Tipps für die Gründung mit der Lean Startup-Methode

Angehende Gründer mit einer tollen Idee im Kopf stellen sich oft die Frage, wie sie ihre Idee umsetzen können und welche Methodik sie bei der Umsetzung anwenden sollten.

In diesem Artikel wird die Lean Startup Methode vorgestellt und Erfahrungen aus dem Launch eines Online-Portals geteilt.

Kernpunkt der Methode ist es, mit wenig Kapitaleinsatz schnell und mit einer schlanken Lösung an den Markt zu gehen, früh Erfahrungen zu sammeln und sofort in das Produkt einfließen zu lassen. Das ist erfolgsversprechender, als mit einer langen Konzeptions- und Implementierungsphase anzufangen.

Die Lean Startup Methode

Die Methode wurde originär im Jahr 2008 von Eric Ries im Silicon Valley erfunden und in seinem Blog Startup Lessons Learned erwähnt.

Mittlerweile erfreut sich die Methode weltweit bei Start Up’s und (High-)Tech-Firmen sehr großer Beliebtheit. Die Vorteile der Methode liegen auf der Hand: Schnelligkeit und Nutzerorientierung.

Im Fokus steht die Frage:

Wie gründe ich schnell, mit wenig Kapitalaufwand und höchstmöglichem Erfolg ein Unternehmen?

Diese Frage sollte zu Beginn eines Gründungsvorhabens stehen. Ein möglichst geringer Kapitalaufwand, kurze und iterative Prozesse in der Entwicklung des Produktes sowie ein kontinuierliches Nutzerfeedback im Sinne des sog. ‚Minimum Viable Product‘ (MVP) sind nur einige der wichtigsten Eckpfeiler schlanker (engl.: lean) Gründungen von Start-Up‘s.

Ziel ist es, zu identifizieren, welche Bedürfnisse die eigene Zielgruppe tatsächlich hat. Dies wird erreicht durch gezieltes Testen der zentralen Hypothesen, die für den Erfolg des Produkts elementare Faktoren darstellen.

Dadurch ist es möglich, Anpassungen schnell vorzunehmen und – sofern nötig – eine leicht korrigierte oder auch eine komplett neue Richtung einzuschlagen. Durch ‚validiertes Lernen‘ ist es Gründern somit möglich, ihre Entscheidungen auf Basis von Erfahrungswerten und Daten zu treffen, anstatt lediglich Vermutungen anzustellen und sich auf Bauchgefühle zu verlassen.

7 Schritte zum eigenen Lean Startup

Natürlich ist die Gründung eines Start Up’s und dessen Planung eine hoch-individuelle Angelegenheit. Trotzdem wollen wir versuchen, die aus unserer Sicht wichtigsten Schritte möglichst allgemein aufzustellen, damit ein angehender Gründer daraus seinen eigenen Plan entwickeln kann. Im Folgenden zeigen wir unsere konkreten Erfahrungen auf:

  1. Skizziere deine Idee und dein Business-Modell.

    Nicht in prosa, auch nicht in Form eines Pflichtenhefts oder ausgefeilten Konzepts. Eher Stichpunkt-artig und auf PowerPoint-Folien.

  2. Identifiziere einige (vertrauenswürdige) potenzielle Kunden/ Branchen-Insider und diskutiere deine Idee mit ihnen.
  3. Nimm das Feedback auf und nimm es ernst. Abstrahiere tatsächliche Problemstellungen der Kunden, verfeinere deine Idee und entwickle Lösungsansätze.

    Ändere Annahmen, nimm Anpassungen am Erlösmodell vor oder ergänze Vertriebsideen, sofern nötig – das ist jetzt in PowerPoint noch sehr einfach.

  4. Validiere auch diese Änderungen
    (Schritt 2 wiederholen).
  5. Implementiere schnell, kostenbewusst und in kleinen Schritten.

    Das Ergebnis sollte ein MVP sein, also ein Produkt mit minimalem Umfang, das „gerade noch“ funktionsfähig ist und seinen Zweck erfüllt.

  6. Launche dein MVP. Gewinne Daten und Erkenntnisse. Miss die Akzeptanz-/Conversion Rate.

    Leite daraus die nächsten Schritte und z. B. Funktionen/ Features des Produkts ab.

  7. Implementiere die nächsten Funktionen und release sie. Anschließend Schritte 6 und 7 wiederholen, bis das perfekte Produkt ohne Verbesserungsmöglichkeit entstanden ist (also nie).

    Wegen genau dieser kurzen Release-Zyklen eigenen sich agile Vorgehensmodelle in der Softwareentwicklung (wie etwa Scrum mit kurzen Sprints) hervorragend für den Lean Startup Ansatz.

