Native Advertising – Der schmale Grat zwischen Inhalt und Werbung

Wir sind immer und überall umgeben von Werbung. Offline wie Online. Die ständige Präsenz von Anzeigen unterschiedlichster Art ist zur Gewohnheit geworden. Je vertrauter uns eine Werbeform ist, desto gleichgültiger ist sie uns auch. Oder wann hast du zuletzt eine Anzeige in einer Zeitschrift oder Zeitung betrachtet, statt routiniert darüber hinwegzublättern? Werbeblindheit nennt man das. Kaum jemand der das Internet regelmäßig nutzt klickt deshalb noch auf bunt-blinkende Banner.

Werbeblindheit ist keine Worthülse, mit der sich die Werbebranche schlechte Zahlen schönredet. Sie ist nachweisbar. Der Mensch ist täglich so vielen Impulsen ausgesetzt, dass seine Auffassungsgabe zur Verarbeitung all der Reize nur selten ausreicht. Wir sind also schon von Natur aus dazu gezwungen, Wichtiges von weniger Wichtigem zu trennen.

Das wiederum zwingt die Werbebranchen dazu, ständig neue Werbeformen zu erfinden, die unser Gehirn nicht so leicht als Anzeige einstufen kann. Native Advertising heißt die im Moment vielgepriesene Alternative zur klassischen Online- und Print-Werbung. Dieser Artikel geht darauf ein, warum native Anzeigen so unscheinbar aussehen und wie sie funktionieren, welche Vorteile sie gegenüber bekannten Werbeformen besitzen und warum sie nicht unumstritten sind.

Das Gehirn als selbsttrainierender Werbefilter

Wollen wir uns im Internet zu einem Thema informieren, sagen wir beispielhaft der politischen Lage in einem bestimmten Land, dann erwarten wir informative Artikel, zum Beispiel von Zeitungen. Klicken wir in der Suchmaschine auf ein Suchergebnis zu einem Nachrichtenportal, dann widmen wir uns intensiv der Lektüre des Textes. Alles darum herum wird vom Gehirn automatisch ausgeblendet. Wir merken weder den Kontakt zum Stuhl, noch dass in der Sidebar des Internetportals ein Banner unsere Aufmerksamkeit wünscht.

Typische Eigenschaften von Werbung, zum Beispiel die Farbe, Form oder Position, reichen aus, um sie als solche klassifizieren und ausblenden zu können. Dabei ist der körpereigene Werbefilter selbstlernend: Je mehr Werbung wir gesehen haben, desto besser können wir sie filtern.

Vor einigen Jahren noch galt personalisierte Werbung als das Mittel gegen die Werbeblindheit. Dank Cookies und Co. kann man Menschen, die sich über Katzen informierten, Werbung für Katzenfutter einblenden. Das hat durchaus auch Erfolg, wie die Klickzahlen beweisen. Wird es jedoch zu persönlich, so haben Tests ergeben, wirkt personalisierte Werbung eher abschreckend. Spielt in der Anzeige zum Beispiel der persönliche Wohnort eine Rolle, dann ist das vielen eher unheimlich. Zwar weiß heute fast jeder, dass seine Aktivitäten im Netz aufgezeichnet werden, führt man es den Menschen aber so deutlich vor Augen, dann fühlen sie sich ausgenutzt und reagieren abwehrend.

Die Werbebranche steht also ständig unter Druck. Der neue große Trend nach personalisierter Werbung sind deshalb native Anzeigen. Getreu dem Motto: Die beste Werbung ist die, die als solche nicht (auf den ersten Blick) erkennbar ist.

Nahtlos eingebettete Werbung, die wie ein redaktioneller Beitrag anmutet

Das besondere an Native Advertising ist, dass nicht wie üblich im redaktionellen Umfeld, sondern in Form eines redaktionellen Beitrags selbst geworben wird. Somit unterscheiden sich native Anzeigen nicht wesentlich von Artikeln oder Posts. Dadurch werden sie viel aufgeschlossener betrachtet und erzielen nachweislich mehr Erfolg. Nicht zuletzt ihr unterbewusster Konsum trägt dazu bei.

Die Gründe für den Erfolg von Native Ads liegen aber auch im rasanten Wachstum des mobilen Traffics. Auf den kleinen Displays von Smartphones und Tablets ist es deutlich schwieriger geeignete Werbung zu präsentieren. Werbung, die ohnehin so aussieht wie der Rest des Internetangebots, macht auf mobilen Endgeräten keine zusätzlichen Probleme. Weiterer großer Vorteil: Auch die Nutzer von Werbeblockern, eine immer größer und bedrohlicher werdende Gruppe, bekommen native Werbung ungehindert angezeigt.

Zu Native Advertising zählen nicht nur bezahlte Artikel und Videos, sondern beispielsweise auch bezahlte Posts bei Facebook. Auch sie zeichnen sich, genauso wie ihresgleichen bei Instagram und Twitter, dadurch aus, dass die Werbung genauso präsentiert wird, wie die von Mitgliedern erzeugten Inhalte.

Das native Anzeigen gerade auch in sozialen Netzwerken so beliebt sind, liegt nicht zuletzt an ihrer dortigen Vergütung. Statt einen pauschalen Beitrag für eine bestimmte Anzahl an Einblendungen oder für einen bestimmten Zeitraum zahlen zu müssen, erfolgt die Rechnungsstellung auf Erfolgsbasis. In der Regel wird ein Klickpreis fällig, also erst gezahlt, wenn tatsächlich Besucher auf das beworbene Internetangebot gelockt wurden. Dadurch ist diese Art der nativen Werbung nicht nur risikoärmer, sondern auch für kleine Werbetreibende ohne großes Budget interessant.

Letzte Rettung für werbefinanzierte Medien?

