Herausforderungen und Probleme eines nebenberuflichen Online-Business – Interview

Viele träumen von einem eigenen Web-Business.

Doch der Start ist nicht so einfach und deshalb probieren es viele erstmal nebenberuflich, was völlig verständlich ist.

Dass dies allerdings mit Vollzeit-Job, Partner, Kindern usw. nicht immer ganz einfach ist, musste auch mein heutiger Gesprächspartner erfahren.

Im folgenden Interview geht es um seine Erfahrungen, Probleme und praktische Tipps für eine erfolgreiche nebenberufliche Selbständigkeit im Netz.

Hallo Thomas, bitte stell dich meinen Lesern vor.

Sehr gern. Ich bin Jahrgang ’77. Hauptberuflich war ich bislang im Bildungswesen verankert, bin nebenbei aber schon seit 2001 im Netz unterwegs.

Neben einigen kleineren Seiten betreibe ich vor allem eine Seite rund um Namen, www.onomastik.com.

Nach meinem philologischen Studium verschlug es mich für einige Jahre nach Malaysia, wo ich meine Frau heiratete und unser erstes Kind zur Welt kam.

Seit 2011 bin ich wieder ganz und gar in Leipzig beheimatet. Hier wurde letztes Jahr unser zweites Kind geboren.

Wie bist du zum Web-Business gekommen und was waren deine ersten Erfahrungen?

Zeichnen, Entwerfen, Photoshop und Freehand – das war Ende der 90er meine Welt.

Während des Studiums kam ich so zu meinem ersten Nebenjob in einer Leipziger Webagentur, in der das Gestalten von Layouts und Bannern in meinen Bereich fiel.

Alles, was sonst noch dazu gehört, HTML, CSS, etwas PHP, brachte ich mir dann nach und nach selbst bei. Bald kamen die ersten eigenen kleinen Webseiten.

Die Grafik ist inzwischen in den Hintergrund getreten. Wenn mich jemand fragt, dann bin ich nebenberuflicher “Webpublisher”.

Was hat dich daran besonders fasziniert und was hast du neben dem Studium genau gemacht?

Die ersten eigenen Webseiten waren für mich eine Spielwiese, auf der ich Neues ausprobieren und lernen konnte.

Anfang 2004 begann ich, die freie Zeit in meinem letzten Semester dafür zu verwenden, einige Studieninhalten aus dem Bereich Onomastik (zu deutsch “Namenkunde”) als Webseite aufzuarbeiten – mehr aus Spieltrieb, denn aus kommerziellem Interesse.

Baff war ich, als dadurch wirklich Besucher kamen. Ich hätte damals nie ernsthaft geglaubt, dass ich 100 Leute pro Tag erreichen würde. Damit war ich “angefixt”.

Wie ging es nach dem Studium weiter? Hast du dich selbständig im Web gemacht oder als nebenberuflicher Web-Worker weiter deinem Hobby gefrönt?

In Deutschland hielt mich zunächst wenig. In Malaysia wartete meine damalige Freundin. Da war der Weg nach Südostasien bereits vorgezeichnet.

Für die Agentur jobbte ich noch einige Monate als E-Lancer, nebenbei pushte ich meine Namenkunde-Seite und bastelte an weiteren kleineren Projekten.

Die Besucherzahlen gingen langsam aber steig weiter nach oben, bald in den unteren vierstelligen Bereich. Zwei Dinge hielten mich davon ab, das Web zum echten Business zu machen.

  1. Aufgewachsen mit typisch deutschem Sicherheitsdenken hatte ich kein Vertrauen, dass die noch unzureichenden Einnahmen auch langfristig fließen werden – geschweige denn, dass sie steigen könnten.
  2. Außerdem leitete mich der Irrglaube, dass meine berufliche Zukunft irgendwie inhaltlich mit dem Studium korrelieren sollte.

Deswegen stellte sich damals nie die Frage, ob das Web mehr als nur Hobby sein kann. Ich tat das, was ich für sinnvoll hielt: ich suchte mir eine richtige Stelle – als Dozent.

Welche Herausforderungen hat die Doppelbelastung aus Job und Internet-Arbeit mit sich gebracht?

Ganz ehrlich – zu dieser Zeit war alles easy. Der Job als Dozent war erfüllend und brachte mich weg von Computer.

Abends hatte ich dennoch genügend Zeit und Energie, die E-Mails aufzuarbeiten, den Server zu pflegen, neue Inhalte einzustellen. Eine recht aufwendige Studie zu Vornamen setzte ich da z.B. um. Es passte alles ganz prima zusammen.

