Würdest du dich als perfektionistisch bezeichnen? Ich mich schon. Woran ich das merke?
Kurz vor dem Abitur nahm ich Nachhilfeunterricht in Mathe, um von einer guten 3 wieder auf eine 2 zu kommen. Zum Feinschliff von PowerPoint Präsentationen im Studium wurden die Nächte zu Tagen gemacht.
Damit im Urlaub alles perfekt ist, wird wochenlang recherchiert, verglichen, wieder verworfen und am Ende geht es doch in das zu Beginn ausgewählte Hotel. Diesen Perfektionismus übertrug ich auch auf mein Umfeld.
Das war vor meinem Auslandsaufenthalt.
In diesem Beitrag sage ich dir, wieso dich Perfektion ausbremst und gebe dir noch dazu Tipps, wie du deine Alles-oder-nichts-Mentalität zukünftig ein bisschen mehr im Zaum halten kannst. Und dafür musst du gewiss nicht bis ans andere Ende der Welt reisen.
Warum dich Perfektion beim Schreiben ausbremst
Das soll nun nicht heißen, dass ich meinen Perfektionismus zu 100 % abgelegt hätte. Wie ich hier gerade diesen Beitrag zur aktuellen Artikelserie „Wie du Web-Texte schreibst, aber richtig!“ verfasse, fällt es mir schwer, einfach so meine Gedanken niederzuschreiben. Sobald ich einen Absatz geschrieben habe, könnte ich ihn sofort überarbeiten und frage mich, ob der Inhalt wohl deinen Ansprüchen genügen wird.
Doch grundsätzlich sehe ich die Welt heute ein bisschen anders. Ich habe bei meinem Auslandsaufenthalt so viele Dinge gesehen und erlebt, die nicht perfekt waren oder perfekt abgelaufen sind. Und dennoch war ich absolut zufrieden, habe mich stets wohl und immer sicher gefühlt. Man könnte sagen: Ich bin ruhiger geworden. Und selbstbewusster.
Die gute Seite ist: Das Streben nach Perfektion trägt erheblich dazu bei, dass wir nicht ständig auf der gleichen Stelle trampeln, sondern uns weiterentwickeln. Dazu legen wir die Messlatte jedes Mal ein Stückchen höher. In einem gesunden Maß.
Doch übertreiben wir es mit der Alles-oder-nichts-Mentalität, wird die Angst zu versagen zu einem dauerhaften Begleiter.
Na klar. Du und ich – wir haben auch Angst, Fehler zu machen. Angst davor, dass dem Leser unsere Texte nicht gefallen oder gar Angst davor, dass der Leser unseren Text völlig ablehnt und einen fiesen Kommentar unter dem Beitrag hinterlässt.
Anstatt unsere Gedanken in einem Schwall herunter zu schreiben, lesen wir sofort das, was wir soeben geschrieben haben. Wir korrigieren, verwerfen, schreiben neu, verwerfen wieder und so weiter und so fort. Ein ewiges Überarbeiten. Bis wir endlich zwei ordentliche Absätze aufs Papier gebracht haben, mit denen wir tatsächlich zufrieden sind, vergehen zuweilen Stunden.
Perfektionismus beim Schreiben bremst uns aus. Nicht nur, dass es ewig dauert bis der Text fertig wird. Viel schlimmer ist doch, dass wir sehr viel unserer wertvollen Zeit ausschließlich in das Schreiben investieren.
Ohne Frage: Unsere Inhalte sind von elementarer Bedeutung. Liefern wir keinen Mehrwert, wird sich die Anzahl unserer Leser über kurz oder lang stark reduzieren.
Selbständig im Netz zu sein bedeutet doch aber viel mehr. Du musst dich mit weit mehr Themen auseinandersetzen als nur mit guten Inhalten. Vermarktung, Website-Optimierung, Usabilty, SEO-Strategien, Social Media Marketing, Maßnahmen zur Kundengewinnung und -bindung, Geld verdienen, Newsletter, Verwaltungskram, Networking, persönliche Absicherung usw.
Du siehst: Eine erfolgreiche Website zu betreiben ist mehr als nur einen Artikel zu schreiben und auf das Veröffentlichen-Knöpfchen zu drücken.
Lass dich also nicht von deiner Angst lähmen, wenn dir das Beste mal wieder nicht gut genug erscheint. Über Geschmack lässt sich nun mal nicht streiten. Jeder hat seinen. Da nützt noch so viel Perfektionismus nichts. Irgendjemanden wird es immer geben, der mit dir nicht einer Meinung ist.
Wie du deine Alles-oder-nichts-Mentalität im Zaum halten kannst
- Behalte dein komplettes Business im Auge
…und eben nicht, wie eben beschrieben, nur deinen Content. Als Selbständige(r) musst du all die Stellschrauben im Blick behalten, die dein Business voranbringen. Verliere dich also nicht zu sehr in den Details. - Vergleiche dich nicht mit anderen
Überlege dir lieber, wo deine eigenen Fähigkeiten liegen. Was fällt dir leicht? Worin bist du richtig gut? Was macht dir Spaß? Konzentriere dich darauf. Es bringt nichts, Perfektionist in Bereichen anderer sein zu wollen. Hier wäre der Aufwand einfach unangemessen groß. Lieber ein “Fachidiot” auf deinem eigenen Gebiet sein. - Bleib realistisch
Einen Fehler zu machen ist keine Katastrophe. Auch, wenn dir deine bunte Fantasie ab und an anderes berichtet. Mal ehrlich: Was soll denn schon passieren, wenn du mal einen weniger guten Beitrag veröffentlichst? Nicht abreißender Shitstorm in deinen Kommentaren, per E-Mail und in einschlägigen Foren? Wohl kaum. Bleib realistisch. - Rechne damit, Fehler zu machen
Dann gehst du auch entspannter damit um. Schließlich lernst du aus deinen Fehlern und wirst es beim nächsten Mal besser machen. Nullfehlertoleranz habe ich persönlich nur bei Piloten, meinem Arzt und dem meiner Katze. Das war’s dann aber auch schon. Der Rest, also du und ich, dürfen Fehler machen. - Lerne mit Kritik umzugehen
Kritik ist schwer zu ertragen. Ich weiß. Doch auch Perfektion wird dich nicht davor schützen. Auch wenn du meinst, dein Text wäre perfekt, kann es immer jemanden geben, der dir das Gegenteil sagt und deinen veröffentlichten Beitrag gnadenlos zerfleischt. Wir können es eben nicht allen recht machen und müssen das auch nicht. Wichtig ist, dass du dir das zu Herzen nimmst, was wirklich relevant ist. Denn manche Kritik ist tatsächlich Gold wert. Den Rest kannst du auch getrost ignorieren. - Verinnerliche die 80/20 Regel
Wusstest du, dass man in nur 20% seiner Zeit 80% der Ergebnisse erwirtschaften kann? Das besagt zumindest diese Regel. In der Praxis kann die Verteilung natürlich noch etwas anders aussehen. Also nimm es bitte nicht zu genau. Häufig ist es aber wirklich so, dass bestimmte Arbeiten einen großen Teil zum Gesamtergebnis beitragen während andere das Ergebnis nur wenig beeinflussen. Und diese Erkenntnis ist wichtig. Dich in Kleinigkeiten zu verstricken, ist also den Aufwand unter Umständen nicht wert. - Entspann dich und mach einfach
Wer hätte wohl Amerika entdeckt, wenn Columbus keinen Fehler gemacht hätte und an seinem eigentlichen Ziel, Indien, angekommen wäre? Alles klar? Entspann dich und leg einfach mal los. Oder mach doch mal eine Pause. Das kann dich auch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.
Fazit
Ein wichtiger Schritt, um deine Alles-oder-nichts-Mentalität im Zaum zu halten, ist zu erkennen, dass die Erwartungen an einen selbst oder auch an andere möglicherweise unrealistisch hoch oder absolut unzumutbar sind.
Besser geht immer. Ja, klar. Das ist so. Aber ist es wirklich notwendig? Ich denke nicht.
Im Gegenteil: Es sind weder 120% noch 150% nötig. Damit möchte ich dir nicht sagen, dass du in Zukunft nur noch halbe Sachen machen sollst. Ebenso wie Peer glaube ich einfach mittlerweile daran, dass es ausreicht, ein gutes oder sehr gutes Ergebnis abzuliefern und nicht ein perfektes Ergebnis. Dein Text ist ohnehin (für dich selbst) nur so lange perfekt bis er auf die Praxis trifft. Auf deinen Leser. Und genau hier reichen meistens 80% oder 90% völlig aus, um zu gefallen. Feinarbeiten rauben dir die Zeit und führen am Ende nicht einmal zu einem entscheidend besseren Ergebnis.
Hör endlich auf, den Rasen mit der Schere zu stutzen. Dein Ziel sollte sein, gute Texte zu schreiben. Das reicht völlig aus, um sich der Online-Welt inklusive den möglichen Kritikern zu stellen.
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Das trifft wohl auf die meisten Gelegenheiten zu, ob im Leben oder als Blogbetreiber. Dennoch gibt es, meiner Meinung nach, Situationen da hat man nur eine Möglichkeit, und da muss man präzise sein.
Als Blogbetreiber habe ich ja viele Chancen und nicht perfekte Texte und Qualität geht im Gesamtrauschen unter.
Darf ich auf eine immer vernachlässigte Tatsache hinweisen: Die Paretoperfektion! Ich gehöre selbst zu denen, die Ihre Inhalte viel zu oft ändern und QS viel zu ernst nehmen, wo nicht einmal die SZ eine Qualitätsprüfung anstrebt. Was ist Paretoperfektion? Die wirkliche Perfektion liegt in dem Parentoprinzip, nämlich dem 80:20 Ansatz. Das ist so, weil ein 100% Ansatz immer nur aus einer Richtung gedacht 100% erreicht. Wesentlich flexibler ist ein 80%´iges Ergebnis, welches noch Flexibilität offen lässt. Es lässt auch zu, dass man in seinem Blog (als Beispiel) einen Gedankenprozess offen formulieren kann und dieser damit auch nachvollziehbarer wird. In diesem Zusammenhang ist übrigens 100% utopisch und unmöglich!!! Und jede Annäherung über 80% hinaus eher schädlich.
Achja..lernen muss ich das auch noch und ich setze den Maßstab für jedes Projekt separat fest. Da gibt es den persönlichen Blog mit 80% und den Firmenblog mit 90%. Alles andere liegt dazwischen.
Danke für den Hinweis. Die Paretoperfektion kannte ich nicht.
Perfektion zu definieren ist eine geniale Sache. Oft ist ja das Problem dass man nicht mal selber weiß wie perfekt aussieht. Man weiß aber wie noch nicht perfekt aussieht. Und so kann man, wie im Artikel bereits gesagt (Danke für den Artikel!), einer unmöglichen Perfektion entgegen streben. Dabei viel Zeit verlieren. Und obendrauf noch unglücklicher werden (ja, Perfektionisten sind unglücklicher als die Anderen, zumindest sagen das Studien).
Also definiert euer perfekt neu. Flexible 80% sind ein guter Anfang. =)
Ich halte die Wahrscheinlichkeit, noch ein neues Land zu entdecken zwar für mehr als gering, aber gegen temporäre Entspannung und “mach einfach” ist ja nichts zu sagen. 😉
In diesem Artikel habe Ich mich wiedererkannt. Ich bin auch ein kleiner Perfektionist. Bis Ich einen Artikel fertig habe, dauert es ewig. Das nervt schon ein bisschen aber es ist an manchen Stellen auch sehr hilfreich.
Man muss einen guten Mittelweg finden. Ich persönlich würde auch ein bisschen weniger Perfektionismus vertragen…
Vielen Dank für diesen hilfreichen Artikel.
Ich finde, solange man seinem eigenen Stil treu bleibt, bekommt der Text automatisch eine feine Note. Vorausgesetzt, Rechtschreibung und Grammatik wurden berücksichtigt. Als selbstständige Texterin bekomme ich die abstrusesten Anfragen – jeder will im Content-Bereich der Beste und Ausgefallenste sein. Dabei lässt sich das Rad nicht neu erfinden, Buchstaben formen sich, Sätze bilden sich. Und die müssen den Leser mitnehmen. Der Leser merkt genau, ob jemand Unsinn schreibt, besonders hochtrabend textet oder sich wirklich mit seinem Thema auseinandersetzte. Wer sich also echt mit der Thematik befasste, schreibt automatisch mit Mehrwert.
In diesem Artikel finde ich mich zu 100% wieder! Manchmal frage ich mich, ob es nicht schon was Zwanghaftes hat, wie oft ich das, was ich niederschreibe, redigiere und auf Rechtschreib-, Grammatik und Zeichensetzungsfehler kontrolliere. Von den Formulierungen ganz zu schweigen … Ein bisschen etwas davon könnte ich schon ablegen, ohne dass meine Texte nicht mehr lesbar sind, stimmt.
So, dieser Kommentar war jetzt einer, den ich nur zweimal überflogen habe, und ich denke, dass ich mit ihm einigermaßen zufrieden sein kann. 🙂
Vielen Dank für die Inspiration
Tom