Gilt die klassische Betriebswirtschaft auch für Online-Unternehmer?

Online-Marketer behaupten gerne, dass im Web 2.0 und in den sozialen Netzwerken ganz andere Mechanismen gelten, als im klassischen Marketing.

Darauf aufbauend ließe sich auch behaupten, dass für Online-Unternehmer ganz andere betriebswirtschaftliche Regeln gelten, als für traditionelle Unternehmen.

Sieht man sich das Verhalten manch eines Selbständigen im Internet an, könnte man das fast glauben.

Klassische betriebswirtschaftliche Aufgaben wie Prozessmanagement oder Controlling, bekannte Funktionen wie Einkauf, Produktion oder Vertrieb muten beim Agieren in sozialen Netzwerken oder bei der Erstellung und Pflege der eigenen Internetseite manch eines Glückssuchenden im Netz recht seltsam an.

Aber warum eigentlich?

Möglichkeiten der klassischen Betriebswirtschaft für Online-Unternehmer

Was ist eigentlich ein Online-Unternehmer?

Nach meinem Verständnis handelt es sich dabei um eine Person oder Organisation, die über Maßnahmen und Aktionen im Internet Umsatz generieren will. Ein Online-Unternehmer ist damit jemand, der sein Handeln mit geschäftlichem Hintergrund betreibt (Gewinnerzielungsabsicht).

Zugegeben, ich habe damit eine weite Fassung des Begriffs gewählt und den Personenkreis nicht nur auf die beschränkt, die nur über das Netz zu Umsatz kommen wollen.

Damit bietet es sich an, seine Online-Aktivitäten, seien sie die einzigen im Unternehmen (der gesamte Umsatz wird über das Netz generiert) oder Teil einer gesamtunternehmerischen Leistung (es gibt noch Offline-Umsätze), als Profit-Center zu führen.

Ist das Online-Geschäft ein Profit-Center?

Charakteristische Merkmale eines Profit-Centers (nach Albrecht Deyhle) sind

  1. Marktleistung als Aufgabe
  2. Persönliche Zuständigkeit
  3. Individuelle Zielformulierung

Spiegeln wir diese Punkte an unserem Online-Business.

  • Zu 1) Über die Online-Aktivitäten soll ein Umsatz generiert werden, es sollen Kunden (Besucher) eine Aktion auslösen, die dem Betreiber Geld in die Kassen spült.

    Dabei ist es egal, ob Produkte im Online-Shop bestellt werden, Werbeflächen oder Affiliate-Links geklickt werden.

    Das Center steht damit im Außenkontakt mit Kunden (Besuchern), es fließt Geld (zumindest ist das das Ziel) und somit besteht ganz eindeutig eine Marktleistung.

  • Zu 2) Die Online-Aktivitäten brauchen einen Kümmerer.

    Irgendwer, der Unternehmer selbst oder von ihm beauftragte Mitarbeiter, sollen die Webseiten erstellen, die Blogposts schreiben, die Links aufbauen, die Kommentare verfassen und die Interaktion im sozialen Netzwerk durchführen.

    Damit ist ein weiteres Kriterium für unser Profit-Center erfüllt.

  • Zu 3) Der Kümmerer hat Ziele zu erfüllen. Diese Ziele, in der Regel Deckungsbeitragsziele, können explizit formuliert sein, z.B. wenn man einen Mitarbeiter mit den Online-Aktivitäten betraut, oder nur gedanklich existieren, wenn man alles selbst macht.

    Ich empfehle aber dringend, die Ziele auch im Falle der Eigenverantwortung niederzuschreiben. Nur so können Sie die Ziele am Jahrsende auch überprüfen und Maßnahmen für das nächste Jahr ableiten.

    Damit ist ein weiteres Kriterium zum Profit-Center erfüllt, wir können das Online-Business damit als Profit Center führen.

Was ist der Vorteil eines Profit-Centers für Online-Unternehmen?

Die Möglichkeiten der Ergebnissteuerung, der Planung im Sinne einer Mittelfristplanung und die Messung der Erfolgsleistung des Center-Managers machen dieses Instrument besonders spannend.

Wenn Sie Ihre Online-Aktivitäten an einen Mitarbeiter übertragen wollen (was bei einem wachsenden Unternehmen irgendwann der Fall sein wird), brauchen Sie objektive Kriterien zur Erfolgsmessung Ihres Center-Managers.

Über die Profit-Center Erfolgsrechnung können Sie z.B. variable Vergütungsbestandteile des Center-Managers bestimmen und so beim Center-Manager Anreize setzen, sich für Ihre Belange als Unternehmer einzusetzen.

Durch die Einrichtung eines Profit-Centers für Ihr Online-Business können Sie die Aufgaben und Verantwortlichkeiten sehr gut delegieren und sich selbst um andere Dinge in Ihrem Unternehmen kümmern. Sie arbeiten dann nicht mehr in Ihrer Firma, sondern an Ihrer Firma.

Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, Kreditgebern (z.B. Banken) einen schlüssigen Ergebnis Plan vorlegen zu können, was Verhandlungen in der Regel deutlich vereinfacht. Gerade bei stark wachsenden Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf ist dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Schema der Profit-Center Erfolgsrechnung

Unser Online-Unternehmer kann verschiedene Produkte oder Produktgruppen haben, die Umsatz bringen. Seien es physische Produkte aus Online-Shops, Informationsprodukte wie eBooks, Downloads etc. oder Provisionsprodukte wie Pay-per-Click Werbung oder Affiliate-Links.

Damit lassen sich auf jeden Fall über die Formel Menge x Preis die Brutto-Erlöse feststellen.

Werden Rabatte gewährt (z.B. 3% Skonto bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen) zieht man diese als Erlösschmälerungen von den Brutto-Erlösen ab, erhält man die Netto-Erlöse.

Bei physischen Produkten aus Online-Shops werden noch die Standard-Produktkosten abgezogen (bei Informationsprodukten kostet eine weitere Kopie nur vernachlässigbar mehr) und man erhält den Deckungsbeitrag 1 unseres Online-Profit-Centers.

Zieht man von diesen die Artikeldirekten Strukturkosten ab (z.B. Promotion für ein Produkt, Affiliate-Vergütungen) erhält man den Deckungsbeitrag 2.

Zieht man von diesem die Profit-Center direkten Strukturkosten ab (z.B. das Gehalt unseres Center-Managers und seiner Mitarbeiter, Kosten für Online-Werbung allgemein, Kosten für Hosting und verwendete Software etc.) erhält man den Deckungsbeitrag 3 und damit den geeigneten Zielmaßstab für unseren Center-Manager.

Die Übersicht fasst die Deckungsbeitragsrechnung als Beispiel nochmals zusammen

 

Summe

Produkt(gruppe) 1

CPC-Werbung

Produkt(gruppe) 2

Online-Shop Hundefutter

Brutto-Erlöse in €

2000

500

1500

./. Erlösschmälerungen in € (z.B. Skonto)

100

50

50

Netto-Erlöse in €

1900

450

1450

./. Standard-Produktkosten in € (z.B. Einkauf Hundefutter)

800

0

800

Deckungsbeitrag 1 in €

1100

450

650

./. Artikeldirekte Strukturkosten € (z.B. Werbung für Hundefutter)

100

0

100

Deckungsbeitrag 2 in €

1000

450

550

./. Profitcenter direkte Strukturkosten in € (z.B. Gehalt Center-Manager)

400

Deckungsbeitrag 3 in €

600

Es ist natürlich ganz klar, daß unserem Center-Manager nur die Kosten als Strukturkosten ergebnisverschlechternd aufs Auge gedrückt werden dürfen, die er beeinflussen kann und darf. Es macht keinen Sinn, die Hosting-Kosten dem Profit-Center anzulasten, wenn der Center-Manager nicht die Kosten durch einen Wechsel zu einem anderen Hoster beeinflussen kann, weil er über das Hosting nicht entscheiden darf.

Hier muss man sich vorher überlegen, welche Kompetenzen man bereit ist, an Mitarbeiter zu delegieren.

Ein weiterer Vorteil in der Profit-Center-Organisation ist die einfache Ergebnis-Planung für das nächste Jahr und die Überwachung im laufenden Jahr, ob das Ziel erreicht wird. Damit setzen Sie das Führungsprinzip nach objektiven Kriterien um (auch gegen sich selbst, wenn Sie in der Ein-Mann/Frau-Firma der Center-Manager sind)

Fazit

Online-Aktivitäten lassen sich als Profit-Center organisieren und wirksam managen. Mit der Erfolgsrechnung hat man Instrument, um bei einem starken Wachstum seines Unternehmens die Verantwortung gut an einen Mitarbeiter zu delegieren und zu steuern sowie Kreditgebern plausible Ergebnisplanungen vorzulegen.

Insofern gilt, dass in diesem Punkt die klassische Betriebswirtschaft auch für Online-Unternehmer nützliche Dienste erweist.

Wenn Sie Fragen haben oder Hilfe bei der Umsetzung / Einführung des Center-Prinzips benötigen, sprechen Sie mich über den unten angegebenem Link an.

Über den Autor Axel Schröder

Axel Schröder ist Diplom-Kaufmann und Inhaber der Unternehmensberatung Axel Schröder. Sein Beratungsangebot umfasst die betriebswirtschaftlichen Themenfelder Vision, Strategie und strategische Planung, Controlling, Prozessmanagement, und Risikomanagement.

Mit diesen Leistungen fokussiert er sich auf Selbständige, Handwerker und kleinere Unternehmen.

Sie finden mehr Artikel über Betriebswirtschaft für Selbständige unter Axel Schröder – Unternehmensberatung für Mittelstand und Handwerk

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Peer Wandiger

10 Gedanken zu „Gilt die klassische Betriebswirtschaft auch für Online-Unternehmer?“

  1. Ich bin bei solchen Artikeln immer zwiegespalten. Einerseits glaube ich, dass es absolut notwendig ist, auch als Online-Unternehmer den Erfolg des eigenen Unternehmens zu überprüfen und es ist gut, dass es dafür professionelle Methoden gibt und Leute, die sich damit beschäftigen.

    Andererseits werde ich bei solchen Texten das Gefühlt nicht los, dass ein relativ einfacher Sachverhalt unnötig verkompliziert wird, damit er als Wissenschaft durch geht. Die Essenz des Artikels ist doch, dass man bei einem Online Geschäft Einnahmen und Ausgaben, getrennt nach sinnvollen Kategorien, gegenüberstellen soll und das Management des Geschäfts auch an Mitarbeiter abgeben kann.

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  2. @ Jonas
    Dein Fazit finde ich passend. Es ist sicher ein wichtiges Thema, wie detailiert das jeder angeht, ist eine andere Sache.

    Spätestens wenn man Angestellte hat, sollte man es aber sauber und ausführlich machen.

    Aber es gehen auch viele Einzelunternehmer pleite, weil sie den Überblick verlieren.

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  3. Ich kann mich da nur voll und ganz Jonas anschließen. Als Online-Unternehmer ist es genauso wichtig den Erfolg des Unternehmes genauestens zu überprüfen, und das es dafür professionelle Methoden gibt ist gut und richtig, aber auch sein zweiter Absatz leuchtet mir ein. Oftmals neigen wir, gerade in Deutschland dazu die Dinge viel komplizierter zu machen als sie eigentlich sind. Mit einer schönen Exceltabelle und einer cleveren Gegenüberstellung ist das alles halb so wild und nicht so schwer, denke ich mal. Das delegieren von Aufgaben ist da schon schwieriger, zumindest in Einzelbereichen. Nicht alles kann man jedem anvertrauen, und manches mal muss man einen Mitarbeiter erstmal einarbeiten oder ein gewisses Vertrauensverhätlnis zu ihm aufbauen.

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  4. In meinen Augen sollte man sich auf jeden Fall an den genannten betriebswirtschaftlichen Kriterien orientieren – übrigens egal, ob als Einzelunternehmer oder im Team.
    Was ich mittlerweile aber äußerst fragwürdig finde, ist, ob das klassische Studium der BWL einen angehenden Gründer wirklich weiterbringt. Vieles dreht sich darin um das Vorgehen in klassischen Großunternehmen oder Konzernen. Diverse Themen wie z.B. Finanzierung haben meistens mit der Lebenswelt eine Online-Gründers wenig zu tun. Meines Erachtens ist dieser daher besser beraten, wenn er sich alternative Wege sucht, um sein Gründungswissen aufzubauen, nicht zuletzt solche Blogs wie diesen hier.
    Zum Thema, ob die klassische BWL für Gründer heutzutage was taugt, hab ich übrigens vor kurzem einen Post auf DigitalBetrieb.de verfasst: “Warum BWL für Gründer nichts taugt (und welche Alternativen es gibt)”.

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  5. @Thorsten: Ein BWL-Studium ist keinesfalls notwendig um als Gründer durchzustarten, weder im Web noch im Offline-Bereich. Natürlich hilft ein solches Studium, da es Grundlagen vermittelt. Aber genauso können auch technische Studiengänge oder auch Berufserfahrungen nach einer abgeschlossenen Lehre helfen.

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  6. Hallo,
    ein grundlegendes betriebswirtschaftliches Wissen sollte sich jeder Selbständige aneignen.
    Egal ob durch Studium, Internet oder viel praktische Erfahrung.
    Sonst läuft man Gefahr auch mit einem Ein-Mann-Betrieb vor die Wand zu fahren.
    Erlebe ich leider häufig in meinem Beruf…

    Verregnete Grüße
    Heike

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  7. Ich bin auch Unternehmer und habe keinen Betriebswirt gemacht. Oft wäre es vielleicht von Vorteil, aber man kann sich doch auch so gut beraten lassen und Infos bekommt man doch genug im Netz.

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  8. Natürlich kann man in Deutschland, wie überall auch, ein Unternehmen gründen ohne BWL studiert zu haben.
    Es gibt genügend Beispiele sehr erfolgreicher Unterneher, die mit Mut, einer tollen Geschäftsidee und sehr viel Fleiß sehr erfolgreich wurden.

    Insofern stimme ich Carsten zu, jeder hat die Chance, erfolgreich zu sein.

    Und jeder hat die Möglichkeiten, sich weiterzubilden. Ob organisiert bei IHK, HWK, Uni oder in Eigeninitiative in der Stadtbücherei bzw. in Blogs und Foren wie SiN.

    Was mir aber wichtig ist, mitzugeben, weil es meine Erfahrung in der Begleitung meiner Kunden ist: Sobald man das “Garagendasein” (das meine ich jetzt wirklich nicht negativ, auch HP wurde in einer Garage gegründet), also die Start-Up-Phase überwunden hat und man nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich ist weil z.B. Mitarbeiter jeden Monat ihr Gehalt wollen, sollte man auch seine sonstigen betrieblichen Handlungen (Controlling, Risikomanagement, Liquiditätsplanung etc.) im Unternehmen auf eine sehr solide Basis stellen.
    Und sehr solide Basis meint damit eine Anwendung bestimmter Mindeststandards, die einfach von Dritten erwartet werden.

    Leider werden diese Mindeststandards von einigen nicht eingehalten und gerade diese Unternehmer sind es, die überproportional oft nach kurzer Zeit wieder aufgeben oder schlimmer, in eine Pleite rutschen mit allen negativen Folgen.

    Kapitalgeber, Betriebsprüfer vom Finanzamt oder sonstige Anspruchsgruppen jeglicher Art werden nicht nur nach der Geschäftsidee fragen, sondern immer auch danach, wie bestimmte Sachverhalte im Unternehmen organisiert sind.

    Hier hat es sich einfach als hilfreich erwiesen, wenn man bestimmte Erwartungen erfüllen kann, also wenn man eine DB-Rechnung vorlegen kann, oder eine Systematik, wie mit Risiken umgegangen wird oder eine Cash-Flow-Rechnung.
    Diese Dinge sollten nie um Ihrer selbst Willen gemacht werden, sondern immer dazu dienen, neben dem Steuerungseffekt auch weitere positive Wirkungen zu entfalten.

    Ein Beispiel dazu: Wer ein sauberes Risikomanagement nachweisen kann, hat nicht nur seine Risiken im Griff (Selbstzweck) sondern bekommt von diversen Analysten ein besseres Rating und damit günstigere Kredite bei der Bank. Damit zahlt sich der Aufwand auch in barer Münze aus!

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  9. @ Thorsten: ich kenne in unsere Branche ( Veranstaltungen / Events ) wenige, bis keinen, die irgendetwas studiert haben. Warum auch? Ich denke, jeder sollte einfach rechnen können, realitätsnah denken, und einfach ein wenig Vorkenntnisse haben 🙂
    Meiner Meinung nach läuft es bei den meisten DJ – Agenturen und kleineren Veranstaltungstechnik-Buden nach dem Motto ,,learn-it-by-doing´´, sicher gibt es auch einige Ausnahmen.

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  10. Interessante Aspekte.

    Zum Schluß kommt es sicher auch darauf an, mit welcher Leidenschaft und Disziplin ich meiner Sache nachgehe.

    Und ich sollte es mit Geduld und Nachhaltigkeit betreiben. Dann stehen die Chancen auf Erfolg recht gut.

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