Das änderte sich auch dann noch nicht grundlegend, als unser erstes Kind auf die Welt kam. Es zwang mich zwar, bewussten zu priorisieren: Familie oder Web. Ich gab der Familie Vorrang, d.h. die Zeit nach Feierabend gehörte erst einmal Frau und Kind.

Ich wollte nicht, dass mein Kind beim Abendessen zuschauen muss, wie sein Vater wie gebannt vorm Rechner sitzt und kaum ansprechbar ist. Dennoch blieb zunächst ausreichend Zeit. Wenn das Kleine im Bett lag, kümmerte ich mich um die Webseiten.

Du bist dann nach Deutschland zurückgekommen? Wie ging es an diesem Zeitpunkt weiter?

Es war vor allem der sich anbahnende Schuleintritt unseres Kindes, der uns nach Leipzig zurückholte. Ich hatte bereits die Zusage für eine halbe Stelle in Leipzig, auch wieder im Bildungsbereich. Wir packten unsere Kisten und flogen im Anfang 2011 zurück.

Mit der 50%-Stelle war ich glücklich. Sie ließ genügend Freiraum, um sich zunächst einmal einzufinden und nebenbei weiterhin die Webseiten zu pflegen.

Der Knackpunkt kam bald: Ich hatte die Option, auf eine volle Stelle zu rutschen – und sagte zu. Klar, die Arbeit machte mir Spaß und ich kniete mich voll rein.

Voll reinknien hieß dann, mind. zehn Stunden täglich außer Haus, Arbeit kam auch gern mal mit nach Hause, und auch, wenn ich keine Unterlagen mitbrachte, war doch der Kopf immer noch im Büro. Ohnehin war ich nach Feierabend mental ausgelaugt. Was an freier Zeit noch übrig blieb, gehörte der Familie.

Was das fürs Web-Business bedeutete: es blieb nur noch Zeit für das Nötigste. E-Mails blieben unbeantwortet, wenn es nicht wirklich drängte, neue Inhalte gab es fast nicht mehr. Die Besucherzahlen stagnierten.

Dennoch – zu der Zeit war ich mit der Situation ganz zufrieden. Der Nebenerwerb erschien mir auch gar nicht mehr so wichtig.

Als dann der Pinguin zuschlug, bekamen wir gerade unser zweites Kind. Um irgend etwas gegen den Ranking-Abfall zu unternehmen, fehlte mir schlicht die Zeit.

Und nun bin ich jemand, der seiner Frau nur sehr schlecht vermitteln kann, warum es wichtiger ist, die Logfiles auszuwerten, während sie in einer Hand ein schreiendes Baby und in der anderen die verschmutzte Windel hält, und versucht mit den Zehen das nasse Handtuch aufzuheben.


Warum ist bei dir die Kombination aus Vollzeit-Job und nebenberuflicher Arbeit im Web gescheitert?

Ich denke, “gescheitert” ist nicht unbedingt das passende Wort.

Für mich (und sicherlich auch für die vielen anderen Einzelkämpfer im Netz) gilt, dass der Erfolg proportional zur aufgewendeten Zeit steht. Die Zeit ist nun einmal begrenzt.

Spätestens beim zweiten Kind war bei mir der Punkt erreicht, wo die nötige Zeit einfach nicht mehr vorhanden war – bedingt durch meine Entscheidungen für eine volle Stelle und für eine harmonische Beziehung, in der die Zeit nach Feierabend sowie der Großteil der Wochenenden der Familie gehören.

Seither ist das Web-Business auf dem absteigenden Ast.


Welche Risiken siehst du für Gesundheit, Familienleben usw., wenn man neben einem Job noch eigene Projekte im Web betreibt?

Ich finde es unheimlich wichtig, seine Prioritäten im Leben abzuwägen.

Ein Partner, die eigenen Kinder, werden dich im Idealfall ein Leben lang begleiten, dir emotionale Stabilität geben. Zu kurz kommen dürfen sie nicht.

Wenn sich ein Webschaffender in jeder freien Minute an seinen Schreibtisch zurückzieht, kaum ansprechbar ist, gereizt reagiert, wenn er zum Abendessen gebeten wird, dauert es nicht lange, bis man sich entfremdet – und letztlich trennt. Das ist es mir nicht wert.

Es gibt noch ein Leben neben dem Web. Daran muss man sich manchmal erinnern.

Ich weiß noch sehr gut, wie wir einmal in unserer regelmäßigen Männerrunde mit zwei weiteren Webschaffenden sofort beim Thema Internet landeten, kaum dass wir Hallo gesagt hatten, noch bevor das erste Bier geöffnet war. Dabei steckte einer von uns gerade mitten in der Scheidung. Hätte das nicht ein drängenderes Thema unter guten Freunden sein sollen?


