Im zweiten Anlauf zur erfolgreichen Selbständigkeit – Tipps, Erfahrungen und mehr

Eine gescheiterte Selbständigkeit muss kein Beinbruch sein. Mein heutiger Interview-Gast hat sich zum zweiten mal selbständig gemacht und ein Startup gegründet.

Ich spreche mit ihm über seine Erfahrungen, den Wert von Planungen, Networking und vieles mehr.

Das sehr lange Interview enthält viele interessante Einblicke.

Hallo Richard. Bitte stell dich meinen Lesern vor.

Hallo Peer, mein Name ist Richard Sirch aus München, Gründer und zuvor selbstständiger Online Marketing Berater mit Spezialisierung auf Onpage-SEO. Ich bin seit Ende 2013 selbstständig und seit kurzem Gründer einer kreativen Contentredaktion namens Tastenfeuer.de.

Im Jahr 2001, mit 20 Jahren, habe ich ohne tieferen Anspruch und mit einfachsten Mitteln eine private Website gestartet namens necroweb.de. Damals waren meine Interessen Computerbasteln, insbesondere um für 3D Shooter noch etwas mehr Leistung aus dem Rechner rauszukitzeln, außerdem Autos und Musik. Daher ist auch der Name der Website NecroWeb eine Ableitung von meinem damaligen Zocker-Nickname NecroKnight.

Beruflich gings dann als Fachinformatiker Richtung IT, insbesondere Netzwerktechnik, Computer und Telefonie.

Die Website NecroWeb lief privat und ich konnte mich anfangs nicht so richtig entscheiden um was es überhaupt gehen sollte. Entweder eine Musikseite im Bereich Metal, Gothic, Electro und Rock zu machen oder eine Autoseite. Diese Musikrichtungen miteinander zu vermischen ging damals gar nicht, kann man sich jetzt gar nicht mehr vorstellen, ich war einer der Ersten. Hatte ich zuerst die Rezensionen ausschließlich selbst geschrieben, kamen sehr bald aus dem Freundeskreis Autoren dazu, die per Mail Rezensionen schickten, die ich dann einpflegte. Das Musikthema hat sich dann einfach durchgesetzt. Um mehr Besucher zu bekommen, habe ich mich mit dem Thema Suchmaschinenoptimierung auseinandergesetzt. Hier bin ich schließlich auch beruflich gelandet.

Wie bist du zum Bloggen gekommen und welche Erfahrungen hast du sammeln können?

Ich habe verschiedene Blogs angefangen, zu privaten Interessen. Auch ein paar nicht ganz so seriöse WordPressseiten für SEO-Tests und Affiliateseiten. Inzwischen ist das meiste aber Geschichte.

Aktiv blogge ich nur noch mehr unter www.webgeist.de, einem Blog über Online Business, Selbstständigkeit, Unternehmergeist und diverse Geschichten aus dem Leben. Der Begriff Webgeist ist die Leidenschaft für das Web und Online Marketing mit einem guten Schuss aus Zeitgeist und Unternehmergeist.

Ich habe bei Webgeist kein Interesse mit dem Bloggen Geld zu verdienen, viel mehr mag ich das schreiben und gebe auch gerne Erfahrungen weiter oder meinen Senf zu einem Thema ab, vor allem zu guten Veranstaltungen. Letztlich ist das bloggen für mich ein Verarbeiten von Themen und auch eine Form des „Networking“. Wobei ich schon erstaunt bin, wie viele Leute das lesen, was ich da verzapfe, habe ja doch eine recht eigene Art zu schreiben. Gerade außerhalb der Website bekomme ich immer wieder schönes Feedback, das freut mich. Ich denke mir würde es wohl keinen Spaß machen bloggen zu müssen, um meinen Lebensunterhalt damit zu verdienen.

Mit meinen früheren verschiedenen Blogs und eigenen wie auch Kunden-Websites habe ich extrem viel gelernt. Die Essenz ist jedoch recht einfach, mache etwas Besonderes und etwas Authentisches. Positionierung ist auch im Netz die halbe Miete.

Wann hast du dich selbständig gemacht und warum?

