Als Freelancer hat man mit vielen Herausforderungen zu kämpfen, um sich den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.
Über Probleme, Herausforderungen und aktuelle politische Diskussionen führe ich heute ein Interview mit einem Freelancer.
Dieser gibt unter anderem praktische Tipps und stellt sein Projekt für Freelancer vor.
Hallo Jonas. Bitte stell dich meinen Lesern vor.
Mein Name ist Jonas Drechsel. Zum Ende meines BWL-Studiums landete ich 2011 in einer PR-Agentur, bei der gerade der große Social Media-Hype Einzug hielt.
Nach meiner Abschlussarbeit startete ich bei der führenden Agentur für alternative Werbeformen durch: den webguerillas in München. Dort entwickelte ich Konzepte für Social Media Kampagnen einiger Multinationaler Konzerne. Das war alles cool. Aber ich wollte mehr…
Du bist selber Freelancer. Wie bist du dazu gekommen?
Nach meiner Zeit bei den webguerillas wollte ich München hinter mir lassen. Ich besuchte meinen großen Bruder – der selbst seit Jahren freiberuflich Videos dreht – in Berlin. Und wie es der Zufall so will, hatte ich binnen drei Wochen nen umfangreichen Auftrag an Land gezogen: Die Online-Positionierung eines vielfach ausgezeichneten Industriedesigners.
Seitdem bin ich ein Jäger im Freelancer-Dschungel. Manchmal auch ein Sammler. Die dadurch gewonnene Freiheit möchte ich nicht missen.
Wie sieht dein typischer Arbeitsalltag aus und wie kommst du an neue Kunden?
Das ist jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt zu sagen, dass ich mich gar nicht mehr so wirklich als Freelancer sehe, sondern diesen bei der Gestaltung des Arbeitsalltags und der Akquise helfen möchte.
Einige meiner Kunden habe ich im Netz auf gängigen Portalen gefunden – jedoch war die persönliche Empfehlung immer das deutlich wertvollere Tool.
Was genau meinst du mit der drastischen Formulierung “Kreativprostitution”?
Für diese Formulierung haben wir einiges an Kritik geerntet. Andererseits hat der Begriff “Kreativprostitution” auch geholfen eine gewisse Aufmerksamkeit zu erzielen. Wir sind gegen Kreativprostitution, weil wir dagegen sind etwas im Zwang erledigen zu müssen. Den Zwang Geld zu verdienen, über die Runden zu kommen, sich anzupassen und im übertragenen Sinn den Arsch hinzuhalten. Sonst kommt ein anderer und macht es billiger. Es geht hier auch um ein Qualitätsbewusstsein.
Ich denke wir stimmen alle darin überein, dass Prostitution im Zwang mit das Grausamste ist, was man einem Menschen antun kann. Das ist in der Werbe- und Kreativebranche nicht ganz so extrem. Aber von freien Entscheidungen und der damit verbundenen Entfaltung der potentiell verfügbaren Kreativität kann eben auch nicht gesprochen werden. Weil sich oft nicht die richtigen Kunden und Freelancer finden und die Bedingungen nicht optimal sind. Das wollen wir ändern!
Wo siehst du die häufigsten Probleme für Freelancer?
