Deutsche Internet-Startups ohne Chance?

Vor ein paar Monaten hat der deutsche Online-Service Contaxe bekannt gegeben, dass man aufgibt.

Google sei daran Schuld hieß es und generell hätten deutsche Startups gegen den Internet-Riesen keine Chance.

Ist es wirklich so, dass deutsche Online-Startups keine Chance haben?

Deutsche Internet-Startups ohne Chance?

Auch wenn z.B. Berlin mittlerweile als international wichtiger Internet-Startup-Standort gilt, so kämpfen viele Startups in Deutschland dennoch mit größeren Hürden, als ihre internationalen Kollegen.

Dazu gehören unter anderem die folgenden Dinge:

  • Das Thema Datenschutz wird in Europa und besonders in Deutschland groß geschrieben. Das ist natürlich grundsätzlich nichts schlechtes, aber gerade Online-Startups müssen hier viele Vorschriften einhalten, um die sich z.B. amerikanische Startups nicht kümmern müssen. Zumindest nicht in der Menge.

    Update: Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, scheinen die Datenschutz-Bestimmungen in den USA doch um einiges strenger zu sein, wie man auf tecreflex.de lesen kann. Das bringt aber wenig, wenn sich große Konzerne da einfach drüber wegsetzen können.

  • Die Reichweite ist ebenso ein Problem. Die deutschsprachige Zielgruppe liegt insgesamt vielleicht bei 100 Millionen Menschen. Englischsprachige Startups haben da eine deutlich höhere potentielle Zielgruppe. Entsprechend höher sind da natürlich auch die Einnahmemöglichkeiten.
  • Generell ist die Akzeptanz von Internet-Startups im Ausland oft höher, als in Deutschland. Sicher hat es da in den letzten Jahren auch Verbesserungen gegeben, aber die Selbstverständlichkeit wie in anderen Ländern ist hier noch nicht vorhanden.
  • Nicht unterschätzen sollte man auch die Bürokratie in Deutschland. Ein richtiges Startup kann man nun mal nicht aus der Garage starten und selbst das wäre in Deutschland wohl nicht erlaubt. Wer dazu noch Personal einstellt, hat sehr viel Papierkram zu erledigen.
  • Stichwort Personal. Ab dem kommenden Jahr gilt der Mindestlohn in Deutschland und gerade für Startups, die noch gar kein Geld verdienen, ist das sicher nicht optimal.

Online gescheitert

Beispiele für gescheiterte Online-Startups /Online-Services gibt es viele.

So z.B. das schon erwähnte Contaxe, die nach eigenen Angaben gegen Google keine Chance hatten, u.a. weil Contaxe sich an deutsches Recht halten musste und Google das egal ist.

Auch das ehemals recht erfolgreiche Social Network StudiVZ ist nach recht erfolgreichen Jahren mittlerweile in der Versenkung verschwunden. Facebook hat hier alles platt gemacht.

Das Netzwerk ‘Wer kennt wen’ hat erst vor kurzem den Betrieb eingestellt. Auch hier hat es sich wegen zu geringer Nutzerzahlen wohl nicht mehr gelohnt.

Diese Statistik zeigt, dass eigentlich nur ein deutsches soziales Netzwerk erfolgreich ist.

zur Statistik

Die Liste der gescheiterten Online-Startups aus Deutschland ist lang. Warum das aber kein Grund zum Jammern ist, erläutere ich weiter unten.

Erfolgsgeschichten

Allerdings gibt es auf der anderen Seite auch viele Erfolgsgeschichten.

So z.B. Das Business-Netzwerk XING, welches sich entgegen dem Trend etabliert hat und sogar eine gute Einnahmequelle erschlossen hat.

Viele andere Internet-Startups, wie Spreadshirt , SoundCloud, Zalando, 6wunderkinder, Trademob und andere hatten nicht nur in Deutschland Erfolg, sondern auch international.

Schaut man sich z.B. die SEO-Tool-Anbieter wie SISTRIX oder OnPage.org an, so setzen diese sogar Trends, die von amerikanischen Firmen nachgeahmt werden.

Und es gibt ständig neue deutsche Internet-Startups (weitere Beispiele), die versuchen national und international Erfolg zu haben.

Startups/Unternehmen scheitern

Scheitert ein Online-Business ist es leicht die Schuld bei anderen zu suchen. Das bedeutet natürlich nicht, dass andere keine Schuld haben, aber in der Regel hat die Medaille immer 2 Seiten.

