IT-Risiken, Schadensfälle und Absicherung – Interview

Man kann viele Risiken in der Selbständigkeit durch Vorsicht und vorausschauendes Vorgehen minimieren, aber wirklich ausschließen kann man sie nicht.

Welche typischen Risiken für IT-Dienstleister bestehen und welche Schadensfälle häufig vorkommen, verrät mir mein heutiger Interview-Partner.

Zudem geht es um Möglichkeiten der Absicherung und für wen das Sinn macht.

Guten Tag. Bitte stelle Dich meinen Lesern kurz vor.

Sehr gerne. Aufgewachsen bin ich in der Nähe von Ingolstadt, seit 1996 lebe und arbeite ich in der schönen Fuggerstadt Augsburg. Meine große Leidenschaft ist Afrika. In den letzten Jahren habe ich einige Touren durch Namibia und Botswana unternommen, u.a. auch mit dem Motorrad.

Vor der Gründung des Versicherungsportals exali.de war ich über 10 Jahre selbständig als „One-Man-Show“ tätig, wie viele Deiner Leser. Ich kenne daher das Freiberuflerdasein mit allen Vor- und Nachteilen sehr gut.

Wie wichtig ist Deiner Meinung nach die rechtliche Seite, wenn man sich in der IT-Branche selbständig macht?

Enorm wichtig. Natürlich denkt der Existenzgründer häufig zuerst an andere Dinge. Habe ich die notwenigen Skills um an Aufträge zu kommen? Welchen Stundensatz kann ich durchsetzen? Usw. Wer aber die rechtliche Seite außer Acht lässt, wird mit der ersten Abmahnung schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Jeder Existenzgründer sollte sich rechtlich damit auseinandersetzen, auf welcher vertraglichen Basis er in Zukunft prinzipiell arbeiten möchte. Z.B. auf Dienst- oder Werkvertragsbasis. Ist es sinnvoll langfristige Wartungsverträge zu schließen? Welche Regelungen sollten zum Thema Backup, Service-Level etc. vereinbart werden?

Wer hier ein bisschen Geld in die Hand nimmt und sich zu Beginn einmal juristisch beraten lässt und ggf. mit dem Anwalt auf sein IT-Business abgestimmte Musterverträge und AGB erarbeiten lässt, spart sich später im Tagesgeschäft viel Zeit, Ärger und Geld.

Aber auch Themen wie die richtige Wahl der Gesellschaftsform und die Außendarstellung mit Logo, Firmenname und ggf. URL sind zu bedenken und rechtlich zu prüfen.

Und nicht zuletzt sollte man sich auch hinsichtlich steuerrechtlicher Rahmenparameter beraten lassen. Z.B. ob man das IT-Business als klassischer Freiberufler (gewerbesteuerbefreit) oder als selbständiges Gewerbe betreiben möchte.

Wie ernst nehmen Webentwickler IT-Risiken und die Absicherung dagegen Deiner Erfahrung nach?

Bei mir landen erfahrungsgemäß diejenigen Webentwickler, die sich gegen die beruflichen Risiken auch versichern möchten. Daher habe ich da sicherlich keinen guten Überblick über die Gesamtsituation.

Wenn man jedoch bestimmten Umfragen und Statistiken Glauben schenken darf, sind immer noch ca. 2/3 der Webentwickler und IT-Experten nicht gegen die häufigsten Business Risiken versichert.

Für mich ist das ehrlich gesagt nicht nachvollziehbar. Kein Handwerker würde ohne Betriebshaftpflicht arbeiten, kein Arzt ohne Berufshaftpflicht operieren und kein Architekt ohne Haftpflichtversicherung ein Objekt planen.

Zum Teil scheint das tatsächlich ein deutsches Phänomen zu sein. Ich bin häufiger beruflich in Großbritannien. Für englische IT-Freelancer ist es absolut selbstverständlich gegen „legal expenses“ usw. versichert zu sein. Da ist die Quote annähernd 100%.