Diese Schritte sind zugegebenermaßen sehr allgemein. Deswegen möchten wir kurz am Beispiel unseres Startups vorstellen, was wir tun und wie wir bisher vorgegangen sind.

Gründung des Vergleichsportals 24h-Pflege-Check.de

Wie der Name bereits sagt, ist unser Portal ein Vergleichsportal zur 24h-Pflege und -Betreuung.

Dieses Thema hat in letzter Zeit stark an Verbreitung gewonnen, denn die Betreuung durch eine 24h-Pflegekraft bietet Vorteile gegenüber anderen Betreuungsformen wie bspw. ein weiteres Wohnen daheim in vertrauter Umgebung.

Der Markt ist jedoch noch jung und sehr unübersichtlich – hier schafft das Portal www.24h-Pflege-Check.de Transparenz für suchende Angehörige, z. B. durch

Erlöse werden durch die Vermittlung an Angebotsanfragen von Endkunden an 24h-Pflege-Anbieter sowie Premium-Profile erzielt (Freemium-Modell).

Unsere Learnings: Do’s and Dont’s bei der Gründung mit Lean Startup

Durch die Anwendung der Methode wollten wir vermeiden, viel Zeit und Geld zu investieren, um am Ende festzustellen, dass wir das ‚falsche‘ Produkt entwickelt haben.

Wir wollten denkbar einfach und gleichzeitig äußerst effizient gründen. Wie wir das mit unserem Portal – Stand heute – ganz ordentlich hinbekommen haben, möchten wir gerne teilen.

Do’s:

  • Lernen vor Implementieren: Zu Beginn stehen Fragen wie „Wer sind meine Kunden?“ und „Was sind die Probleme und Wünsche?“ Erst nach Klärung dieser Fragen sollte die Implementierung beginnen. Wir haben deshalb zu Beginn mit vielen pflegenden Angehörigen gesprochen und festgestellt, dass es tatsächlich keine zentrale und unabhängige Online-Anlaufstelle gab und speziell unsere Idee einer Anbieter-Datenbank samt Bewertungen für sehr nützlich empfunden wurde.
  • Schnell implementieren: Zeit ist Geld! Die Nutzung agiler Methoden wie Scrum kann eine schnelle, am Nutzer ausgerichtete Umsetzung unterstützen und ermöglicht kurze und iterative Prozesse in der Produktentwicklung. Schnell ist dabei natürlich immer relativ – insbesondere bei einem kleinen Team wie unserem. Deshalb haben wir in der heißen Phase vor dem Go-Live auf Unterstützung durch Freiberufler zurückgegriffen. Hierbei sollte man Koordinations- und Abstimmungsaufwände nicht unterschätzen.
  • Testen der wichtigsten Funktionen: Konzentration auf das Wesentliche! Das frühe Testen der wichtigsten Funktionen und Hypothesen ist ein Erfolgsfaktor. Die Hypothesen werden in einem Framework zusammengefasst und kontinuierlich angepasst. Wir haben hierfür den Business Model Canvas genutzt. Untersucht werden Kundensegmente, Kundennutzen, Produktvarianten, Erlösmodelle, Kosten, Key Partner, Vertriebswege, Servicestrukturen usw.
    Sind die Kunden beispielsweise organisiert, etwa in einem Verband oder auch nur in Stammtisch-Runden? Solche Veranstaltungen eignen sich hervorragend, um die eigene Idee zu diskutieren und wertvolles Feedback zu erhalten (siehe oben, Schritt 1).
  • Strebe einen schnellen Go-Live an, bei dem nicht alles perfekt sein muss. Dass gewisse Funktionen noch nicht umgesetzt sind oder einen manuellen Prozess nach sich ziehen, weiß der Nutzer nicht und empfindet es deshalb auch nicht als ‚schlimm‘ – natürlich im Gegensatz zu den Gründern.
  • Schneller Roll-Out des Vertriebs: Der Roll-Out des Vertriebs in einer frühen Phase führt zu einer steilen Lernkurve und kann dazu beitragen, bereits vor dem Go-Live erste zahlende Kunden zu haben. Auch das hatten wir geschafft und zählten bereits vorher eine Handvoll zahlender Anbieter zu unseren Kunden.
  • Fail fast: Wenn eine Idee bzw. ein Produkt vom Markt nicht angenommen wird, ist es hinsichtlich einer Risikominimierung sinnvoll, diese Erkenntnis früh zu erlangen und die weitere Produktentwicklung frühzeitig einzustellen oder das Produkt anzupassen.

