Umgang mit Kritik in der Online-Welt – Feedback und Drolliges mit Trollen

Im ersten Teil dieses Artikels habe ich beschrieben, wie man professionell mit Kritik umgehen kann. In diesem zweiten Teil gehe ich darauf ein, wie man speziell online mit unbequemem und störendem Feedback verfahren kann.

Im Internet trollen sich so manche „Kritiker“, die einzig darauf aus sind, Aufmerksamkeit zu erhalten und die Diskussionen und Foren stören.

Wie gehe ich mit diesen Trollen um?

Umgang mit Kritik in der Online-Welt

Global berühmt ist David Thorne, eine Art Till Eulenspiegel des Internets, der aber kein „echter“ Troll ist. Er erlaubt sich immer wieder Scherze, lädt 60.000 Leute zu Parties ein, die nie stattfinden, setzt abstruse Gerüchte in die Welt und ergötzt sich dann an den Streitereien derjenigen, die diese Gerüchte glauben.

Die Frankfurter Allgemeine berichtete im September 2014 über den Fulltime-Troll Uwe Ostertag. Die Kommentare, die von ihm im Artikel zitiert werden, sind vor allem beleidigend. Mit Vorliebe beleidigt er irgendwelche Gruppen, die dann vehement auf Beleidigungen reagieren.

Uwe Ostertag wurde mehrmals verwarnt und sogar bereits einmal verhaftet. (Siehe im FAZ-Artikel auf Seite 2). Er sagt, dass er auf Missstände hinweisen und vor Fehlentwicklungen warnen will. Mit seinen Kommentaren hat er immerhin laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung 2.300 Follower auf Twitter gewonnen.

Die Follower stehen auch hinter ihm. Sie verteidigen ebenso wie er selbst sein „Recht auf freie Meinungsäußerung“. Nun, das hat er. Über die Qualität, in welcher er es nutzt, gibt es wiederum verschiedene Meinungen.

Erst hinterfragen, dann schießen

Was sich immer wieder als hilfreich erweist, ist Unterscheidungsvermögen.

Schreibt jemand einen „negativen“ Kommentar, weil er

  • konkret etwas kritisiert?
  • etwas nicht versteht?
  • sich ungeschickt ausdrückt?
  • glaubt, das ist cool?
  • eine Reaktion provozieren will?
  • der Community schaden will?

Wenn ich jemanden, der eine nachvollziehbare Nachfrage stellt und diese evtl. ungeschickt formuliert, als Troll bezeichne, habe ich vielleicht einen Fan verloren, der dann seine Freunde gleich mitnimmt.

Wenn ich jemanden, der fortwährend andere attackiert, in der Community belasse, verliere ich vielleicht andere Fans.

Wenn ich andererseits auf echte Kritik wirklich eingehe, erhöhe ich meine Glaubwürdigkeit.

Woher weiß ich nun, wer destruktiv argumentiert?
Auf der Seite klimafakten.de werden unter anderem folgende Merkmale genannt, um einen „echten“ Troll zu identifizieren:

  • Zitate der vorigen Autoren werden aus dem Zusammenhang gerissen und/oder leicht verändert
  • Der Kommentierende bezieht sich nicht auf etwas, das vorher gesagt wurde, sondern beginnt ein völlig neues Thema
  • Der Kommentierende betont ausdrücklich, er wolle “nur mal Fragen stellen”
  • Behauptungen werden nicht durch Quellen belegt
  • Wenn Quellen für Behauptungen genannt werden, belegen sie in Wahrheit gar nicht das Behauptete
  • persönliche Angriffe, Beleidigungen, Herabwürdigungen
  • Der Kommentator unterstellt dem Autoren irgendwelche sinistren Motive, anstatt auf dessen tatsächliche Aussagen einzugehen

Hier der Link zum ausführlichen Artikel von klimafakten.

Nach einer psychologischen Studie aus Kanada von 2013 zeigen „echte“ Trolle vier Eigenschaften, die von der Psychologie als „dunkle Tetrade“ (griech. „tetra“ = vier) bezeichnet werden: Sadismus, Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie.

Die Studie wurde auf Englisch publiziert unter Trolls Just Want to Have Fun (Trolle wollen nur Spaß haben, in Anlehnung an Cindy Lauper).

(Die permanente Fehlinterpretation von Machiavelli geht mir persönlich auf den Zeiger, zumal ich „Il Principe“ gelesen habe. Aber im allgemeinen Sprachgebrauch hält sich diese Fehlinterpretation.)

