Werden Webdesigner in Zukunft noch gebraucht? – Interview

Ich habe selbst als Webdesigner angefangen, verdiene mittlerweile aber meine Geld hauptsächlich mit eigenen Projekten.

Ein Grund für den fast kompletten Ausstieg aus dem Webdesign ist das schwierige Umfeld, die unregelmäßigen Einnahmen und die teilweise doch recht anstrengenden Kunden. 🙂

Doch wie sieht die Lage generell für Webdesigner aus und wie wird sich die Situation in der Zukunft weiterentwickeln?

Website-Baukästen, Social Networks, unzählige Premium-Themes usw. machen vielen Webdesignern das Leben zunehmend schwerer.

Im Interview mit dem Webdesigner, WordPress-Fan, Autor und Trainer Jonas Hellwig gehe ich diesen und anderen Fragen nach.

Zudem gibt er nützlich Tipps, empfiehlt Webdesign-Tools und gewährt interessante Einblicke in seine Arbeit.

Guten Tag Her Hellwig, Bitte stellen Sie sich meinen Lesern vor.

Hallo Herr Wandiger, mein Name ist Jonas Hellwig und ich arbeite als Webdesigner, Autor und Dozent in Berlin.

Ich betreibe den Webdesign-Blog blog.kulturbanause.de, die an den Blog angeschlossene Agentur-Website sowie einige kleinere Projekte.

Meine Tätigkeit als Webdesigner besteht zum einen aus klassischer Agenturarbeit: Ich übernehme die konzeptionelle, gestalterische und technische Umsetzung von Websites. Je nach Umfang des Projekts arbeite ich dabei mit bestehenden Teams im jeweiligen Unternehmen zusammen oder greife selbst auf externe Mitarbeiter zurück.

Die Tätigkeit als Trainer nimmt etwa die andere Hälfte meiner Zeit in Anspruch. Unter Trainer-Tätigkeiten verstehe ich alle Jobs in denen “Webdesign-Wissen” weitergegeben wird.

Ich schreibe Bücher und Blog-Beiträge, nehme Video-Trainings auf, leite Seminare und Inhouse-Schulungen oder spreche auf Konferenzen.

Wie sind Sie zum Webdesign gekommen und wie haben Sie sich das Know How angeeignet?

Mit Webdesign beschäftige ich mich bereits seit meiner frühen Jugend. Nach dem Abitur habe ich mich für eine klassische Mediengestalter-Ausbildung mit dem Schwerpunkt “non-print” in einer Düsseldorfer Internet Agentur entschieden.

Während der Ausbildung habe ich dabei unzählige Websites gestaltet und technisch umgesetzt. Meinen Blog führe ich bereits seit Beginn der Ausbildung. Ich habe dabei schon immer sehr viel im Netz gelesen, denn ohne ausreichenden Input gibt es auch keinen Output.

Nach der Ausbildung habe ich noch einige Zeit als Teamleiter/Art Director in Düsseldorf gearbeitet und parallel meine Selbstständigkeit vorbereitet.

Irgendwann war der Punkt gekommen, an dem regelmäßig ausreichend viele Aufträge zustande kamen. Ich habe gekündigt und bin einige Zeit später von Düsseldorf nach Berlin gezogen. Das Know-how hat sich dabei über die Jahre hinweg entwickelt. Bei jedem Projekt lernt man wieder etwas Neues. Es ist also nicht nur wichtig viel zu lesen, sondern auch Gelerntes umzusetzen.

Auf Ihrem Blog schreiben Sie über Webdesign-Themen. Wieso bloggen Sie und was bringt Ihnen das?

An erster Stelle steht ganz klar der Spaß. Es macht mir Spaß Themen zu recherchieren, in Artikel zu verpacken und Wissen weiterzugeben.

Und ich bin sicher, dass ohne Leidenschaft kaum ein Blogger über Jahre hinweg regelmäßig Beiträge verfassen kann.

Neben dem Spaß hat der Blog allerdings auch einen ganz speziellen Nutzen. Ich verwende den Blog u. a. als Archiv für Code-Snippets. Wenn ich mir beispielsweise ein CSS-Snippet merken will, schreibe ich einen kurzen Beitrag und veröffentliche das Snippet im Blog. So haben meine Leser etwas davon und ich erhalte sehr wertvolles Feedback und Verbesserungsvorschläge von der Community.

Und ich lerne selbst bereits beim Verfassen eines Artikels. Denn sobald ich in der Lage bin, ein Thema verständlich für andere aufzubereiten, kann ich sicher sein es selbst gut verstanden zu haben.