Die grundlegende Wahrheit ist zum einen, dass Startups scheitern. Das ist nun mal so. Jede Gründung ist ein Risiko und ein gibt keine Garantie auf den Erfolg. Egal wie viel man plant, es gibt immer Unwägbarkeiten, die man versuchen muss zu überwinden. Das klappt aber eben nicht immer.

Jedes Jahr gibt es in Deutschland um die 30.000 Unternehmens-Insolvenzen und darunter sind viele Startups.

zur Statistik

Es ist relativ normal, dass Unternehmen scheitern. Das ist Marktwirtschaft.

Aber natürlich sollte man bei jedem Fall genauer hinschauen. Komplett kann man die Argumente, z.B. von Contaxe, nicht von der Hand weisen. Allerdings ist es ja gerade die Kunst von Gründern, in den gegebenen Rahmenbedingungen, gerade wenn sie schlecht sind, das Beste raus zu holen.

Hier gilt es Nischen zu finden, die Erfolg versprechen und wenig Konkurrenz haben (blaue Ozeane) und in denen man sich eben nicht der Konkurrenz großer Konzerne aussetzt (rote Ozeane). Hierzu empfehle ich das Buch Blaue Ozeane, welches genau diese Markt-Findung thematisiert.

Fazit

Es ist für deutsche Startups sicher nicht einfach erfolgreich zu sein, ganz besonders gilt das natürlich für den internationalen Markt.

Dennoch gibt es vielen positive Beispiele, die meiner Meinung nach zeigen, dass es auch deutsche Internet-Startups schaffen können.

Man sollte immer erstmal an sich selbst arbeiten, statt die Schuld ausschließlich woanders zu suchen.

Was ist eure Meinung?

Haben deutsche Startups international eine Chance?

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Natürlich freue ich mich auch über eure Meinung in den Kommentaren.

Peer Wandiger

15 Gedanken zu „Deutsche Internet-Startups ohne Chance?“

  1. Ich bin schon der Ansicht, dass man auch in Deutschland mit dem richtigen Start-Up Erfolg haben kann. Allerdings hat man hierzulande auch einige Nachteile. Die Sprache hast du schon angesprochen. Mit Deutsch erreichst du Österreich, Deutschland und die Schweiz. Das wars. Englisch ist eben die Weltsprache. Des Weiteren finden beispielsweise amerikanische Jungunternehmer deutlich einfacher Investoren als hier in Deutschland. Amerika ist demgegenüber einfach lockerer eingestellt. Dort ist man fest der Meinung, dass man es vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann, wenn man nur den Willen und die Überzeugung und das Talent hat. Und zum Schluss: Ich glaube den Deutschen fehlt oftmals der Mut ein StartUp zu gründen, obwohl viele gute Ideen hätten. Aber die Angst zu scheitern ist groß. Größer als in Amerika oder woanders.

  2. Hi Peer, meinen bescheidenen Senf möchte ich hier einmal dazutun: Ich bin ganz bei dir, wenn du sagst, dass es Vor- und Nachteile hat, im deutschsprachigen Raum zu gründen. Und das bei fast jedem Argument: So ist z. B. die Marktgröße gleichzeitig Nachteil (weniger Potenzial) und Vorteil (=auch weniger Konkurrenz). Das Problem würde ich bei vielen Gründern eher bei ihnen selbst suchen. Mir kommt vor, dass viele sich eine Idee in den Kopf setzen und dann diese um jeden Preis durchziehen zu wollen, anstatt sich Adaptionen zum Zwecke des Erfolgs durchzuführen. Vielleicht gibt es einen “verwandten” Mehrwert der eigenen Idee, der sich besser zu Geld machen kann – dafür braucht es aber Offenheit. Nichtsdestotrotz möchte ich natürlich nicht ausschließen, dass vielleicht der ein oder andere tatsächlich die Schuld bei der (übermächtigen) Konkurrenz suchen kann, darf und muss…
    LG Manuel

  3. @ Geld schläft nicht – Blog:

    Du sprichst meiner Meinung nach den springenden Punkt an: Die Investoren sind in Deutschland viel vorsichtiger als in Amerika, wo Venture Capital Geber alles finanzieren was Hände und Füße hat. Aber auch hier sehe ich Verbesserung, zum Beispiel Point Nine Capital oder die VC-Kampagne des Axel-Springer-Verlages.