- Jobflauten:
Egal ob man während eines großen Auftrags gerade zu wenig Akquise betrieben hat, ein zugesagter Auftrag plötzlich platzt oder der Freelancer gerade einfach nicht an die richtigen Kontakte kommt – Jobflauten sind ein am Selbstbewusstsein des Freelancers nagendes Problem. - Unangenehme Kaltakquise:
Als kreativer Freelancer willst du frei sein und für deine Tätigkeit Anerkennung finden. Doch wer in ner Jobflaute sitzt oder gerade neu am Markt bzw. in der Stadt ist tut fast alles, um irgendwie wieder an nen Auftrag zu kommen. Das zehnte Mal am Empfang abgewiesen? Das nächste Mal klappt es bestimmt. NOT. Kaltakquise beschert dir das Gegenteil: Ablehnung und keine Chance mit den richtigen Ansprechpartner zu connecten. - Unsichtbarkeit beruflich und privat:
Während man als “normaler” Arbeitnehmer sein soziales Umfeld und seine Ansprechpartner, was man zu tun ist, im Unternehmen hat, muss der Freiberufler viel mehr für seine Sichtbarkeit tun. Er muss selbst organisieren, Prioritäten setzen, Entscheidungen treffen: Mach ich jetzt lieber Marketing? Bastel an nem freien Projekt? Oder gehe mit Freunden in Park? Alles ist möglich. Doch was ist nötig für eine möglichst ausgewogene Work-Life Balance? Dieses überstrapazierte Buzzword muss in dem Zusammenhang eh völlig neu definiert werden. - Falsche Kontakte bzw. ineffektives Netzwerken:
Gute Kontakte finden und sie pflegen. Das ist klingt viel einfacher, als es ist! Wieviele Kaffees wurden schon geschlürft, wie viele Mails getippt, ohne dass jemals ein Auftrag in Aussicht war? Wir alles Freelancernetzwerk NOOK NAMES wollen gute Freelancer miteinander connecten und sie dann um gezielt suchende Auftraggeber anreichern. - Bürokratie für Einzelunternehmer:
Steuern, Versicherung, Rechtsform…bei diesen Schlagwörtern läuft es den meisten Freelancern kalt den Rücken runter! Hier wird wahnsinnig viel Potential verschenkt. Doch ich selbst kann’s nur zu gut nachvollziehen…
Es gibt aktuell auch eine Diskussion um Scheinselbständigkeit. Wie siehst du das Problem?
Es ist ein Unding, dass da potentiell die Freelancer drunter leiden müssen. Sie bestehen ja nicht darauf, dass ihnen keine Versicherung gezahlt wird.
Entweder die Rechtssprechung legt fest, dass Freelancer auch oft und regelmässig für den Auftraggeber arbeiten dürfen oder sie stellen klar, dass der Auftraggeber dann eben mehr Verantwortung für den Freelancer zu übernehmen hat. Denn sind wir mal ehrlich: Ein Freelancer, der mehr als 50% für einen Auftraggeber arbeitet, spürt da schon eine ordentliche Abhängigkeit.
Soweit meine persönliche Meinung. Wir vom Freelancernetzwerk haben uns diesem Problem aber noch nicht tiefer gewidmet, verweisen aber zum Beispiel gern auf die Petition vom VGSD.
Was genau bietest du auf NOOK NAMES an?
Wir vom Freelancernetzwerk NOOK NAMES haben über die Jahre ein umfassendes Konzept entwickelt, um der Werbe- und Kreativbranche gutes zu tun. Ich muss hier kurz zwischen dem unterscheiden, was wir bereits tun und dem, was wir zukünftig umsetzen werden.
Status Quo:
- Freelancer bewerben sich bei uns. Wir haben inzwischen eine Community von fast 600 ausgewählten Kreativen aller Art bei uns im Netzwerk.
- Diese Freelancer trafen sich auf bisher 14 Events, sogenannten NOOK IMPULSE MEETINGS, in Berlin, Hamburg, Wien und Köln. So wurde die Freelancercommunity an sich gestärkt, aber auch mit Agenturen und Experten (KSK, Steuer- oder Medienrecht, Telefonakquise…) connected.
- Außerdem haben wir diesen Freelancern aufgrund der Zeitknappheit und den noch nicht aufgebauten Infrastrukturen relativ “laienhaft” unterstützende Infos, Sichtbarkeit und Jobs vermittelt. Das soll jetzt alles ausgebaut werden!
Unser zukünftiger Service:
- Gerade in Planung ist eine neue Homepage, die Auftraggebern den Zugang zur Community ermöglichen soll.
- Bis Ende des Jahres setzen wir das allererste NOOK AGENCY EVENT um, auf dem unsere Partneragenturen (von ganz groß bis ganz klein) mit unserer Community gematched werden.
- Langfristig wollen wir uns als eine Art “Google der Freelancersuche” etablieren, die den perfekten Match zwischen Auftraggeber und Freelancer ermöglicht.
Du hast eine Crowdfunding-Aktion gestartet? Was genau hat es damit auf sich?