Aus der Praxis: Erst friedlich, dann nicht mehr

Eine Strategie, die aus der Praxis heraus oft empfohlen wird ist, erst einmal freundlich nachzufragen und einen Kommentator, der feindselig klingt, auf eine konstruktive Spur zu bringen. Jeder hat mal einen schlechten Tag oder drückt sich mal nicht perfekt aus.

Bei Kommentaren wie „Der Artikel ist blöd“ zum Beispiel frage ich nach, was genau daran blöd ist und wie ich ihn schlauer machen könnte.

Wenn dann nichts kommt oder nur Beleidigungen oder unbegründete Abwertungen des Inhaltes, kann man den Kommentator auf die Netiquette hinweisen bzw. auf die Regeln der Plattform, auf welcher er sich befindet. Fruchtet das dreimal nichts, wird der User gesperrt.

Klarnamenzwang
Einige Portale sind dazu übergegangen, User dazu zu zwingen, ihren Klarnamen preiszugeben oder sich mit SocialMedia-Profilen einzuloggen. Das reduziert die Trolle bereits, da nur wenige unter ihrem eigenen Namen Unruhe stiften.

“Fütterungsstrategien”

Ein immer wieder gegebener Ratschlag ist „don’t feed the troll“, also, füttere den Troll nicht. Der Troll will Aufmerksamkeit und Emotionalität. Die sollte man ihm nicht geben. Oder doch?

In der Zunft der Therapeuten wird gestritten, ob man auch „negativen“ Menschen Zuwendung geben sollte, damit sie langfristig weniger stören. Wahrscheinlich ist das ein guter Ansatz. Es kann aber Jahrzehnte dauern, bis die Strategie greift. Carl Gustav Jung soll einen solchen Fall aus seiner Praxis beschrieben haben, was mir aber nur zugetragen wurde.

Nun ist aber nicht jeder Foren-Admin ein Therapeut oder hat die Geduld oder die innere Mission, allen Liebe zu geben.

Im Kontrast dazu kann man

  1. die anderen füttern
  2. den Troll mit bitterer Wertschätzung verscheuchen

Die anderen füttern
Aus zahlreichen Praxis-Berichten hier ein paar Ideen dazu: Füttere die Nicht-Trolle. Gehe in eine engagierte Diskussion mit denen, die wertvolle Kommentare liefern, wertschätze sie, kommentiere differenziert ihre Aussagen.

Integriere Trolle und Störer, nimm ihre Aussagen auf, finde etwas Konstruktives darin und nutze dies. Das zeigt gegenüber allen charakterliche Größe und geht den Trollen gegen den Strich. Bedanke Dich für die Kritik und zeige, dass Du sie integrierst.

Für einen echten Internet-Troll ist Wertschätzung wie Sonnenlicht für den Vampir.
Er hat vermutlich nicht viel Wertschätzung in seinem Leben erfahren und ist deshalb motiviert, auch andere abzuwerten. Wenn ich ihn nun wertschätze, wird er wahrscheinlich die Flucht ergreifen.

Echte Trolle, also solche, die wirklich nur abwerten ohne Substanz anzubieten, haben mit ziemlicher Sicherheit auch kein befriedigendes Leben.

Ich gehe hier von dem typischen Troll aus, der aus dem Verborgenen heraus agiert und bei einer realen Konfrontation überhaupt nichts anzubieten hat, keine Argumente, keinen erkennbaren Standpunkt.

Etwas anderes ist eine winzige Anzahl von Leuten, die auch offline real gefährlich sind. Unter denen, die abfällige Kommentare auf Blogs hinterlassen, befindet sich so gut wie niemand davon.

Nochmal was anderes ist Cybermobbing in SocialMedia, aus dem sich manchmal offline körperliche Bedrohungen entwickeln. Der Umgang damit ist nochmal ein ganz anderes Thema.

Wie bin ich bisher mit „negativen“ Kommentaren umgegangen?

Für Korrekturen habe ich mich bedankt und meine Angaben berichtigt.

Für abwertende Kommentare habe ich mich bedankt.

Im April 2016, als ich auf einem youtube-Kommentar erwähnte, dass ich nicht religiös bin, wünschte mir ein Mitmensch, der offensichtlich tief von der Liebe Jesu durchdrungen war, die schlimmsten Qualen der Hölle, weil ich Jesus nicht annehme. Ich dankte ihm für sein freundliches Feedback und wünschte ihm einen schönen Tag.

Bei gemischten Kommentaren habe ich mich für den sachlichen Teil bedankt und den abwertenden Teil ignoriert.

Kein Argument
Der kanadische Radio-Host Stefan Molyneux antwortet auf trollige Kommentare oft mit den Worten „Not an argument“. Stimmt. Eine Bewertung oder unbegründete Behauptung ist kein Argument.

Ein neuer Ansatz: Die Troll-Schule

Der britische Journalist Milo Yiannopoulos hat in der Joe Rogan Show seinen eigenen Umgang mit Trollen erklärt. Er schickt sie auf humorvolle Weise in die Troll-Schule. Milo treibt das Spiel noch ein Stück weiter und verbindet Wertschätzung mit Humor. Nicht nur, dass er die Kommentare anerkennt, er gibt ihnen sogar Tips, wie der Troll noch beleidigender sein könnte.

Da Milo homosexuell ist, beziehen sich viele Troll-Beleidigungen, die er erhält, auf diese Tatsache. Das ist natürlich etwas langweilig auf die Dauer. Hier ein paar Beispiele zu Troll-Kommentaren und wie Milo darauf sinngemäß reagiert hat:

„Blöder Schwuler!“
Na, das hättest Du besser sagen können, zum Beispiel „Blöder Schwuler mit alberner Frisur!“ Das wäre etwas origineller gewesen.

„Idiot!“
Na, das kannst Du bestimmt besser! Denk mal nach! Kennst Du keine originelleren Schimpfworte? Wenn Du ein guter Troll sein willst, brauchst Du etwas bessere Ideen. Hier hast Du einen Link zu einer Auswahl an Schimpfwörtern. Komm nächste Woche wieder und zeige mir, was Du gelernt hast!

„Nimm ein Bad mit einem Toaster!“
Das gefällt mir ganz gut! Das ist nicht wirklich originell, aber immerhin lustig! Ich in der Wanne mit einem Toaster, dann ein Stromschlag! Wie das meine Frisur durcheinander bringen würde! Witziges Bild!

Umfeld und Ton
Die Troll-Schule passt natürlich nicht überall hin. Jeder sollte die Tonalität seines eigenen Diskussionsforums darauf überprüfen, ob dieser etwas sarkastische Tonfall dazu passt.

Fazit

Was ich für jeglichen Umgang mit Kritik benötige, ist Unterscheidungsvermögen. Ist jemand destruktiv oder nur ungeschickt?

Sei den Kommentatoren gegenüber zunächst aufgeschlossen, auch wenn es unangenehm oder nervig ist. Erst wenn sie nach mehreren Interventionen immer noch beleidigend und destruktiv bleiben, finde technische Möglichkeiten, sie aus der Diskussion auszuschließen.

Denen, die konstruktiv sind, gibt Deine volle Dankbarkeit, Unterstützung und Wertschätzung.

Viel Spaß!

Autor

Alexander Meneikis, Jahrgang 1969. Nicht verheiratet, aber solide domestiziert. Freiberuflicher Controller und Dozent für Rechnungswesen. Außerdem Moderator der Seite www.alternative-lebensweisen.de.

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Peer Wandiger

7 Gedanken zu „Umgang mit Kritik in der Online-Welt – Feedback und Drolliges mit Trollen“

  1. Der Artikel gefällt mir recht gut. Ich habe mir zwar auch schon Gedanken darüber gemacht aber noch nie so wirklich intensiv, wie ich später einmal mit Kritik auf meiner Seite umgehen sollte. Gerade da es ja die Trolle gibt. Ich habe mir direkt mal einige Notizen gemacht, welche ich mal beherzigen will, wenn es soweit ist 🙂

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  2. Ich denke man sollte bei negative Kritik seinen Ignoranzschalter hochfahren. Mir ist es schon häufiger passiert, dass ich auf den verschiedensten FB-Gruppen verschiedene Beleidigungen aber auch konstruktive Kritik bekommen habe. Meistens liegt das an der Fragestellung.

    Nichts desto trotz ein sehr schöner und gut lesbarer Artikel, Peer hat wieder tolle Leistung geleistet! 🙂

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    • Hallo Uwe, Macchiavelli wird oft synonym benutzt für Intrigen und skrupellose Machtausübung. Seine Schriften werden hingestellt als Anleitung für machtgeile Soziopathen. Nach meinem Eindruck ist sein Hauptwerk, “Il Principe” (wörtlich “Der Erste”, sinngemäß “Der Fürst”) eine sehr nüchterne Analyse von Machtstrukturen und davon, wie sich Individuen und Gruppen verhalten. Weder finster noch skrupellos, sondern sachlich.

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  3. Feedback finde Ich immer wichtig, kommt aber auch immer drauf an von wem und in welcher Form. Negatives Feedback ohne Hand und Fuß bringt niemandem etwas da man so ja auch nichts verbessern kann. Bin daher kein Freund von solcher Kritik hinter der oft auch Neid und Missgunst steckt.

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