Was hast du aus deinen eigenen Erfahrungen gelernt? Was würdest du heute anders machen?

Hinter der Entscheidungen, der Familie Vorrang zu geben, stehe ich voll und ganz.

Rückblickend hätte ich wohl besser auf einer Teilzeit-Stelle im Haupterwerb bleiben sollen, die ausreichend Freiraum für das Web geboten hätte. Dazu kommen etliche organisatorische Dinge, die ich heute anders angehen würde. Deshalb folgende Tipps:

  1. Es war die Experimentierfreude, die mich dazu verleitete, mehrere kleinere Projekte ins Leben zu rufen. Sinnvoll ist es, sich frühzeitig zu fokussieren und die verbleibende Energie in ein Projekt zu stecken, statt mehrere kleine Baustellen zu beackern.
  2. Bei mir war das Web eher Hobby, als Business. Wenn es langfristig klappen soll, muss es aber wie Business organisiert sein. D.h. innerhalb des Projektes klare Ziele setzen, grobe Projektpläne entwerfen Aufgaben wenn möglich outsourcen, Einnahmen re-investieren.
  3. In Abstimmung mit der Familie müssen klare Zeiten für die Web-Arbeit vereinbart werden, die sowohl für den Webschaffenden als auch für den Partner verbindlich sind.
  4. Ein Home-Office funktioniert nur begrenzt. Ein Büro muss außerhalb der Wohnung liegen, auch wenn es nur wenige Stunden pro Woche genutzt wird. Es war mir einfach nicht möglich, länger konzentriert zu arbeiten, mit Kleinkindern im Haus.


Hast du zum Schluss noch ein paar wichtige Tipps für alle, die im Web (neben-)beruflich aktiv werden wollen?

Ja: Einfach anfangen.

Ihr investiert letztlich zunächst nur Zeit. Solange davon ausreichend vorhanden ist, sehe ich keinen Grund, es nicht zu versuchen.

Ist der Start einmal geschafft, werden zwei Dinge wichtig: ein klarer Fokus darauf, was ihr eigentlich erreichen wollt, und langer Atem.

Aber bitte, nebenbei das ganz normale Leben nicht vergessen!


Danke für das Interview

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?

Peer Wandiger

12 Gedanken zu „Herausforderungen und Probleme eines nebenberuflichen Online-Business – Interview“

  1. Ich bin ebenfalls nebenberuflich im Netz tätig. Dabei ist es für mich echt schwierig sich nach Feierabend noch hinzusetzen und mal einen neuen Artikel zu schreiben, bzw. die Seite auszubauen. Ich mache das jetzt schon ca. 7 Monate lang und Ich merke immer mehr dass man einfach genug Zeit braucht. Ich habe in Zukunft vor meien Seite nebenberuflich weiter auszubauen und hoffentlich mal mein Hobby zum Beruf zu machen. Von daher kann Ich ganz gut mit Thomas mitfühlen.

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  2. “Ja: Einfach anfangen.”
    Wahrscheinlich die wichtigste und größte Hürde für alle, die selbstständig irgendetwas starten wollen. Danach kommt dann wahrscheinlich schon die Hürde der Ablenkung.
    Tja, eigentlich ist man halt satt.

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  3. vielen Dank für die Ehrlichkeit und das hier auch ein Artikel veröffentlicht wird, in dem nicht eine “heile-Selbständigkeit-Welt” vorgeträumt wird, sondern die Realität offenbart wird.
    ich glaube allerdings, dass der Autor mehr in seine Selbständigkeit investiert hätte, wenn ihm der Job keinen Spaß gemacht hätte. ich finde es die Hölle, langfristig einen Job auszuüben, zu dem man nicht gerne hingeht und wünsche jedem, der in der Arbeitsmühle zermalmt wird, den Sprung in den Selbständigkeit irgendwie zu schaffen. Würde mich über Artikel/Kommentare freuen von Menschen, die den Sprung von einem Ätz-Job in die Selbständigkeit geschafft haben, egal ob mit oder ohne Familie. Danke jedenfalls für diesen ehrlichen Artikel.

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  4. Endlich ein Artikel, der sich auch der Realität von nebenberuflich online Selbständigen widmet.
    Nachdem ich selber Familie habe, kann ich die Erzählungen sehr gut nachfühlen. Wenn Kinder kommen, ändern sich (zum Glück) auch Wertigkeiten.