Native Advertising ist weder neu, noch ausschließlich im Online-Marketing zu finden. Im Printbereich nennt man solche Anzeigen seitjeher Advertorials. Mit zunehmendem Auflagenschwund nahmen Native Ads auch bei Zeitschriften und Zeitungen zu. Nicht mehr nur in Fernsehmagazinen, wo gern fragewürdige Gesundheitspräparate in redaktionell anmutenden Artikeln angepriesen werden. Selbst profilierte Publikationen, deren Namen gemeinhin für Seriosität und Unabhängigkeit stehen, werben offensiv für native Anzeigen in ihrem Medium. Sie produzieren sogar eigene Sonderdrucke, die aus nichts anderem bestehen und sich Anzeigensonderveröffentlichungen nennen.

Mittlerweile gibt es erste Online-Medien, die vollständig auf klassische Online-Werbung verzichten, weil diese ohnehin nur mäßige Ergebnisse liefert. Stattdessen setzen sie komplett auf die Zukunftshoffnung Native Advertising. “BuzzFeed” ist ein Beispiel, ein erfolgreiches sogar.

Mit dem Anpassen der Optik ist es bei Native Advertising allerdings nicht getan. Diese Art der Werbung will, sagen wir es unverblümt, täuschen. Den Leser in die Irre führen. Er soll glauben, er lese einen ganz normalen Artikel oder sehe ein ganz normales Video. Aber um das zu erreichen, müssen sich native Anzeigen auch sprachlich an ihren Veröffentlicher anpassen. Wer mit einem bezahlten Beitrag in einem Blog werben will, der von der Bekanntheit seines Bloggers lebt, sollte ihm deshalb auch das Verfassen des Textes überlassen.

Außerdem sind native Anzeigen trotz Werbebotschaft immer auch informativ oder zumindest witzig. Wer mehr darüber erfahren will, wie die perfekte native Anzeige aussieht, dem sei das “Native Advertising Playbook” empfohlen. Es wurde im vergangenen Jahr von der Interactive Advertising Bureau (IAB) herausgegeben, der über 100 Unternehmen angehören. Die Organisation hat sich im Juli 2013 gegründet, mit dem Ziel, ein Rahmenwerk einschließlich empfohlener Kennzeichnungsregeln für diese neue und nicht eindeutig definierte Werbeform zu schaffen.

Glaubwürdigkeit und Vertrauen stehen auf dem Spiel

Wenn Werbung schon nicht so aussehen darf wie Werbung, dann tun sich die Anhänger von Native Advertising natürlich auch schwer damit, sie Werbung zu nennen. Zumindest dem Leser gegenüber. Statt Klartext zu reden werden Native Ads im Internet zum Beispiel mit “Sponsored Post” übertitelt. Ob solche Bezeichnungen, die sich um das Wort “Werbung” drücken, rechtlich zulässig sind, ist jedoch sehr umstritten.

Solch kreativen Umschreibungen machen immerhin deutlich, dass es mit der Transparenz, die viele Publikationen zum Erhalt ihrer Glaubwürdigkeit angeblich groß schreiben, nicht immer so ernst gemeint ist. Schließlich ist sie auch ein leicht erkennbarer Widerspruch. Würde Native Advertising transparent als Werbung gekennzeichnet, dann wäre es eben kein Native Advertising mehr. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wenn der Leser das Kapern des redaktionellen Teils mit Bauchschmerzen sieht, wenn er davon denn überhaupt Notiz nimmt.

Ob Native Advertising der Zukunft gehört, wird sich erst noch herausstellen müssen. Der Grat zwischen Inhalt und Werbung ist so schmal, dass der Abgrund nur einen Schritt entfernt ist. Native Ads können noch so gut gemacht sein, fühlt der Leser sich verarscht, werden sie schnell zum Bumerang. Und wer mag es schon gern, wenn er getäuscht wird? Hat Native Advertising das Vertrauen der Leser erst einmal zerstört, dürfte es schwer sein, es wieder zurückzugewinnen.

Dennoch scheint es für die Werbung im Tarnmantel derzeit kaum Alternativen zu geben. Native Anzeigen blenden sich selbst aus und entfalten gerade dadurch die Wirkung, die den meisten anderen Werbeformen abhandengekommen ist. Und so offenbart Native Advertising, dass es an Werbearten mangelt, die wirklich funktionieren und kein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Denn Werbung pauschal als nervig und uninteressant abzustempeln wäre schlicht falsch. Schließlich gibt es genügend Beispiele gut gemachter Werbung, die von der Zielgruppe gern angenommen wird.

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2 Gedanken zu „Native Advertising – Der schmale Grat zwischen Inhalt und Werbung“

  1. Bei Native Advertsing geht es nicht um Tarnung oder Täuschung. Es geht auch nicht nur darum, mit der werblichen Botschaft optisch einwandfrei eingebettet zu sein. Der Anspruch und die Entwicklung von Native Advertising geht viel weiter. Es geht um die Berücksichtigung aller Paramater und Präferenzen, die im Einklang eine individuelle und akzeptierte Form der Ansprache ermöglicht. Native heißt auch die Einbeziehung aller uns umgebender Daten, die zu einem dynamisch erzeugten Inhalt führen. Nur noch Werbung, die auf mich individuell zugeschnitten ist, statt Reizüberflutung. Die Betrachtung von Native Advertising wie in diesem Artikel ist nur wie ein Blick durchs Schlüsselloch. So bleibt das ganze Bild verborgen.

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  2. „Sponsored Post“ ist schon verboten und das BGH hat schon in der Richtung eine Entscheidung getroffen. Anzeige oder Bezahlter Artikel sind zulässig und für den Leser nachvollziehbar. Grüße.

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