Am wichtigsten ist der Blog für mich allerdings als Marketing-Instrument. Ich generiere nahezu alle Aufträge direkt oder indirekt über den Blog. Dazu schreibe ich u.a. Artikel gezielt für bestimmte Suchanfragen.

Wie sehen Sie die Webdesign-Branche generell. Social Media, WordPress-Themes, Homepage-Baukästen… Werden Webdesigner in Zukunft überhaupt noch gebraucht?

Da mache ich mir wenig Sorgen. Kunden, die sich für Baukasten-Lösungen entscheiden, haben i.d.R. wenig Budget zur Verfügung und wollen häufig auch nichts weiter als eine etwas umfangreichere Visitenkarte im Netz.

Ein Baukasten ist dabei oft die erste Webdesign-Erfahrung, die ein Kunde macht. Und das habe ich persönlich als sehr positiv wahrgenommen, denn die Anwender merken schnell wo, die Grenzen eines Baukasten-Systems liegen und verstehen anschließend besser worin die Unterschiede zu einer professionellen Website bestehen.

Eine Konkurrenz stellen die Baukästen wohl für Studenten, Freelancer und Agenturen mit kleinen Kunden dar. Hier wird man sich umorientieren müssen, denn diese Zielgruppe wird langfristig durch immer hochwertigere Baukasten-Lösungen aufgefressen werden.

WordPress-Themes sind oft nur der nächste Schritt. Das Theme ist ebenfalls recht günstig und bietet viel mehr Freiräume für individuelle Inhalte oder Gestaltung. Allerdings ist jedes Tool nur so gut wie sein Anwender und genau da liegt der Knackpunkt.

Ich persönlich erhalte viele Anfragen von Kunden, die bereits Erfahrungen mit WordPress gesammelt haben und mit der Software auch sehr zufrieden sind. Nun sind sie aber an einem Punkt angelangt, an dem sie selbst nicht mehr in der Lage sind, das System ihren Vorstellungen entsprechend anzupassen. Ein gekauftes WordPress-Theme ist eben immer noch keine maßgeschneiderte Lösung.

Im Bereich Social Media sehe ich die größte Konkurrenz, allerdings auch eher für Agenturen mit kleinen- und mittelständischen Kunden oder Nischenprodukten. Viele Websites sind durch Social Media überflüssig geworden.

Seiten von Musikern sind da ein gutes Beispiel. Bei einer Band stehen meist die Musik und die Vergrößerung der Fanbase im Vordergrund. Eine Band will Bilder, Songs und Videos hochladen können und sich nicht mit technischen Details belasten. Dafür ist Facebook einfach perfekt, vor allem in Kombination mit Diensten zum Streamen und Kaufen von Musik.

Ähnlich sieht es bei vielen Unternehmen mit starkem Standort-Bezug aus. Die Website ist oft überflüssig, da die Unternehmensprofile auf GoogleMaps/Google+ bereits alle relevanten Informationen abbilden können und auch noch besser gefunden werden.

Um die Frage abschließend zu beantworten: Ich denke nicht, dass Webdesigner in Zukunft überflüssig werden. Aber es wird Verschiebungen geben.

Kleine, technisch unkomplizierte Projekte werden mit Baukästen, Online-Profilen oder Themes abgedeckt. Maßgeschneiderte Lösungen sind wiederum so komplex, dass gleich mehrere unterschiedliche Berufsgruppen das Projekt dauerhaft betreuen.

Was sind nach Ihrer Erfahrung die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Webdesigner?

Ein Web Designer sollte sich nicht zu stark von seinem persönlichen Geschmack oder von gestalterischen Trends leiten lassen.

Eine Website ist ein Marketing-Instrument mit einem klar definierten Ziel. Dieses Ziel muss erreicht werden, dann ist auch der Kunde zufrieden und empfiehlt den Web Designer weiter.

Ganz schlecht ist es, wenn ein Designer seinen Stil durchzieht ohne zu hinterfragen, ob der Look zum Projekt passt oder nicht. Genau da sehe ich auch die große Gefahr gewisser Trends.

Flat Design ist beispielsweise so ein Trend. Klar, Flat Design hat ganz klare Vorteile und ich begrüße den Trend ausdrücklich. Trotzdem gibt es viel zu viele Designer, die momentan jedes Projekt zu 100% im Flat-Look durchziehen. Die persönliche Handschrift sollte schon erkennbar sein, aber nicht auf Kosten des Kunden.

Aus technischer Sicht sollte ein Webdesigner natürlich up-to-date sein. Dabei ist es allerdings nicht notwendig, jede Technologie perfekt zu beherrschen. Man sollte sich auf die Bereiche konzentrieren, die man besonders interessant findet und versuchen einen möglichst guten Überblick über die anderen Themen zu behalten.