Wenn das Crowdfunding erfolgreich wird, wird kreativen Menschen direkt geholfen. Durch unsere neue Homepage und das NOOK AGENCY EVENT entwickeln wir neue Möglichkeiten der Akquise, sodass sich Freelancer ganz auf ihre kreative Arbeit konzentrieren können.
Klappt das, wollen wir noch mehr: NOOK AGENCY EVENTs in anderen Städten, regelmässige NOOK IMPULSE MEETINGs im ganzen deutschsprachigen Raum und eine richtige, umfassende Plattform, auf der sich Freelancer untereinander und mit Auftraggebern connecten. Wir haben bisher alles ehrenamtlich gestemmt, sind von unserer Idee jetzt aber so überzeugt, dass wir unbedingt noch mehr Zeit investieren wollen! Und leider ist Zeit ja bekanntlich Geld. 😉
Wie sind deine ersten Erfahrungen mit dem Crowdfunding?
Diffus! Wir hatten davor ehrlich gesagt wenig Ahnung, auch wenn wir uns wie immer breitflächig informiert haben. Inzwischen sind fast 1.000 Unique Visitiors auf unserer Startnext-Seite gewesen und haben allerlei Feedback abgegeben.
Die Analyse hat schnell gezeigt: Wir haben inzwischen wirklich ne gute Reichweite und die Leute mögen unsere Idee. Aber wie konvertiert man die interessierten Kontakte zu Unterstützern der Crowdfunding-Kampagne? Da arbeiten wir gerade noch an einigen Trümpfen und werden die Kampagne deshalb wohl auch verlängern. Seid gespannt!
Welche Fehler sollten Freelancer vermeiden, um erfolgreich zu sein?
- Spezialisiert euch!
- Glaubt an euch!
- Traut euch!
- Vereinigt euch!
- Meldet euch bei NOOK NAMES an! 😉
Wie definiert man eigene Stundensätze und was sollte man dabei beachten?
Da bin ich wirklich kein Experte und könnte wohl doch ein Buch darüber schreiben. Herzensprojekte, wo geile Referenzen entstehen, sollte man immer wieder einfach machen.
Bei anderen ist es schon wichtig, seinen Wert im Branchenvergleich zu kennen. Hierfür hat zum Beispiel mit skjlls.com ein schönes Tool entwickelt.
Verkauf dich nie unter Wert, sprech mit Kollegen und vergiss nicht, was für einen Mehrwert der Kunde letztlich von deiner qualitativ hochwertigen Arbeit haben wird!
Was hältst du von den vielen Auftragsplattformen für Freelancer im Netz?
Hierzu möchte ich gerne auf unsere Pressemitteilung zum Crowdfunding verweisen, wo wir die Marktsituation relativ ausführlich analysiert haben.
Fazit: Nichts, was es bisher gibt, wird dem gerecht, was wir Freelancer im Ganzen brauchen.
Zum Schluss würde ich mich über deine wichtigsten Tipps für Freelancer freuen:
- Spaß: Mach nicht nur das, was dir Spaß macht. Aber identifiziere, was dir immer wieder Glücksmomente beschert! Finde etwas, worauf du Stolz sein kannst! Und spiel damit 🙂
- Spezialisierung: Leite aus dem was dir Spaß macht langsam ab, was du regelmässig machen willst und kommunziere deinen Schwerpunkt auch!
- Richtige Kontakte: Du bist nicht allein! Tausche dich mit anderen Freelancern und Experten aus und es wird dir besser gehen. Also ab auf’s nächste NOOK IMPULSE MEETING.
Danke Jonas für das Interview
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Interessantes Interview. Erstmal danke dafür.
Mir gefällt der Punkt mit dem spezialisieren. Das habe ich auch bemerkt. Erst hab ich mit kompletten Layout, Programmierung & SEO gestartet. Dann aber schnell bemerkt, dass das nicht geht. Vor allem wird man einfach nicht gut, in dem was man macht.
Mittlerweile hab ich ganz gute Connections und das hilft unheimlich. Es gibt einfach nichts über Connections. Das war mir eine wertvolle Lehre. Ich finde Gut, dass das im Interview herrauskristalisiert wurde.