkt anbieten. Es könnte Kunden im Nachlauf irritieren oder sogar verärgern, wenn sie zunächst ein englisches Spiel auf Kickstarter unterstützen und erst später erfahren, dass es auch eine deutsche Ausgabe geben wird.

Gibt es besondere Herausforderungen oder Probleme, die mit Kickstarter einhergehen?

Kickstarter hat sich im Laufe der Zeit verändert. Mittlerweile werden dort immer häufiger von professionellen Verlagen Spiele angeboten, bei denen die Finanzierung außer Frage steht. Die ursprüngliche Idee des Crowdfundings ist in den Hintergrund gerückt. Hier fungiert Kickstarter eher als eine moderne und gerade im Trend liegende Verkaufsplattform im Wettbewerb zu Ebay und Amazon. Ideal für Verlage, die den Handel umgehen oder keine eigene Infrastruktur aufbauen wollen. Mittlerweile sind selbst die entferntesten Stretchgoals längst zu Ende entwickelt und sogar teils bei der Druckerei in Auftrag gegeben.

Daraus ergibt sich das große Problem, dass Backer (Förderer) sich längst daran gewöhnt haben, auf Kickstarter normale „Kunden“ zu sein. Falls sie dann aber auf ein Projekt stoßen, das noch dem echten Crowdfunding-Charakter nachkommt, also mit ungenauem Design, verspäteten Lieferzeiten und anderen Abweichungen gegenüber dem zunächst versprochenen, dann herrscht leider mittlerweile eine großes Unverständnis unter den „Käufern“. Sie fordern dann ein, was sie „bestellt“ haben.

Zum Schluss würde ich mich über deine wichtigsten Tipps für angehende Online-Shop-Betreiber freuen.

Mutig sein. Zunächst alles selbst machen oder zumindest versuchen! Jeder wird überrascht sein, wie viel Verständnis er dadurch für diverse Problemfelder entwickelt. Erst wenn der Neuling dann sieht, welche Hürden er tatsächlich nicht selbst gestemmt bekommt, kann er immer noch auf eine der unzähligen, externen Lösungen zurückgreifen. Aber der vorherige Selbstversuch war keine Zeitverschwendung, denn das Gelernte hilft immer noch bei der Kommunikation mit den externen Dienstleistern.

Und ein Shop braucht nicht alles. Einige Zusatz-Dienst-Anbieter wollen einen das natürlich glauben machen. Aber brauche ich beispielsweise wirklich alle möglichen Bezahlmethoden in meinem Shop? Das würde ich zum Beispiel nur bejahen, wenn ich ein sehr homogenes Gut anböte und mit etlichen anderen Shops um den gleichen Verkauf/Kunden buhlte. Habe ich jedoch ein individualisiertes Gut, dass nicht jeder bei einem Großhändler bestellen kann, ist es mir möglich, meinen Shop nicht wie einen 08-15-Shop aufzusetzen. Dann kann ich meinen Shop so gestalten, dass ich meine eigene Marge nicht aus dem Auge verliere.

Danke für das Interview

Peer Wandiger

1 Gedanke zu „Besonderes Geschäftsmodell, Online-Shop, Kickstarter und erste Erfolge – Schwerkraft-Verlag“

  1. Probleme bewältigen. Das ist ein hilfreicher Tipp für alle, die mit einer Selbstständigkeit liebäugeln! Interessante Herangehensweise ist das übrigens für Shopbetreiber. Sonst bekommt man die ja ständig auf das Auge gedrückt und sieht sieht überall.

    Und hier wird der gar nicht beworben und funktioniert trotzdem? Da muss wohl der “wer nicht wirbt, der stirbt” Spruch überdacht werden!

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