5.000 Euro monatlich mit eigenem SaaS-Finanztool [Case Study]

Der 30-jährige Kyle Nolan hat ganz alleine eine Softwarelösung zur Finanzplanung entwickelt. Mittlerweile generiert der US-Entwickler damit jeden Monat ein beachtliches Einkommen im vierstelligen Bereich – Tendenz steigend.

Seit dem Kindesalter hat Kyle Nolan eine Leidenschaft für das Unternehmerische. Schon in der Grundschule entwarf er ein eigenes Kartenspiel. Es dauerte nicht lange, bis Kyle diese Karten für kleines Geld an Freunde in der Nachbarschaft verkaufte.

Heute verdient der Entwickler sein Geld mit ProjectionLab, einem Online-Tool zur Vereinfachung der finanziellen Lebensplanung. Bis heute ist ProjectionLab dabei für Kyle nur ein Nebenprojekt. Wie er damit trotzdem so erfolgreich sein kann, hat Kyle dem Fachblog Niche Pursuits im Gründerinterview verraten.

Geschichte, Gründer, Angebot

Kyle Nolan

Kyle Nolan ist ein gelernter Softwareentwickler aus Boston mit umfangreichen Erfahrungen in dieser Branche. In den vergangenen 20 Jahren hat er zahlreiche digitale Projekte umgesetzt, darunter auch eigene Videospiele.

Vor zwei Jahren startete Kyle dann ProjectionLab als kreativen Ausgleich zu seinem Berufsalltag. Motiviert wurde der Entwickler dabei von der “Fire”-Bewegung. Die Abkürzung steht für “Financial Independence, Retire Early” – finanzielle Unabhängigkeit, frühzeitige Rente.

In dieser Bewegung sieht Kyle gleichzeitig auch die primäre Zielgruppe seiner Finanzsoftware. Als Kyle mit ProjectionLab startete, hat er noch gar nicht an eine Monetarisierung des Projekts gedacht. Durch eigene Recherchen bemerkte Kyle aber, dass es auf dem Markt tatsächlich an einer praktischen Allround-Softwarelösung für die Finanzplanung fehlt.

Als sich dann auch immer mehr Menschen bei ProjectionLab angemeldet hatten, entschied sich der Entwickler, das Projekt ernster zu nehmen. Mittlerweile stecken mehrere Tausend Stunden Arbeit in dem Finanz-Tool.

Die Softwarelösung ermöglicht den Nutzern eine detaillierte Planung ihrer finanziellen Zukunft. Im Vordergrund stehen dabei Meilensteine und Ziele, die sich jeder individuell setzen kann. Dazu zählen zum Beispiel der nächste Sommerurlaub oder das Erreichen der finanziellen Unabhängigkeit.

Dadurch will Kyle den Menschen die Angst vor finanziellen Themen nehmen und sie bei zentralen Lebensentscheidungen wie einem Hauskauf unterstützen.

Freemium-Preisstruktur von ProjectionLab

Neben der kostenfreien Basisversion bietet ProjectionLab auch eine kostenpflichtige Premium-Version (14 US-Dollar/Monat) und eine kostenpflichtige Pro-Version (65 US-Dollar/Monat) an. Die kostenpflichtigen Versionen bieten dabei zahlreiche zusätzliche Funktionen und Features wie Steueranalysen und Premium-Support.

Die verschiedenen Versionen gibt es nicht nur in einem monatlichen und jährlichen Bezahlmodell, sondern auch als einmaliges Lifetime-Abonnement. So kostet beispielsweise die Lifetime-Pro-Version von ProjectionLab 520 US-Dollar.

Umsätze, Aufwand und Team

In etwa 22 Monaten erreichte Kyle einen monatlich wiederkehrenden Umsatz von 6.000 US-Dollar (5.000 Euro). Davon benötigte er alleine neun Monate, um den Meilenstein der ersten 1.000 US-Dollar zu erreichen. Es brauchte weitere vier Monate für 2.000 US-Dollar und schließlich weitere neun Monate bis zu den 6.000 US-Dollar monatlich wiederkehrenden Umsatz.

Aktuell entwickelt Kyle ProjectionLab immer noch als Nebenprojekt. Sein durchschnittlicher Aufwand dafür umfasst etwa 40 Wochenstunden zusätzlich zu seinem Vollzeitjob. Unter der Woche arbeitet Kyle abends von 20 Uhr bis Mitternacht an seinem Projekt – am Wochenende sogar zehn Stunden täglich.

Bislang arbeitet er alleine, ohne ein Team oder Angestellte.

Wachstum und Kundenherkunft

Die Premium- beziehungsweise Pro-Version hatte lange Zeit keine Mitglieder. Ohne sich davon viel zu erhoffen, hat Kyle ProjectionLab dann im April 2022 auf Hacker News vorgestellt, einer beliebten Online-Plattform für technische und unternehmerische Diskussionen. Die Community von Hacker News umfasst hauptsächlich Softwareentwickler, Unternehmer und Technologie-Fans.

Nur eine Stunde nach der Veröffentlichung explodierte das E-Mail-Postfach des Entwicklers mit Anmeldungen. So wuchs die Zahl der zahlenden Benutzer innerhalb einer Woche organisch und durch Mundpropaganda von null auf über 100. ProjectionLab hatte es sogar auf die Startseite von Hacker News geschafft.

Neben dem enormen Push der Community waren dafür auch zahlreiche Experten aus verwandten Branchen verantwortlich, die öffentlich Empfehlungen für ProjectionLab aussprachen. So empfahl beispielsweise der in FIRE-Kreisen bekannte Blogger Pete Adeney (Mr. Money Mustache) das Tool auf Twitter.

Darüber hinaus wurde Kyle etwa als Gast in den Finanzpodcast The Financial Independence Show eingeladen.

Seit der Veröffentlichung auf Hacker News verbrachte der Entwickler die meiste Zeit mit der Entwicklung von neuen Funktionen und dem Erstellen von Postings in verschiedenen Foren wie r/SideProject bei Reddit. Dadurch wollte Kyle das Produkt noch bekannter machen – mit Erfolg. Mittlerweile sind über 1.000 Benutzer für die kostenpflichtigen Versionen von ProjectionLab registriert.

Rückblickend ist Kyle der Meinung, er hätte schon weitaus früher mit der Kundenakquise beginnen sollen statt sich nur auf die Weiterentwicklung des Produktes zu fokussieren. Man könne das beste Produkt der Welt haben, ohne Kunden bringe das nichts.

Tools und Techniken

Kyle benutzt Vue.js für die Programmierung von ProjectionLab, um möglichst schnell einladende Benutzeroberflächen erstellen zu können. Vue.js ist ein fortschrittliches JavaScript-Framework. Als UI-Bibliothek für die Vue-Komponenten verwendet Kyle Vuetify. Damit kann er auf eine Vielzahl von vorgefertigten Komponenten wie Buttons, Formulare und Diagramme zurückgreifen, ohne von Grund auf neu beginnen zu müssen.

Als Abonnement- und Abrechnungsplattform hat Kyle Paddle gewählt, um auch komplexe Steuerthemen einfach und einheitlich bewältigen zu können. Zur Interaktion mit der Community hat Kyle einen Discord-Server eingerichtet. Dort können Nutzer Fragen stellen und sich untereinander austauschen.

Außerdem betreibt Kyle eine Changemap. Dieses Tool bietet die Möglichkeit, Feedback, Vorschläge und Beiträge von Mitgliedern der Community zu sammeln und in das Projekt zu integrieren. So kann Kyle seine Community aktiv in den Entwicklungsprozess von ProjectionLab einbeziehen.

Unsere Analyse

5.000 Euro monatlich als Nebenverdienst und ohne externe Hilfe klingt zweifelsohne attraktiv. Der Zeitaufwand von 40 Stunden nebst durchgearbeiteten Abenden und Wochenenden relativiert das aber gehörig, gerade wenn man Kyles beruflichen Background bedenkt. Wenn der Softwareentwickler als Freelancer die gleiche Anzahl von Stunden verkaufen würde, wäre unter dem Strich vermutlich noch mehr Geld auf sein Konto.

Kyle hat richtig erkannt, dass der bedingungslose Fokus auf die Produktqualität gleichermaßen Stärke und Schwäche ist. Einerseits bekommt  ProjectionLab damit viel Anerkennung und in der Folge Weiterempfehlungen innerhalb der FIRE-Community. Der Entwickler ist in Podcasts zu Gast und kann zurecht stolz auf sein Produkt sein.

Andererseits scheinen sich Reichweite und Nutzerschaft des Online-Tools bis heute auf den harten Kern einer sehr spezifischen Community zu beschränken. Und das bei einem Produkt, was nahezu jeden Erwachsenen zur potenziellen Zielgruppe zählt. Würde Kyle ein wenig mehr Zeit in die Marketing-Seite stecken – etwa in SEO-optimierte Landing Pages mit kostenlosen Online-Rechnern, die bei Google monatlich zehntausendfach gesucht werden, und in verwandte Info-Artikel -, könnte das Nutzerbasis und Einnahmen exponentiell steigern.

Aktuell keine 1.000 Google-Besucher pro Monat (!) für projectionlab.com (Grafik: ahrefs.com)

Der Charme in einem solchen SaaS-Business ist die hohe Rohmarge und eine extreme Fixkostendegression. 10.000 statt 1.000 zahlende Benutzer entsprechen nahezu einer Verzehnfachung des Gewinns, weil pro Benutzer kaum zusätzliche Kosten anfallen (etwas Server, etwas Support). Vor allem, wenn die Benutzer über organischen Search-Traffic gewonnen werden, was aktuell noch überhaupt nicht der Fall ist.

Während das Business-Modell von Kyle skaliert, gilt das für seine Zeit nicht gleichermaßen. Sowohl bei der Software-Entwicklung als auch bei der Content-Produktion werden KI-Tools dem Entwickler sicherlich Arbeit abnehmen können. Für repetitive Tätigkeiten könnte trotzdem eine Auslagerung – im ersten Schritt zu Freelancern – eine lohnende Option sein. Und wenn Kyle von nun an ProjectionLab als Geschäft betrachtet und führt und nicht als Spaßentwicklung für sich selbst, wird er sich sicherlich auch noch mehr mit einer Kündigung seines Vollzeitjobs auseinandersetzen.

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