Firmenblogs, Organisation und Erfolgsfaktoren – Interview mit einem Blogprofi

Um langjährige Blogerfahrungen, Erfolgsfaktoren und Probleme geht es im heutigen Interview mit Michael Firnkes.

Der bekannte Blogger und Buchautor betreibt unter anderem blogprofis.de und berät Firmen, die einen Corporate Blog starten möchten.

Im Interview gibt Michael viele Tipps und berichtet über Erfahrungen aus seiner “Arbeit” als Blogger.

Viel Spaß damit.

Hallo Michael. Bitte stelle dich meinen Lesern vor.

Erst einmal Danke an dich, es passiert nicht alle Tage dass man für SiN ein Interview geben darf.

Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, sage ich gerne “hauptberuflicher Blogger”, denn das trifft es am ehesten. Und da war dein Portal sicherlich mit ein Vorbild.

Ich bin etwas später dazugekommen: Blogge privat zwar schon seit 2006, in einem langsamen Übergang habe ich mich aber erst 2010 damit offiziell selbständig gemacht.

Das heißt mit Blogs aus verschiedenen Sparten und der Onlinewerbung darauf (hauptsächlich Affiliate-Einnahmen, aber auch eigenvermarktete Banner) verdiente ich meinen Lebensunterhalt.

Später kam das Buch Blog Boosting dazu. Heute berate ich zudem Unternehmen zum Thema Corporate Blogging.

Wie bist du zum Bloggen gekommen?

Ich arbeitete früher einmal als rasender Lokalreporter, bei zwei kleineren Zeitungen in Südwestdeutschland. Das Schreiben dort hat mir großen Spaß gemacht.

In meinen späteren Berufen als Informatiker und im Marketingumfeld kam ich jedoch kaum mehr dazu, selbst zur Tastatur zu greifen. Es war also schnell klar: Ein eigenes privates Portal muss her.

Damals fand ich springwise.com als Leser sehr hilfreich, und fand nichts Vergleichbares im deutschsprachigen Raum. So war schnell ein Thema gefunden, und mein erster richtiger Blog meinstartup.com rund um “Geschäftsideen” entstand.

Das war gleichzeitig mein erster Berührungspunkt mit WordPress. Und so packte mich das Fieber: schnell und einfach quasi kostenfrei publizieren können, ohne die komplexen CMS zu benötigen, die ich im Studium kennengelernt hatte, das wurde schnell zum Hobby und dann auch mehr.

Welche besonderen Erfahrungen hast du als Blogger bisher machen können?

Wie schnell man in die Blogosphäre mit aufgenommen wird und wie sehr diese nach wie vor von einer großen Hilfsbereitschaft geprägt ist. Nicht in allen IT-Umfeldern gehen Experten so großzügig mit dem eigenen Wissen um. Nicht überall darf man sich auch einmal als unwissender Anfänger outen.

Im WordPress-Bereich kann ich eine – im Nachhinein betrachtet – eher “dumme” Frage stellen, ohne gleich Häme zu ernten. So zumindest meine Erfahrung. Wohl auch deswegen bin ich so gerne Teil der Blogosphäre.

Und man hat es mir nicht übel genommen, dass ich hierzulande mit meinem Buch und meinem Blog schon auch ein wenig das kommerzielle ProBloggen bekannter gemacht habe, so wie du ja ebenfalls.

In den USA etwa war das damals ja fast schon ein “alter Hut”. Ich fürchtete, wüste Beschimpfungen eher traditionsbewussterer Blogger zu ernten. Geld mit einem Blog zu verdienen, das war lange Zeit anrüchig.

Wer fair arbeitet – also etwa Werbung und redaktionelle Inhalte strikt trennt – wird heute jedoch fast schon als selbstverständlich akzeptiert. Und nicht wenige Blogbetreiber – die schon von Anfang an dabei sind – haben erkannt, dass man für einen Fulltime-Job durchaus eine Gegenleistung verlangen darf.