Was sind denn typische Risiken für IT-Dienstleister?

Die Bandbreite an Schadenfällen, die ich auf den Tisch bekomme, ist sehr groß und teilweise auch kurios 😉 Daraus lassen sich für mich gut die Risiken ableiten. Für mich haben sich in den letzten Jahren folgende Risiken als typisch herauskristallisiert:

  • die Verletzung von Rechten Dritter (z.B. Urheberrechte),
  • Fehler in der Ausführung der Arbeit (z.B. Programmierfehler) und Folgeschäden daraus,
  • Verletzung einer vertraglichen Leistungspflicht,
  • Verzögerungen im Projekt,
  • Datenverlust und fehlerhafte Backups,
  • Verletzung von Geheimhaltungs- und Datenschutzvereinbarungen,
  • Cyber-Risiken (Mal- oder Ransomware, Hacking und DDoS-Attacken) z.B. durch Sicherheitslücken,
  • Zerwürfnisse im laufenden Projekt mit Folge der außerordentlichen Beendigung des Vertragsverhältnisses oder auch Rücktritt vom Projekt.

Ich möchte aber betonen, dass es noch viele weitere Risiken gibt. Ein sehr erfahrener Schadensachbearbeiter bei einem renommierten Versicherer hat mir mal gesagt: Wir versichern nicht die typischen Schäden, sondern die unvorhersehbaren Schäden.

In dieser Aussage steckt für mich sehr viel Wahres. Die Risiken, die ein IT-Experte auf dem Radar hat, wird er versuchen zu vermeiden und wird auch Vorkehrungen dagegen treffen. Schlimm sind die Dinge, die einem eben undenkbar erscheinen und die man nicht auf dem Schirm hat.

Gibt es Beispiele von Schadensfällen für Webdesigner und Webprogrammierer?

Ja, zu den eben genannten typischen Risiken hatten wir in der Vergangenheit auch Schadenfälle.

Hier in Augsburg hatten wir bei einem Webentwickler z.B. den Fall, dass durch einen Fehler beim Import von Artikeln in einen gut laufenden Webshop für Kamera-Equipment und Fotozubehör nahezu alle Preise durcheinander gerieten und nicht mehr stimmten. Es mussten einige Stunden, auch durch den Kunden, aufgewendet werden, um die korrupte Datenbank wieder herzustellen. Der Shop-Betreiber hat die Webagentur für den finanziellen Schaden haftbar gemacht.

Was kann es für Folgen haben, wenn man sich nicht damit beschäftigt?

Ich denke, da sage ich Deinen Lesern nicht Neues. Wer sich mit den Risiken aus dem eigenen Business nicht auseinandersetzt, riskiert seine Existenz. Wir bearbeiten bei exali.de gerade einen Schadenfall eines IT-Dienstleisters, bei dem Ansprüche von 80.000 Euro im Raum stehen. Wer für solche Fälle keinen Plan B in der Tasche hat, fällt hart.

Kann man sich überhaupt gegen solche Schadensfälle versichern?

Das muss ich mit einem sehr deutlichen JA beantworten. Tatsächlich war es, als ich mich vor 10 Jahren auf diesen Bereich spezialisiert habe, nicht möglich, alle Risiken die ich schon genannt habe, abzusichern. In den letzten Jahren hat sich jedoch enorm viel in puncto umfassendem Versicherungsschutz getan.

Moderne IT-Haftpflicht-Bedingungen bieten aktuell einen sehr weitreichenden Versicherungsschutz, gerade auch für Freiberufler. Das geht von Rechtsverletzungen über die vertragliche Haftung bis hin zum pauschalen Schadenersatz.

Wie findet man die richtige Versicherung für die eigenen Bedürfnisse?