  4. Guter und gut rechrchierter Artikel Peer.

    Ein sehr auffälliges Problem ist dass deutsche Internet-Startups mit (teils) sehr viel Kapital gegründet, um sehr schnell Erfolg zu haben. Jeder will aus dem Stehgreif sein Amazon gründen. Es sind daher oft teure Team-Projekte mit Konzerndenke statt Entrepreneurs-Babies. – Betriebswirtschaftliche Kennzahlen, Prognosen und Exit-Strategien scheinen wichtiger zu sein als Kunden.

    Neben dem Scheitern an sich spielt auch der erneute Anlauf, der zweite, dritte oder achte Versuch der nicht stattfindet, eine negative Rolle.

    Nicht, dass die Gründer nicht nochmal wollten. Einige könnten schon. Allerdings wirken die Eingangs in Deinem Beitrag aufgezählten Hürden dann ganz besonders hinderlich, da der Verwaltungsaufwand nochmals steigt.

    Andererseits spielt der gesellschaftliche Gesichtsverlust in Deutschland eine weit gewichtigere Rolle als in z.B. in den englischsprachigen Ländern. – Und dort können auch deutsche Startups erfolgreich sein, vorausgesetzt, das Know-How, die Einstellung zum Gründen wird hierzulande vermittelt. Leider passiert oft das Gegenteil.

    Auch Manuel Diwosch’s Kommentar stimme ich in jedem Punkt zu.

  5. Deutsche Internet-Startups haben nicht nur eine Chance sondern sogar klare Vorteile. Sicherlich ist der englischsprachige Raum deutlich größer und die Bürokratie in Deutschland kann auch mal nerven. Jedoch überwiegen die Vorteile meiner Meinung nach. Denn Bürokratie ist keine Schikane sondern macht meistens Sinn. Und die in den USA erfolgreichen Geschäftsmodelle lassen sich in Deutschland meistens mit nur wenig Anpassungen adaptieren. Man muss in der Regel keine neuen Geschäftsmodelle erfinden und kann die aus den USA kopieren. Dies minimiert das eigene Risiko und man kann sehr sichere Modelle umsetzen. Aber auch hier gilt ohne Fleiß kein Preis 🙂

  6. @TecReflex:
    Stimmt, auch in Deutschland gibt es Anfänge. Aber es steckt noch in den Startlöchern fest. Ein guter Freund von mir plant derzeit seine Selbstständigkeit und hat meiner Meinung nach auch eine gute Geschäftsidee inklusive solidem Businessplan. Bislang wurden seine Kreditanfragen von sämtlichen großen Banken abgelehnt. Die Banken in Deutschland sind wirklich gut darin Gründe zu suchen und Berichte zu schreiben, warum sie keinen Kredit vergeben. Ob das jetzt ein Fluch oder ein Segen ist kommt wohl auf die Situation des Einzelnen an.

  7. @ Geld schläft nicht -Blog

    Es gibt ja heutzutage nicht nur Banken. Wenn der Businessplan so gut ist könnte er ja innerhalb der Familie nach Geld Fragen. Auch Zencap oder Auxmoney könnten Helfen. Oder Crowdinvesting-Plattformen wie deutsche microinvest oder companisto etc.

    Ich persönlich kann die Banken verstehen. Die gehen schon ein enormes Risiko ein und heutzutage ist es ein leichtes mal eben in die Privatinsolvenz zu gehen!

  8. Ich verfolge schon seit einiger Zeit die Start-Up-Szene in den USA und hatte mich schon die ganze Zeit darüber gewundert, dass es da so einen großen Unterschied zwischen Deutschland und den USA gibt. Das ist sehr erstaunlich, dass die Deutschen an dieser Stelle so “anders drauf” sind, gerade zu traurig! Der Artikel hat mir gerade einige meiner Fragen beantwortet. Sehr hoffe ich, dass sich die Deutschen an dieser Stelle irgendwann mal ändern und nicht mehr so schrecklich kritisch und negativ sind. Es wird hier Vieles schlecht geredet denke ich.