    Was mir bei den Nebenberuflichen immer fehlt ist einer Angabe zu den Einnahmen. Oder zumindest ein Studensatz. Bei vielen Projekten wird der vermutlich im niedrigen einstelligen Euro-Bereich liegen, oder noch geringer. Soviel Ehrlichkeit sollte man sich dann auch gönnen (auch wenns weh tut).

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  5. Wirklich gut, mal einen ehrlichen Standpunkt zu lesen.
    Nicht wie sonst im Netz wo es an jeder ecke heißt: ganz einfach geld verdienen .. etc.

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  6. Hi Julia,
    du hast Recht, das Web ist/war für mich Hobby nach Feierabend. Da Job und Hobby inhaltlich völlig anders waren, fand ich in beidem den Ausgleich.
    Ein wenig seltsam ist mir zumute, weil immer das Gefühl bleibt, nicht alles richtig gemacht zu haben: Irgendwann ist die Erwerbsarbeit vllt. nicht mehr erfüllend und dann schaut man zurück und denkt, hätte ich doch mehr aus meiner Selbstständigkeit gemacht.

    Da hat Christian dann aber wieder recht. Wenn ich eine insgesamt aufgewendete Zeit wirklich mal in einen Stundenlohn umrechnen würde (Einnahmen aber nur über Werbung, daher schwierig)… na, lieber nicht.

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  7. Ich denke die meisten werden es kaum schaffen, nur mit einer halben Stelle gut über die Runden zu kommen um nebenbei noch ein Online Business aufbauen.Das mag vielleicht bei einem Single gehen, aber sobald man eine Familie zu versorgen hat, sehe ich das eher als unrealistisch an. Trotzdem schöne, ehrliche Worte!

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  8. Ich denke, man sollte das nebenberufliche Gewerbe als Hobby verstehen. Ich bin unter der Woche in meinem Hauptjob als leitender Angestellter bei einem Versicherungsmakler mehr als ausgelastet. Am Wochenende freue ich mich dann, beim Arbeiten an meinem Websites zu entspannen und kreative Texte zu schreiben. Dass dann dadurch am Monatsende noch ein paar Hundert Euro übrig bleiben ist natürlich ein schöner Nebeneffekt!

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  9. Wow! Kann mich im Artikel ziemlich gut wiederfinden… und so ziemlich das gleiche Dilemma. Nach unseren 1. Kind fehlt nun einfach die Zeit für die vielen kleinen Webprojekte. Obwohl ich schon so oft kurz vor der Entscheidung gestanden haben meinen “Traum” Vollzeit auszuüben. Aber mit Familie hat man Verantwortung und da geht der Hauptjob vor… erstmal 😉

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  10. Ein sehr schönes Interview! Das lesen hat mir Spaß gemacht.
    Mittlerweile ist Deine Seite zu einer regelmäßigen Einrichtung bei meinen Touren durch das Internet geworden.
    Mach weiter so!

    Gruß,
    Jens

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  11. Auch ich befinde mich in der gleichen Situaton wie Thomas und kann das Ganze demenstprechend gut nachempfinden. Ich habe neben meinem Hauptberuf anfangs auch nur als Spaß an der Freude nebenbei etwas aufgebaut.

    Aber auch bei mir ist nach dem zweiten Kind die Zeit nun so knapp geworden und man kann viele Dinge leider nur noch beiläufig und meist nur abends, wenn die Kinder im Bett sind, machen.
    Da bleibt dann auch keine Zeit mehr um sein Konzept weiter zu verfeinern oder sich Marketingstrategien auszudenken, wenn man erstmal mit der groben Abarbeitung der Aufträge und der Buchhaltung fertig ist.

    Spätestens so ist mir klar geworden, dass ich es nie so richtig professionell machen kann wie manch andere, auch wenn ich das noch so gern hätte, manchmal zumindest, aber auch nur dann wenn der neidische Blick wieder kurz zur Konkurrenz geht…

    Nebenbei ist halt einfach nur so neben bei.
    Entweder, oder.
    Oder aber, man hat das nötige Kleingeld und kann viele der täglichen ToDos ausgliedern.

    Viele Grüße und allen hier weiterhin viel Erfolg,
    Sven

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  12. mein tipp ist es sich moeglichst wenig fixe kosten aufzuhalsen. wenn man naemlich nur nebenberuflich taetig ist kann man die arbeit nicht ruhen lassen, weil die fixkosten die einnahmen uebersteigen werden wenn man lange zeit nichts mehr macht.

    deshalb rate ich niemand im nebenerwerb zu teuren tools oder abos etc.

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