Das ist eine gute Frage. Ich denke, das verhält es sich ähnlich wie in der IT. Der Versicherungsbereich ist enorm groß. Wer zum IT-Generalisten geht, kann nicht auf eine Top-Lösung hoffen. Wer zum Versicherungs-Generalisten geht, wird häufig nicht den optimalen Versicherungsschutz bekommen. Wer sich dagegen einen auf den IT-Bereich spezialisierten Versicherer bzw. spezialisierten Makler herauspickt, hat da bessere Chancen. Wenn ein Versicherer auf seiner Webseite keine Informationen zu speziellen Versicherungskonzepten im IT-Bereich zur Verfügung stellt, wäre der nicht meine erste Anlaufstelle. 😉

Ich denke, mit einer Internetrecherche findet man relativ schnell geeignete Versicherer und Versicherungsmakler, die sich auf die Absicherung von IT- und Internetrisiken spezialisiert haben.

Wie stellt man sicher, dass die Versicherung auch noch nach vielen Jahren passend ist, wenn sich das eigene Business und die eigenen Leistungen weiterentwickeln?

Da gibt es mittlerweile IT-Haftpflichtversicherungen mit einer so genannte „offenen Deckung“. D.h. es sind pauschal alle Tätigkeiten im IT-, Web- und TK-Bereich versichert, ohne dass die Leistungen einzeln aufgezählt werden müssen. Somit riskiert ein IT-Experte auch bei häufig wechselnden Projekten keine Versicherungslücke.

Da es bei einigen Versicherern neben dem Basisschutz noch bestimmte Leistungserweiterungen gibt, die man zu- oder abwählen kann, sollte man zumindest einmal im Jahr prüfen ob durch Änderungen im Business Zusatzschutz sinnvoll ist.

Welche Fehler werden bzgl. der Absicherung immer wieder gemacht?

Meiner Meinung nach ist einer der Kardinalsfehler, dass nach wie vor nicht auf die ausreichende Absicherung von reinen Vermögensschäden Wert gelegt wird.

Wenn wir uns aber die schon genannten typischen Risiken und daraus folgende Schäden genau ansehen, stellen wir fest, dass es dabei in aller Regel zu einem finanziellen Nachteil des Kunden oder Auftraggebers kommt. Finanzielle Nachteile – im Versicherungschinesisch „reine Vermögensschäden“ – wie z.B. ein Umsatzausfall oder Kosten für eine Abmahnung gehören jedoch zu den häufigsten Schadenursachen im IT-, Web- und TK-Umfeld. Daher Augen auf! Eine reine Betriebshaftpflicht, die Personenschäden, Sachschäden und Folgeschäden daraus absichert, ist für IT-Experten nicht ausreichend!

Zum Schluss würde ich mich über Deine wichtigsten Tipps für angehende IT-Dienstleister freuen.

Es ist meiner Ansicht nach sehr wichtig, keine überzogenen Vorstellungen bzw. falschen Erwartungen von der Freiberuflichkeit bzw. Selbständigkeit zu haben. Selbständig heißt nun mal bekanntlich „selbst“ und „ständig“ zu arbeiten. 😉

Und auch wenn man sich vieles freier einteilen kann, ist Mann oder Frau als Selbständiger – so war es zumindest bei mir – vielen Sachzwängen unterworfen. Das schränkt einen eben auch als Freiberufler ein – so viel zum Thema Selbstbestimmung.

Ansonsten ist es sicherlich gut, einen Businessplan zu haben, der länger als 3 Monate reicht. Man sollte sich je nach Bereich 1 bis 3 Jahre Zeit geben, um sich zu etablieren. Also nicht zu früh das Handtuch werfen. Und wenn eine Sache nicht klappt – und das wird vermutlich mehr als einmal passieren – dann bietet sich meistens an einer anderen Stelle wieder eine neue Möglichkeit. Daher einfach dran bleiben und die eigene Idee verfolgen.

Und eine Sache ist natürlich besonders wichtig: Die IT-Haftpflicht darf nicht fehlen – damit einen der Ausflug in die Selbständigkeit im schlimmsten Fall nicht noch viele Jahre finanziell verfolgt. 😉

In diesem Sinne, allen viel Erfolg bei der Existenzgründung!

Danke für das Interview

Peer Wandiger

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