  9. @Konstantin:
    Klar gehen die Banken ein großes Risiko ein. Wobei man sicherlich jeden Einzelfall bzw. jede Geschäftsidee gesondert betrachten muss. Aber es ist nunmal die ureigenste Aufgabe der Banken, die Wirtschaft mit Geld zu versorgen und Kredite für Unternehmen bereit zu stellen. Die Banken sind hierzulande meiner Meinung nach extrem vorsichtig, wenn nicht sogar zu vorsichtig geworden. Es kann nicht Sinn der Sache sein, dass sich jemand mit einer soliden Geschäftsidee und einem gesunden Maß an Eigenkapital nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten zu deutlich schlechteren Konditionen (insbesondere zu höheren Zinsen) umsehen muss, weil die Banken sich verweigern.
    Grüße

  10. @Erkan:
    Kopieren ist nicht gleich Innovation. Und in Deutschland sind mit dem Klonen amerikanischer StartUps lediglich die Samwer-Brüder erfolgreich. Und auch die haben aktuell Millionen in Unternehmen mit ungewisser Zukunft gepumpt.
    Ich glaube nicht, dass deutsche StartUps Vorteile gegenüber amerikanischen StartUps haben. Schau dir einfach mal die erfolgreichsten Unternehmen an. Apple, Google, Facebook, Twitter oder WhatsApp. Alles aus den USA.
    Grüße

  11. Ich glaube auch, dass wir besser sind als wir uns selbst sehen. Vor allem haben wir einen Sektor, der eher im Verborgenen blüht. Auch in diesem (sehr guten!) Artikel wird auf B2C geschaut. Der unglaubliche Team-Viewer-Deal wird kaum beachtet – aber im B2B-Sektor können wir in den nächsten Jahren richtig abräumen – und da kommen viele Sachen eben nicht aus Berlin (wo icke herbin), sondern z.B. aus dem Ländle.

  12. Erst einmal: Contaxe ist/war doch ein schweizer und kein deutsches Unternehmen. Zumindest ist es laut Impressum in der Schweiz gemeldet.

    Widersprechen muss ich beim Thema Bürokratie. Da geht es uns in Deutschland wirklich noch gut. Ein Gewerbeschein ist keine große Sache und die Buchhaltung bei Einnahmeüberschussrechnung ist auch halb so wild. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in anderen Ländern sehr viel einfacher ist. Und die UG hat inzwischen die englische Ltd. aus Deutschland wieder fast vollständig verdrängt. Das wäre sicher nicht möglich gewesen, wenn sie übermäßig bürokratisch wäre. Und wieso sollte man nicht aus der eigenen Garage gründen können? Hast du nicht selbst von Zuhause aus gegründet und hast auch immer noch ein Büro im eigenen Haus? Welche bürokratischen Hürden sollten ein Startup davon abhalten? Und auch Personal kann nicht so schlimm sein, wenn es Handwerksmeister hin kriegen, Personal einzustellen. Und Mindestlohn ist auch kaum ein Argument, den gibt es in den USA auch. Und er dürfte auch kaum für Startups relevant sein. Die Gründer selbst fallen als Selbstständige nicht darunter und auch ansonsten werden jüngere Menschen, Studenten und Praktikanten eingestellt. Und einen erfahrenen Softwareentwickler wird man auch schon vor dem Gesetzesvorschlag nicht für den Mindestlohn bekommen haben.

    Auf der anderen Seite stehen eine Menge Bemühungen des Staates, um die Gründerkultur zu fördern. Mit EXIST steht ein erstklassiges Stipendium für angehende Gründer zur Verfügung. Der erst kürzlich eingeführte INVEST-Zuschuss hilft Startups, in der Frühphase Geld einzusammeln. Und staatliche Investoren wie die KfW und der HTGF konzentrieren sich speziell auf die Frühphase eines Startups, weil es dort einfach zu wenige private Investoren gibt. Die Business-Angel-Kultur in Deutschland entwickelt sich aber auch so langsam.

    Und auch die eingeschränkte Zielgruppe kann man zu seinem Vorteil nutzen. Das Geschäftskonzept von Rocket Internet basiert ja darauf, erfolgreiche Konzepte aus dem englischsprachigen Raum auf den deutschsprachigen Raum zu übersetzen (böse Zungen sprechen von Kopien erfolgreicher Startups).

    Dass 70-90% der Startups scheitern ist wohl kaum verwunderlich und die Zahlen werden in Amerika nicht viel anders sein.

    Ich glaube daher nicht, dass es in Deutschland sehr viel schwieriger ist. Der einzige Knackpunkt ist die Finanzierung. Es ist nicht so einfach möglich, in der Seedphase schon einfach mal eine Millionensumme einzusammeln. Wer es aber nicht auf explosionsartiges Wachstum anlegt, kommt auch in Deutschland klar.

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