Ich bin jemand der gerne überall die Warum-Frage stellt, Sachen dann optimieren möchte und manchmal Zusammenhänge entdeckt, die sonst keiner sieht. Wenn man den Status Quo in Frage stellt, eckt man schnell an. Meine Erfahrung ist oft gewesen, wenn ich viele Ideen hatte, helfen wollte und motiviert war, wurde mir schnell unterstellt mich ständig zu beschweren. Ich habe Sachen entwickelt, wo viele sich Zeit sparen konnten, dann wurde es erstmal abgelehnt, irgendwann hat es dann doch den Weg in den Betrieb gefunden und da hat sich aber keiner mehr an den Urheber erinnert. Daher war es nur ein logischer Schritt irgendwann etwas Eigenes haben zu wollen.

So habe ich schon 2009 nebenberuflich versucht mich selbstständig zu machen. Nach dem Scheitern habe ich mich dann aber lange noch nicht soweit gefühlt, um es nochmal zu versuchen. Trotzdem habe ich immer viel getestet, ausprobiert und sehr viele Bücher gelesen. Außerdem habe ich die Fehler meiner Arbeitgeber beobachtet – nicht unbedingt die beste Lösung, aber als Angestellter oft die einzige Möglichkeit. Besser ist es von erfahrenen Leuten zu lernen, die bereits die Situation erfolgreich gemeistert haben, das Problem ist, dass man diese Menschen als Angestellter oft nicht direkt kennt. Auch gut ist es zu lernen in Form von Büchern, die man als Angestellter leider oft auch nicht kennt (oder nicht daran glaubt, dass die gut sind) und in Form von Seminaren, die man sich als Angestellter meist überhaupt nicht leisten kann, geschweige denn Urlaub bekommt.

Letztlich hatte ich das Glück, dass mein letzter Chef mir durch sein Verhalten den letzten Tritt in den Hintern gegeben hat, der nötig war um mich Ende 2013 selbstständig zu machen. Offenbar hatte das, was ich bis dahin gelernt hatte, gereicht, um auf die Beine zu kommen.

Wie lief der Start in die Selbständigkeit und welche Hindernisse musstest du überwinden?

Im ersten Monat habe ich praktisch nichts verdient. Habe mich mit verschiedenen Webmaster Kleinaufträgen über Wasser gehalten und habe mich dann sehr schnell Richtung reine SEO-Onpage-Beratung positioniert und habe hier durch leistungsabhängige Bezahlung mein Geld verdient. Hätte auch in die Hose gehen können, doch letztlich hat es sich ausgezahlt an etwas fest zu Glauben. Zum Glück bin ich ganz gut in der Onpage-SEO, weil ich eben auch in der Vergangenheit die meisten SEO-Aktivitäten in Frage gestellt hatte und mich auf ein paar wenige Sachen konzentrierte, die dafür wiederum ausgesprochen gut und nachhaltig funktionieren.

Grundsätzlich war ich ziemlich schlecht vorbereitet auf die Selbstständigkeit und hatte auch niemand so richtig, den ich fragen konnte mit dem ganzen Behördenkrams usw.. Auch wie man sich selbst organisiert, muss man erstmal auf die harte Tour lernen, habe ich das Gefühl. Hinzu kommt, dass einem Selbstständigen bei gesundheitlichen Problemen niemand das Gehalt weiterzahlt, was ein Problem sein kann.

Das Schlimmste ist eigentlich, dass deine nicht-selbstständige Umgebung nur bedingt verstehen kann, was du durchmachst. Du kannst zwar erzählen was dir im Kopf rumgeht oder gar schlaflose Nächte bereitet, verstehen tut ein Unbeteiligter nun mal nicht so richtig, was es bedeutet wirklich verantwortlich für seine Taten oder gar für Mitarbeiter zu sein.

Wenn du im Homeoffice arbeitest, bist du für alle anderen „einfach zu Hause und immer erreichbar“, man kann sich angeblich „mal schnell einen Tag frei nehmen“. Wenn diese zwei Welten aufeinander prallen, dann ist das nicht schön. Daher sollte man sich unbedingt ein Netzwerk aus Selbstständigen und Unternehmer aufbauen, bevor man ins kalte Wasser springt, um sich über die Erfahrungen und Probleme austauschen zu können. Dass die guten Geschäfte sowieso nur über Vitamin B entstehen kann auch nicht genug betont werden.

Was waren die deutlichsten Unterschiede zwischen deiner Zeit als Angestellter und der Selbständigkeit?

Als Selbstständiger und jetzt inzwischen als Unternehmer fühle ich mich freier und unabhängiger. Für mich ist es toll, jetzt Sachen machen zu dürfen, die Sinn machen und nicht nur fürs Geld zu arbeiten.