Dont’s:

  • Fokussierung auf Kundenprobleme: Frage Kunden primär nach Problemen, nicht ausschließlich nach den Wünschen!
  • Versäumter Kurswechsel: Sei nicht zu stolz auf Deine Idee! Ideen klingen in der Theorie für den Gründer selbst meist unschlagbar gut. Das deckt sich oftmals nicht mit der Praxis. Deshalb starte mit dem Problem der Kunden bzw. Nutzer und korrigiere ggf. Partialmodelle des Geschäftsmodells (Pivoting). Das ist außerordentlich wichtig. Wir haben noch vor der ersten Programmierung mit einigen Anbietern über unsere Idee anhand von ersten Screens und Wireframes diskutiert und so tatsächlich Änderungen am Erlösmodell vorgenommen (u. a. flexible Abnahme von Leads anstatt fixe Abnahmemengen).
  • Gewinne Influencer und aktive Kunden: Kunden mit einem großen Netzwerk können sehr hilfreich sein. Solche Referenzkunden machen das Produkt nicht selten attraktiv für weitere Kunden. Deshalb konzentriere Dich zu Beginn auf Influencer! Mache Deine Kunden zudem zufrieden, sodass Dein Produkt regelmäßig aktiv genutzt und weiterempfohlen wird.
  • Keine Angst zu scheitern: Habe keine Angst vor dem Scheitern Deiner Idee! Statistisch betrachtet, ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns wesentlich größer, als erfolgreich zu sein. Du wärst also nicht alleine. Also: the faster you fail, the better!
  • Den Elfenbeinturm verlassen: Verschwende nicht Monate auf klassische Marktforschung, sondern betreibe Marktforschung direkt mit potenziellen Kunden und Nutzern. Nimm Dir regelmäßig etwas Zeit und lade relevante Nutzer zum Testen ein. So erhälst Du ein kontinuierliches Nutzerfeedback im Sinne des Minimum Viable Product (MVP).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass für uns im Mittelpunkt die Devise „Build – Measure – Learn“ stand. Unser Produkt wurde iterativ entwickelt und gestaltet sowie schnellstmöglich zum Go-Live gebracht. Ziel war und ist es, aus dem regelmäßigen Feedback der sog. ‚Early Adopter‘ Rückschlüsse für die weitere Produktentwicklung und ggf. Umgestaltung ziehen zu können.

Der frühe Kontakt mit potenziellen Kunden erhöht den Erkenntnisgewinn enorm und senkt das Risiko des Scheiterns bereits auf der ‚grünen Wiese‘. Als Nebeneffekt zeigt sich, dass ein potenzieller Kunde viel wahrscheinlicher eine Leistung in Anspruch nimmt, wenn er weiß, dass seine Ideen und Anforderungen eingeflossen sind.

Wichtig ist aus unserer Sicht zudem, früh die Systemauswahl richtig zu treffen. Die Verwendung von Open Source-Software ist häufig eine interessante Mischung aus Geschwindigkeit und Kosten. Ein Blick über den Tellerrand hinaus (was wird in Schritt 2, 3 und 4 wichtig) hilft, das richtige Tool zu wählen.

In unserem Fall ist es die das Java-basierte OpenSource-System Apache OFBiz geworden, weil es gute Möglichkeiten bietet, die weiteren Features einzuführen und möglichst viele Prozesse automatisierbar sind, z.B. die Anfragen-Verteilung.

Autoren

Dr. Christian Holsing und Sebastian Leitner sind die Gründer von 24h-Pflege-Check.de. Beide haben einen langjährigen Hintergrund als Berater im E-Commerce, Marketing und IT. Nach einigen Berührungspunkten mit dem Thema Pflege daheim kam die Idee zu einem Online-Vergleichsportal für 24h-Pflege und Betreuung daheim.

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Peer Wandiger

2 Gedanken zu „Tipps für die Gründung mit der Lean Startup-Methode“

  1. Ein super Artikel – meine ersten Gründen haben immer viel zu lange in der Vorbereitung gesteckt bevor tatsächlich etwas umgesetzt wurde. Teilweise über mehr als 10 Monate am Business Plan gearbeitet bevor tatsächlich etwas gebaut wurde, nur um dann zu lernen, dass der Markt dafür nicht da ist. Unser drittes Startup setzt genau da an: Build Me This App (buildmethisapp.de) erlaubt es Gründer per Chat sofort eine Preiseinschätzung für ihre Idee zu bekommen. Dadurch lassen sich Ideen wesentlich schneller umsetzen und testen – absolut entscheidend für den Erfolg einer Idee oder die Veränderung in eine Richtung die erfolgsversprechender scheint.

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