Man sollte beurteilen können, welche Technologie sinnvoll, welche veraltet und welche noch nicht einsatzfähig ist. Das erleichtert die Einarbeitung in neue Technologien enorm.

Zuletzt wäre da noch die Reichweite. Eine solide Präsenz im Netz ist wichtig um überhaupt wahrgenommen zu werden. Doch dazu müssen interessante Inhalte existieren und regelmäßig gepflegt und ergänzt werden. Und dafür braucht man Zeit und vor allem Geduld.

Peer Wandiger

16 Gedanken zu „Werden Webdesigner in Zukunft noch gebraucht? – Interview“

  1. Habe selbst ein PhotoShop-VideoTraining von Herrn Hellwig gesehen und war positiv überrascht, das Gesicht hier wieder zu sehen und ihn über seinen Artikel doch etwas näher kennen zu lernen. Finde seine Informationen sehr hilfreich, denn in vielen Dinge hat man ja selbst doch nicht so den Einblick.

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  2. Ich teile nicht ganz die Ansicht, das Social Media die größte Konkurrenz zur gewöhnliche HP darstellt. Gerade im Bezug auf Musiker. Eine Webseite sollte immer als Hauptquartier angesehen werden, wo man den Besucher selbst “lenken” kann und sollte daher nie überflüssig sein, wenn man sich im Web präsentieren möchte. Das sollte man seiner Zielgruppe immer vor Augen halten.

    Ich sehe die Social Kanäle, mehr als einen verlängerten Arm der eigenen Webseite an und nicht als Konkurrenz. Natürlich gibt es den ein oder anderen, der keine Webseite möchte, weil er eine bestehende Fanpage hat. Man sollte sich hier die Frage stellen: Was kommt nach Social Media? Hab ich noch die Kontrolle über meine Daten? Ich könnte noch weiter ausholen, aber das sprengt hier etwas den Rahmen.

    Was ich für mich aus dem Interview ziehen konnte, war der Hinweis zu den Tools. Die Seite http://best-web-design-tools.com/ find ich wirklich klasse und wird wohl nun in meiner täglichen Arbeit einen Platz finden.

    Grüße

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  3. Danke schön für das interessante Interview. Ich sehe in Zukunft eher mehr als weniger Bedarf an Webdesignern. Denn es wird immer wichtiger, seine Website gut zu präsentieren. Eine aktuelle Umfrage hat sogar ergeben, dass gutes Design nach der Qualität des Contents bereits der zweitwichtigste Faktor ist für die Glaubwürdigkeit eines Blogs. http://blog.monika-birkner.de/2013/pflichtlektuere-fuer-blogger-was-macht-ein-blog-vertrauenswuerdig-info-grafik/

    Allerdings liegt genau da der Haken. Viele Webdesigner haben Maßstäbe für die Qualität von Design, die eher von ästhetischen Gesichtspunkten bestimmt sind, oft sogar user-unfreundliche Spielereien beinhalten.

    Das Wichtigste geht dabei verloren: Dass eine Website ein Marketing-Instrument ist.

    Ich freue mich sehr, dass Sie das so klar herausstellen.

    Für einen guten Webdesigner finde ich unumgänglich, dass er etwas von Internetmarketing versteht.

    Und dass er seine Kunden versteht und in der Lage ist, sich auf deren Wünsche einzustellen und das, was dem Kunden vielleicht selbst noch nicht klar ist, zum Ausdruck zu bringen. Der bereit ist, sich auf einen Prozess mit dem Kunden einzulassen, bei dem das Design sich entwickeln darf und der Kunde auch sagen darf, wenn ihm etwas nicht gefällt.

    Hohe Anforderungen, ich weiß.

    Doch wer sie erfüllt, braucht sich um seine Zukunft wenig Sorgen zu machen.

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  4. Ich kann die Aussagen zum großen Teil nur bestätigen. Ich selbst habe vor vielen Jahren mit der den KMU als Zielgruppe angefangen. Ich verlagere meine Aktivitäten aber auch zunehmend auf eigene Projekte und sonstige Dienstleistungen. Klassische Webdesign-Arbeit (Projekterstellung für KMU) macht bei mir nur noch den geringsten Teil aus. Ich hatte das Glück bereits früh einen festen Kundenstamm zu haben, mit denen ich langfristig zusammenarbeite. Das puffert den wirklich schwierigen KMU-Markt etwas ab.