Die meisten Firmen funktionieren so, dass sie möglichst viel Geld verdienen möchten. Das ist nicht meine Art zu arbeiten, ich möchte möglichst großen Nutzen für meine Kunden generieren, wenn ich eine Dienstleistung erbringe. Wenn ich Geld verdiene, möchte ich durch strategische Herangehensweise Geld verdienen, aber nicht durch Arbeitsleistung in Form von Zeitaufwand.

Außerdem kann ich mir jetzt aussuchen, mit wem ich zusammenarbeite, nämlich mit Profis, da kann Arbeit wirklich Spaß machen.

Inzwischen habe ich viele interessante Unternehmer und Firmen kennengelernt, bei denen es mir vermutlich schwer fallen würde den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Inzwischen gäbe es für mich allerdings auch keinen Weg mehr zurück ins Angestelltendasein, habe zuviel Unternehmerluft geschnuppert.

Wie hat sich deine Selbständigkeit bis heute entwickelt?

Meine Selbstständigkeit ist durch zufällige Chancen bestimmt, die ich ergriffen habe. Für mich ist Unternehmertum ein Spiel bei dem ich durch Hirnschmalz und Einfachheit gewinnen möchte.

Ich mache Pläne, setze sie möglichst sofort um, justiere nach und verwerfe diese auch schnell wieder, wenn sich eine bessere Chance ergibt. Ich versuche den Kern einer Sache zu erfassen und bin bis jetzt ganz gut damit gefahren.

Was würdest du im nachinein anders machen, wenn du könntest?

Ich würde mich viel mehr auf Fitness und Gesundheit konzentrieren, bevor ich den Schritt in die Selbstständigkeit wagen würde.

Außerdem sollte man sich vor der Selbstständigkeit einen guten Steuerberater suchen und nicht erst mittendrin. Ordnung und Strukturen schaffen ist extrem wichtig, das habe ich im Vorfeld auch verpasst.

Konntest du deinen Businessplan genauso umsetzen oder hat sich im Verlaufe der Zeit daran was geändert?

Ich halte gar nichts von Businessplänen. Ich hatte einen gemacht für die Existenzgründungsberatung der IHK im Jahr 2009. Wie erwähnt ging dieser erste Start nicht gut.

Ich würde mich außerdem nicht mehr von einem Angestellten zur Existenzgründung beraten lassen. Businesspläne macht man für den Existenzgründungsberater, für den Bänker, für Kapitalgeber und Investoren, aber für sich selbst braucht man nur ein emotionalisiertes Ziel und fiktive Pläne.

Fiktive Pläne fühlen sich toll an, geben ein Kontrollgefühl und sortieren die Gedanken. Trotzdem bin ich bereit jeden Plan über den Haufen zu werfen, wenn sich eine bessere Chance ergibt, die zum Ziel führt. Die Zukunft ist eh nicht planbar, wieso sich also auf konstruierte Pläne versteifen, wenn es so viele unplanbare Gelegenheiten gibt.

Wie motivierst du dich und wie gehst du mit Motivationsproblemen um?

Ich mache regelmäßig alle paar Wochen eine Warum-Prüfung: Warum mache ich das alles?

Da wird alles auf den Prüfstand gestellt und schon mal das eine oder andere gekickt.

Wie organisierst du deine Arbeit und welche Rolle spielt dein Büro?

Auch wenn ich Businesspläne nicht verwende, sollte man sich Strukturen schaffen, um sich nicht zu sehr zu verzetteln. Ich habe zum Beispiel Tagespläne und Wochenpläne und feste Termine im Monat, damit nicht allzuviel hinten runterfällt. Ich schreibe jede Tätigkeit, die ich mache auf und bewerte sie mit einem Kürzel: U=Unternehmertätigkeit, M=Managertätigkeit, F=Fachkrafttätigkeit, Z=Arbeiten am Ziel.

Inzwischen bin ich bei meiner konkreteren Zielplanung bei Quartalszielen als Zeitraum angelangt, das ist ein Zeitraum der nicht zu kurz und nicht zu fern in der Zukunft ist. Auch habe ich für meine Unternehmungen strategische 7 Jahres Pläne. Es muss in den langfristigen Plänen Platz sein für taktische Änderungen und Zufälle, daher sehe ich diese Planungen mehr als roter Faden. Ich versuche die Quartalsziele oder Zwischenziele möglichst zu erreichen, bin mir aber auch nicht böse, wenn ichs nicht geschafft habe. Hauptsache es geht vorwärts.