Dennoch gibt es natürlich Entwicklungen, die zu sehr in Richtung Kommerz gehen. Etwa wenn ich sehe, wie viele Blogger recht unbekümmert mit dem Thema Link-Verkauf umgehen. Jeder hat seine Leichen im Keller, aber hier wäre eine Art Rückbesinnung zu alten Blogger-Tugenden durchaus wünschenswert.

Lieber eines oder viele Internet-Projekte? Wie viele Blogs/Websites betreibst du?

Früher hätte ich gesagt: Mehrere parallel betreiben, um zu schauen, welches Thema am besten ankommt, und um die Einnahmen zu diversifizieren. Daran, dass ich jüngst um die sechs meiner alten Blog-Domains gekündigt habe sieht man jedoch, dass zu viele Blogs nicht immer hilfreich sind.

Ich selbst habe mich verzettelt und hatte dann auch irgendwann keine Freude mehr am Bloggen. Das merkte man an den Inhalten und so ließ natürlich auch der Erfolg dieser Portale nach.

Heute konzentriere ich mich auf zwei/drei Hauptprojekte. Das liegt aber sicherlich auch daran, dass das Bloggen nunmehr nur noch einen leider relativ kleinen Teil meiner Arbeit ausmacht. Würde ich “nur” Blogportale betreiben, so wie früher, wären es wahrscheinlich vier/fünf Portale. Wobei ich eine ganze Zeit lang auch schreiben ließ für einige Blogs. Also nicht alle Inhalte selbst beigesteuert habe.

Ich denke diese Frage muss jeder Blogger für sich beantworten. Geht er eher auf Masse oder auf Qualität. Wobei das natürlich auch sehr vom jeweiligen Blog-Thema abhängt und somit von der Frage, wie lange man typischerweise an einem gut recherchierten Beitrag sitzt.

Wie organisierst du die Arbeit an deinen Blogs/Websites? Betreibst du diese ganz allein?

Mittlerweile ja. Früher wie gesagt auch über externe Schreibkräfte (freie Journalisten etc.), Content-Portale und ähnliches mehr. Doch wenn man ein kleiner Perfektionist ist, so wie ich, so ist die steuernde Arbeit dieser externen Autoren fast genauso aufwendig, als selbst zu Schreiben.

Man findet tolle Autoren für alle möglichen Blogthemen. Muss dann allerdings auch loslassen können. Sonst macht dies für beide Seiten keinen Sinn und bereitet auch keine Freude.

Heutzutage muss ich mir feste Termine machen in denen ich Schreibe, denn die Kundenarbeit geht meist vor. Das klingt vielleicht ein wenig zwanghaft, ist es aber keineswegs.

Themen-Ideen sammle ich fortlaufend, schicke sie mir von überall und zu jedem Zeitpunkt aus selbst per E-Mail (nicht lachen bitte) und greife mir dann aus dem Outlook-Ordner eine gerade passende heraus.

Gezielt in kurzer Zeit einen dennoch lesbaren Beitrag verfassen zu können, das habe ich zum Glück als Lokalreporter gelernt. Da hieß es manchmal: Die dreiviertel Seite muss in 30 Minuten geschrieben sein. Und Änderungen waren im Nachhinein nicht mehr möglich. All dies kann man mit ein wenig Übung lernen.

Wobei ich mich ein wenig nach den Zeiten sehne, als mehr Raum für das Bloggen selbst war. Und auch mehr Leichtigkeit, durch das rein “private” Schreiben und das weniger “beobachtet werden”.

Wie viele Stunden arbeitest du am Tag? Was hältst du von Überstunden?

Ich versuche gerade, hier wieder mehr Ordnung in mein Berufsleben zu bringen. Du kennst das sicherlich selbst: Als Selbständiger muss man immer dafür Sorge tragen, dass auch Geld in die Kasse kommt. Und wenn einem der Beruf auch noch Freude macht, vermischt man schon einmal Hobby und Arbeit. Dann sitzt man schnell 12 Stunden und mehr am Tag da.

Mittlerweile habe ich mit mir selbst einen “Deal” ausgemacht. Es gibt feste starre Zeiten für die Familie. Und arbeite ich einmal an einem Tag 12 Stunden, dann gibt es dafür einen entsprechenden Ausgleich an einem anderen Tag. Das so zu etablieren war harte Arbeit, klappt aber mittlerweile ganz gut.

Ich kann jedem Selbstständigen nur raten, vergleichbare “Deals” mit sich auszumachen. Denn irgendwann kann man noch so viel arbeiten, die Leistung und auch die Entlohnung steigt nicht in gleichem Maße mit. Ganz abgesehen davon, dass die Berufung immer nur einen Teil des Lebens ausmachen darf.


Ist ein Corporate-Blog sinnvoll? Warum sollten Selbständige und Firmen Zeit in einen Blog investieren?

Dazu kursieren derzeit spannenderweise sehr viele gute Blogartikel, erst jüngst las ich beispielsweise einen auf content-garden.com. Das Thema Corporate Blog scheint gerade neu entdeckt zu werden.

Neulich wurde von einigen Werbe-Größen gar eine eigene Corporate Blog Marketingagentur gegründet, die sich mit nichts anderem befasst. Man scheint den Blog – nach dem Hype rund um all die anderen Social Media Kanäle – also langsam wiederzuentdecken.

Für mich gibt es zwei Hauptgründe, gerade für “kleinere” Selbstständige, Freiberufler, aber auch mittelständische Firmen.

Erstens: Ich habe mittlerweile schon mehrere Firmenblogger getroffen, die bis zu 100 Prozent ihrer Leads (also ihrer Verkaufschancen) rein über den Blog generieren. Die kein Geld mehr für Offline- oder auch Onlinewerbung ausgeben. Und das selbst in Bereichen, in denen ich selbst nie gedacht hätte, dass dies funktioniert.

Aber wenn ein Maler – also in einem recht traditionellen Gewerbe mit traditioneller Kundschaft – seinen Firmenblog zur Akquisemaschine machen kann, dann gelingt dies auch bei (fast) allen anderen Themen.

Und zweitens – in Abgrenzung zu Facebook & Co.: Social Media ist wichtig. Man darf aber nicht vergessen, dass nur die Inhalte des Blogs wirklich mir gehören, mit diesen kann ich gegebenenfalls noch in vielen Jahren arbeiten. Das trifft selbst auf die lesergenerierten Inhalte zu (Kommentare etc.).

Es mag sich seltsam anhören, aber wer weiß welches der großen sozialen Netzwerke so noch in welcher Form in einigen Jahren existiert? Oder ob ich dieses als Firmeninhaber noch wie gewünscht steuern kann? Habe ich nur auf dieses Medium als Marketingkanal gesetzt, so bekomme ich spätestens dann ein Problem.

Hinzu kommt: Durch das Blog-Schreiben lernt man sehr viel über sich selbst und sein Unternehmen. Hinterfragt die eigenen Produkte, Strukturen, Zielgruppen u.v.m.. Erreicht unter Umständen einen Expertenstatus, der durch nichts wett zu machen ist.

Aber – da sich all dies sehr rosig anhört: Es ist nicht einfach, einen erfolgreichen Corporate Blog zu etablieren. Bei vielen scheitert es alleine an solch einfachen Dingen wie der Nachhaltigkeit, oder dem Fehlen geeigneter Autoren für guten Content.


Was sind nach deiner Erfahrung die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Firmenblogs?

Es mag vielleicht “ausgelutscht” klingen, aber das sind:

  • Gute nicht werbliche (!) Inhalte mit Mehrwert
  • Authentizität
  • Persönlichkeit

Die meisten Firmenblogs haben in all diesen Bereichen deutlichen Nachholbedarf. Noch viel zu oft wird ein Corporate Blog als billiges Werbemedium gesehen, in den dann die Texte der Print-Broschüren längst vergangener Tage eingestellt werden.

Das ist er nicht, das wird seiner Rolle nicht gerecht und das kann auf Dauer auch nicht funktionieren.

Der sogenannte Author Rank ist meines Erachtens mit der wichtigste SEO-Trend der kommenden Jahre. Firmenblogs sind prädestiniert hierfür.

Doch nur wenige Unternehmen trauen sich, tatsächlich ihre Mitarbeiter mit Echt-Namen, Foto, Vita, direkter Kontaktmöglichkeit etc. auf den Blog zu stellen. Das ist schade, aber umso besser für die Vorreiter diesbezüglich.


Welche Fehler werden in Firmenblogs am häufigsten gemacht?

Man gibt teures Geld für einen Webdesigner aus, für den Programmierer, ggf. für eine Marketingagentur, Pressemeldungen zum Blog-Start werden lanciert und vieles mehr. Bis man merkt, dass man sich um die wichtigsten Fragen gar nicht gekümmert hat:

  • Welches Ziel verfolgen wir überhaupt mit unserem Blog, und welche Zielgruppen resultieren hieraus?
  • Welche Content-Strategie gibt es (indirekte Vermarktung, Best Practices, WhitePaper, Expertenportal, Multiplikatoren-Ansprache, Leser-Beteiligung, Kundenmagazin um nur einige zu nennen)?
  • Und vor allem: Woher und von wem sollen diese Inhalte überhaupt kommen?

Daran scheitern gefühlt um die 70 Prozent oder gar mehr aller Firmenblogs.


Zum Schluss freue ich mich über deine Tipps für angehende Blogger.

Aus meinem Munde mag sich dies vielleicht etwas seltsam anhören, aber: Beschäftigt euch erst einmal nicht mit Dingen wie Vermarktung, Refinanzierung, Kooperationen, Keywords, SEO und all das.

Sucht euch ein Thema, das euch Spaß macht, und zu dem ihr auch wirklich etwas zu sagen habt. Das muss nicht immer neu und absolut einzigartig sein (sondern auch kreativ, witzig, kontrovers aufbereitet..), aber in irgendeiner Form euren potenziellen Lesern weiterhelfen. Warum selbst sollte man euren Blog sonst lesen?

Stellt euch die Frage: “Würde ich selbst mein Thema für gut und hilfreich befinden, würde ich regelmäßig mitlesen, mich mit Kommentaren beteiligen” etc.

Die Zeit der künstlichen rein SEO-gesteuerten Blog-Projekte neigt sich hoffentlich langsam dem Ende zu. Wohl fast jeder ProBlogger – auch ich selbst – hat damit experimentiert. Etwas pathetisch formuliert: Was die Welt nicht weiterbringt oder zumindest unterhält, das macht auch wenig Sinn.

Habt in erster Linie Freude am Bloggen. Alles andere kommt dann später automatisch nach.


Danke Michael

für das Interview und die interessanten Einblicke.

Peer Wandiger

7 Gedanken zu „Firmenblogs, Organisation und Erfolgsfaktoren – Interview mit einem Blogprofi“

  1. Tolles Interview mit interessanten Aspekten. Da ich mich im Moment viel mit dem Thema beschäftige, ist es schön einen kleinen Einblick in Michaels Arbeit zu bekommen und seine Meinung dazu zu hören.

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  2. Danke fuer den guten Kommentar. Firmenblogs sind echt wichtig … das Problem aber der meisten Firmen ist: Sie starten einen und nach einem Jahr steht immernoch der Januar beim letzten Beitrag dran 😉

    cheers
    Rob

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  3. Das Interview kommt genau zum richtigen Zeitpunkt. Mich hat es erwischt, ich soll mich um den Firmenblog kümmern. Jetzt suche ich gerade zusätzliche Infos, was ich da alles beachten sollte. Ich hoffe mal, dass mir nicht das passiert, was Rob anspricht, dass der dann einschläft, der Blog. Motiviert bin ich noch 🙂 Ich bin mir aber etwas unsicher wegen dem Stil.
    Also danke für die Anregungen.

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  4. Vielen Dank, für das informative Interview.

    Auch wir beschäftigen uns mit einem Firmenblog, jedoch scheitert es bei uns an der Entscheidung ob wir ein externes System wie WordPress einsetzen sollen oder nur Beiträge in unserem CMS mit einer Kommentarfunktion veröffentlichen sollen.
    “Trackback” sind da Schlagwörter, die uns etwas verunsichern.
    Wären für Tipps sehr dankbar.

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