    P.S.: Ich kann die Video-Trainings “Responsive Webdesign” und “Webdesign mit Photoshop” von Jonas Hellwig wirklich nur empfehlen. Sehr angenehmes Sprechen, fachlich fundiert und gutes Lerntempo. Bei “Responsive Webdesign” hat mir sehr gut gefallen, dass nicht im Urschleim angefangen wurde, sondern es gleich richtig zur Sache geht.

    Mittlerweile lege ich mir fast ausschließlich Videotrainings zu, auch wenn diese etwas teurer sind. Wichtig ist aber, dass man vorher reinhört, wie der Trainer (besonders bezogen auf die Sprache) seinen Job macht. Unangenehmes Sprechen kann ein Training zur äußerst zähen Angelegenheit machen.

    Jonas Hellwig sticht aber wirklich positiv hervor. Weiter so!

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  5. Schöner Artikel. Ich denke auch, dass es Webdesigner immer geben wird. Denn welches Unternehmen will sich nicht auch designmäßig von der Konkurrenz abheben? Selbst kleine Unternehmen wollen ein Corporate Design und damit auch ein Alleinstellungsmerkmal besitzen.

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  6. Guter Artikel! Ich kenne auch das Photoshop Training von Herrn Hellwig und verfolge auch sein Blog. Hat mich gefreut, hier von ihm zu lesen!

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  7. Sehr guter Artikel! Ich sehe es auch so, dass es in Zukunft Webdesigner geben wird. Viele Kunden merken selbst, dass die eigene Homepage kein einmaliges Projekt ist und immer laufend fortgeführt werden muss. So werden die selbstständigen Webdesigner auch oft Berater in Sachen Online-Marketing und Suchmaschinenoptimierung und haben einen festen Kundenstamm.

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  8. Ich habe alle seine Trainings. Ich habe mit eine gute note meine ausbildung bestanden nur wegen seinem Trainings und Bücher. ich danke dir Jonas Hellwig.

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  9. Ein super Artikel!

    Als Webdesigner sehe ich gewisse Entwicklungen ebenfalls eher negativ als positiv, jedoch ist das denke ich in jedem Beruf so. Aber da das Internet sich rasant entwickelt und die Web-Technologie damit ebenfalls, werden die Ansprüche auf die Webseiten auch proportional steigen.

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  10. Finde den Artikel auch super!
    Bin auch Webdesigner und weiß natürlich um die Schwierigkeiten in diesem Beruf. Bin seit kurzem als Freelancer tätig und komme auch zur Zeit so an genügend Aufträge. Bin auch der Meinung, dass Webdesigner auch in Zukunft gebraucht werden.

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  11. Ich versteh den Grund für den Ausstieg aus dem Webdesign-Business nicht so ganz: die unregelmäßigen Einnahmen? Es gibt doch zahlreiche Projektportale wie http://www.webdesign-freelancer.ch oder http://twago.de, wo man sich registrieren kann und dann regelmässig Aufträge hereinbekommt? Ich und alle in meinem Umfeld nutzen diese Möglichkeiten.

    Und dann gibts ja noch ein “Grundeinkommen” mit Bestandeskunden…

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  12. Interessanter Artikel & Interview. Ich glaube nicht, dass der Bedarf an Webdesigner abnehmen wird. Jedoch werden die Ansprüche, die an Webdesigner gestellt werden, steigen. Webdesigner werden sich schneller und besser fortbilden müssen.

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  13. Als Entwickler setze ich um, was Webdesigner sich so ausdenken. Dabei merkt man ganz schnell ob ein Webdesigner gut ist. Die Ansprüche und Anforderungen steigen, aber bei einer guten Arbeitsteilung ist das kein Problem.
    Ich freue mich immer, wenn Projekte von Webdesignern kommen und nicht vom Vertrieb.

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  14. Ein wirklich toller Artikel. Liest sich auch Jahre später noch gut und ist vor allem noch aktuell. Der Bedarf an Webdesignern hat in den letzten Jahren stark zu genommen. In Unternehmen nenne sich die meisten zwischenzeitlich eher UX/UI Designer. Das Wort Webdesign ist (obwohl im Alltag durchaus gebräuchlich) imho etwas in Vergessenheit geraten. Ich denke, dass die Ansprüche an das Berufsbild letztlich steigen. Solange das Internet weiterwächst (was es rein quantitativ in Bezug auf Anzahl der Seiten im WWW auch tut) werden Webseiten gebraucht. Ob nun kleine Blogs oder große Unternehmenswebseiten.

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  15. Wirklich toller Artikel. Die Frage hab ich mir auch schon gestellt und bin dann zufällig auf deinen Artikel gestoßen. Hat mich zum Nachdenken gebracht.

    Kathi M.

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