Was planst du für die Zukunft?

Ich habe mit meinem Partner, dem freien Journalisten Christian Bonk, das Redaktionsbüro Tastenfeuer.de hier in München gegründet. Wir sind ein kreativer Contentlieferant für ansprechende Texte.

Ursprünglich wollten wir uns in Richtung Content Marketing positionieren, haben allerdings sehr schnell gemerkt, wie groß die Nachfrage für ausgereifte und empathische Texte ist. Wir bieten daher kein Content Marketing an, sondern ausschließlich Inhalte.

Wir haben bei Tastenfeuer drei Standpfeiler:

  • Der erste Standpfeiler ist „Brand Content“ das ist die Kommunikation der Geschäftsideen und der Markenbotschaft unserer Kunden. Damit gehen wir letztlich auf die Bedürfnisse und Interessen der Kunden unserer Kunden ein.
  • Da unsere Stärke ganz klar auch in der Kreativität liegt, bieten wir „Kreative Texte“, sprich Kurzgeschichten, Fortsetzungsgeschichten, Gedichte, Hilfe bei der Namensfindung für Produkte und Firmennamen, sowie den Entwurf von Claims oder auch Einladungstexte an, da sind den Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt.
  • Die dritte Kompetenz liegt im Bereich „Redaktionelle Inhalte“ wie Artikel, Reportagen und Interviews, da wir den journalistischen Anspruch und auch den Hintergrund dazu haben. Wir nennen das was wir an redaktionellen Inhalten machen „wirklicher unique Content“, weil wir auch mal den Telefonhörer zur Recherche in die Hand nehmen, wenn es für eine Reportage oder ähnlich anspruchsvolles nötig ist, um eine Thema möglichst vollständig zu erschließen.

Wir scheinen mit dem Produkt „ansprechende Texte“ wirklich einen Nerv getroffen zu haben und sind selbst total überrascht wie groß die Nachfrage ist, ohne dass wir dafür bis jetzt aktiv Werbung gemacht hätten. Daher bin ich aus der selbstständigen SEO-Beratung raus und konzentriere mich auf die Entwicklung unseres motivierten Startups www.tastenfeuer.de.

Zum Schluss würde ich mich über deine wichtigsten Tipps für Gründer freuen.

Das Wichtigste sind die richtigen Kontakte und Wissen. Triff regelmäßig Leute, hol dir einen guten Steuerberater und versuche möglichst viel in verschiedene Richtungen zu lesen.

Wichtige Bücher sind “So denken Millionäre” von T. Harv Eker und “Der Weg zum erfolgreichen Unternehmer” von Stefan Merath.

Peer Wandiger

4 Gedanken zu „Im zweiten Anlauf zur erfolgreichen Selbständigkeit – Tipps, Erfahrungen und mehr“

  1. Tolles Interview, so gut kannte ich den Richard wohl doch noch nicht 🙂

    Noch ein Buchtipp für alle, die über ihre aktuelle berufliche Situation grübeln:

    “Das Café am Rande der Welt”

    Antworten
  2. sehr gutes Interview, das die unterschiedlichsten Situationen, in dem sich Gründer wiederfinden, sehr gut beschreibt. Die Selbständigen-Welt ist tatsächlich eine andere Welt als die der Angestellten.

    Antworten
  3. Gut gewähltes Thema!

    Bin gerade im “ersten Tal der Tränen” nach meiner Gründung im vergangenem Jahr gelandet und hinterfrage momentan mein Bussinesinhalt. Denke darüber nach, stärker in´s Online Marketing zu gehen. Das Interwiev zeigt mir das der Gedanke durchaus Ausbau fähig ist. Jetzt nur noch das Passende finden.
    Letztendlich zeigt mir das Interwiev, dass es eben doch kein Weltuntergang ist eine Idee in den Gulli zu spülen, dadurch kann sich durchaus auch wieder eine neue entwickeln.

    Lieben Dank für die (unbewusste) Aufbauhilfe!

    Antworten
  4. Ein sehr schönes Interview habt ihr da zusammen gemacht. Ich denke dieser Bericht wird schon dem einen oder anderem helfen können die Selbstständigkeit gut zu planen und sie dann durchzuziehen. Leider ist die Anfangszeit bei der Selbstständigkeit immer die schlimmste Zeit und dann ist es wirklich schwer sein Selbstvertrauen nicht zu verlieren.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar