Lerntechniken für Selbstständige und Tipps gegen die Informationsflut – Interview

Auch wenn man es als Kind nicht hören wollte, es stimmt, dass man sein Leben lang lernt. Auch und gerade als Selbstständiger im Netz muss man sich immer wieder mit neuen Entwicklungen beschäftigen und bekommt jeden Tag unzählige neue Informationen präsentiert.

Da stellt sich die Frage, wie man sich am besten weiterbildet und wie man mit den vielen Informationen im Web umgeht.

Im Interview mit einer Professorin und Buchautorin geht es um Lernstrategien, typische Probleme und die Bewältigung der Informationsflut.

Guten Tag Frau Klenke. Bitte stellen Sie sich meinen Lesern kurz vor.

Ich bin Professorin für Statistik an der Hochschule Hannover und was ich am Unterrichten so liebe, ist die Möglichkeit Menschen dabei zu helfen, an sich selber und ihr eigenes Potenzial zu glauben.

Ich habe ein Erfolgs-Coaching-Konzept (klenkecoaching.com) speziell für Studierende entwickelt, was nicht zuletzt auch in meiner eigenen Lern-Biographie begründet ist. Als Teenager hatte ich meine Begeisterung für Mathe entdeckt und habe dann auch Mathematik studiert.

Es war für mich wirklich eine große Herausforderung “trotz” des trockenen Studiums meine Leidenschaft für das Fach wach zu halten. Zum Teil habe ich mir damals in meiner Verzweiflung eigene alternative Lernwege gesucht, um den Stoff überhaupt erlernen zu können.

In der Zeit als ich an meiner Doktorarbeit geschrieben habe, habe ich das Kreative Schreiben und auch das Neurolinguistische Programmieren (NLP) für mich entdeckt. Beide begleiten mich und mein Leben seitdem. Und beides sind Grundelemente meines Studenten-Coaching-Konzeptes.

Was genau bieten Sie an und an wen richtet sich Ihr Buch “Studieren kann man lernen: Mit weniger Mühe zu mehr Erfolg”?

In den letzten Jahren wurde mehrfach (statistisch) untersucht, welche Faktoren wirklich über Lernerfolg entscheiden.

Hätten Sie gedacht, dass zum Beispiel eine hohe Intelligenz von Studierenden nicht ausschlaggebend für gute Noten ist? Und übrigens auch der Fleiß nicht?! Die größten Bemühungen helfen wenig, wenn jemand eine ungünstige Einstellung zum Lernen hat oder eine ungeschickte Lernstrategie benutzt.

Ich will mit meinem Buch Studierenden Mut machen. Denn ich weiß, dass jeder und jede, der oder die in einem Hörsaal sitzt bzw. es bis zu einem Studium geschafft hat, über hinreichend Intelligenz, Kraft und Potenzial verfügt, um sein oder ihr Studium nun auch mit Erfolg abzuschließen.

Mit dem richtigen Knowhow darüber, wie das menschliche Gehirn lernt, wie man sich selber die Lernumstände angenehm(er) gestalten und sogar seine innere Einstellung upgraden kann, steht dem Erfolg im Studium oder auch in sonstigen Weiter- und Ausbildungen nichts mehr im Wege. Das Buch enthält Tipps, die (bisher) an unseren (Hoch-)Schulen (noch) selten vermittelt werden.

Obwohl sich mein Ratgeber vorrangig an Studierende richtet, habe ich mittlerweile viele positive Rückmeldungen dazu erhalten, dass die darin enthaltenen Tipps Leser/innen bei jeder Art des Lernens (und sogar auch in anderen Lebenslagen) weiter helfen.

Die Autorin Cordula Nussbaum schrieb in einer Rezension: “(…) in der Gesellschaft des lebenslangen Lernens sind gute Lernmethoden immer gefragt. Kira Klenke liefert mit ihrem Buch das Handwerkszeug für erfolgreiche Weiterbildung.”

Sie betreuen Studenten und geben Unterstützung für richtiges Lernen. Warum ist das notwendig und was bringt das?

Das ist notwendig, weil leider (bisher) nur wenige Studierende das Lernen an sich je erlernt haben. Etliche Studierende arbeiten weiterhin unreflektiert mit ihren alten, aus der Schulzeit stammenden Lern-Angewohnheiten und stoßen dann damit im Studium irgendwann an ihre Grenzen. Insbesondere wenn sie dann auch noch ungünstige Überzeugungen wie z.B. “Mathe liegt mir nicht” verinnerlicht haben.

Sich selber bewusst eigene Lernstrategien zu suchen, insbesondere solche die zum persönlichen Lerntyp und den individuellen Neigungen passen, macht das Lernen so viel einfacher und auch deutlich effektiver.

Und auch das Lernen behindernde Überzeugungen wie “Statistik ist zu hoch für mich” kann man ablegen bzw. verändern.

Worauf kommt es für ein erfolgreiches Studium Ihrer Meinung nach besonders an?

Das Erfolgskonzept, so wie ich es in meinem Studenten-Ratgeber vorstelle, basiert im Prinzip auf einigen wenigen Grundelementen, die sich gegenseitig ergänzen und unterstützen: Es ist essentiell, sich selber eigene Lernziele zu setzen, die nicht nur die offiziellen Prüfungsanforderungen, sondern insbesondere auch die eigenen Bedürfnisse und Neigungen und auch die eigenen beruflichen Fernziele unterstützen.

Dann ist es gerade für Studierende sehr hilfreich zu verstehen, wie Wissen und neue Information im Gehirn verarbeitet und abgespeichert werden, um die Kapazitäten des Gehirns optimal nutzen können.

Hilfreich sind darüber hinaus alle (Coaching-)Techniken, die helfen die eigene Situation mit etwas Abstand, wie durch die Brille eines Außenstehenden, zu betrachten.

Solche Selbst-Management-Methoden, die dabei helfen eigene eingefahrene Angewohnheiten im Handeln, Denken und Fühlen bewusst(er) wahrzunehmen und bei Bedarf auch upgraden zu können. Schon das allein wird dann ein befreiteres und kraftvolleres Agieren und Lernen nach sich ziehen.

Viel zu wenig bekannt sind unter Studierenden auch unterstützende Mentaltechniken, ähnlich wie sie seit Jahrzehnten von Hochleistungssportlern mit großem Erfolg genutzt werden. All das kann man im Detail mit praktischen Schritt-für Schritt-Anleitungen in meinem Buch nachlesen.

Weil es zu meinem Blog passt würde mich interessieren, wie es aktuell bei den Studenten mit dem Wunsch nach der Selbstständigkeit aussieht. Hat die gute Wirtschaftslage da etwas verändert?

In dem Fach, in dem ich schwerpunktmäßig lehre (Medizinischen Informationsmanagement) ist die Arbeitsmarktlage sehr gut für unsere Absolventen. Die meisten bekommen, sofern sie räumlich flexibel sind, noch vor Beendigung ihres Studium eine gute Stelle angeboten.

Von unseren Absolventen denkt kaum jemand daran sich selbstständig zu machen. Vielleicht wäre das anders, wenn die Wirtschaftslage schlechter wäre oder würde?

Aber auch da wäre natürlich zusätzlich ausschlaggebend, in wie weit sich jemand hinreichend gerüstet fühlt für eine Selbstständigkeit. Dazu müssten (konventionelle) Studienprogramme entsprechend verändert bzw. erweitert werden.

Wie wichtig ist eine kontinuierliche Weiterbildung für den Erfolg von Selbstständigen?

Das hängt einerseits vermutlich von der Branche ab. Die Halbwertszeit des Wissens wird jedoch in allen Bereichen immer kürzer. Andererseits gehört heute neben einem fundierten, zeitgemäßen Fach-Knowhow eine professionelle Webpräsenz, geschicktes das Marketing über Social Media und vieles von dem, was Sie auf Ihrer Webseite ansprechen für jeden Selbstständigen zum notwendigen Rüstzeug. Selbst wenn jemand dies alles outsourct, braucht er oder sie dennoch ein solides, Zeit gemäßes Grundwissen darüber. All das wird ohne kontinuierliche Weiterbildung kaum zu erreichen sein.


Selbstständige leiden oft unter Zeitmangel. Gibt es da besondere Tipps zum Lernen?

Damit eine Weiterbildung auch tatsächlich weiter bringt, ist es wichtig sich vorher klar machen, was genau man sich davon erhofft bzw. welches persönliche Ziel man damit verfolgt.

Neben einer solchen klaren Zielsetzung ist es ebenso wichtig, sich gegebenenfalls “unterwegs” selber eigene Lernstrategien zu suchen, sollte man feststellen: der offiziell vorgesehene Lernweg ist für mich nicht der optimale.


Bücher oder Internet? Wie geht man mit der heutigen Informationsflut am besten um?

Ja, das ist wirklich ein Problem. Ich selber lese sehr viel (und sehr gerne!), sowohl in Büchern als auch im Internet. Gerade letzteres ist ein tückischer “Zeit-Fresser”, da man dort schnell – während man sich von Link zu Link hangelt – das ursprüngliche Ziel aus den Augen verlieren kann.

Einerseits habe ich so schon oft mir neue, aktuelle und wichtige (Forschungs-)Hinweise und Infos gefunden, die ich mir auf konventionellem Wege nicht so schnell zugänglich gewesen wären. Andererseits verliere ich aber dadurch auch gelegentlich mein aktuelles Recherche- und Arbeits-Ziel unterwegs aus den Augen. Und verliere damit kostbare Zeit.

Ich habe vor einigen Monaten fasziniert das Buch “PhotoReading” von Paul Scheele gelesen und dann auch ein bisschen mit der Methode experimentiert.

Wichtig scheint mir, mit einem ganz klaren Recherche-Ziel im Hinterkopf zu lesen, dem gemäß man dann “unterwegs” strikt selektiert und, dass man am besten auch nur in einem festen, vorher definierten Zeitrahmen liest.


Welcher Fehler wird beim Lernen bzw. bei der Weiterbildung am häufigsten gemacht?

Verdoppelung der bisherigen Anstrengung, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt. Spätestens dann wird es Zeit, nach einer neuen Strategie Ausschau zu halten.


Was halten Sie von den diversen eLearning-Angeboten im Internet? Können diese Fachbücher und den direkten Kontakt zum Dozenten ersetzen?

Studierende nutzen aus meiner Sicht zu selten, dass man zum Beispiel bei Youtube zu jedem Thema und für jede Fachrichtung (und auch für jeden Kenntnisstand) sehr gute Lehrvideos finden kann. Das mag bei meinem Lehrfach der Statistik daran liegen, dass diese Videos häufig in Englisch sind, aber die Zahl der deutschen Filmangebote steigt täglich.

Darüber hinaus bin ich (aufgrund meiner eigenen Erfahrungen sowohl als Lehrende als aber auch als Lernende) fest davon überzeugt, dass der direkte Kontakt und persönliche Einfluss eines Dozenten von ganz entscheidender Bedeutung ist.

Das ist übrigens auch die Botschaft des Neuseeländers John Hattie, der Bildungsforscher und Professor an der University of Melbourne ist. Bei ihm basiert diese Erkenntnis darauf, dass er sämtliche englischsprachigen Studien weltweit zum Lernerfolg (mehr als 50.000 Einzeluntersuchungen mit 250 Millionen beteiligten Probanden) gesichtet und statistisch in Metaanalysen ausgewertet hat.


Wie sehen Sie die Zukunft des Lernens? Was wird sich verändern und was muss sich verändern?

Ich persönlich bin angenehm überrascht und sehr angetan davon, was ich seit gut einem Jahr sowohl als Teilnehmerin als aber auch als Dozentin (wobei ich da noch wirklich in den Kinderschuhen stecke) bei sogenannten Webinaren erlebt habe.

Mit einer entsprechend angepassten Didaktik und einer guten Webinar-Software (mit verschiedenen Abstimmungs-Tools und Rückmelde-Fenstern) ist eine lebendige, die Teilnehmenden einbindende und motivierende Interaktion durchaus möglich, d.h. ein guter Kontakt und echter Austausch zwischen Dozent/in und Teilnehmenden. Ich glaube, diese Technik hat im Weiterbildungsbereich Zukunft.


Danke Frau Klenke

für das Interview.

Peer Wandiger

2 Gedanken zu „Lerntechniken für Selbstständige und Tipps gegen die Informationsflut – Interview“

  1. Ein lebenlanges Lernen ist klar, doch wie lernt der Mensch am Besten?

    Auch ich habe an Schulen und in den Kitas viele Kinder mit Lernschwierigkeiten beobachtet und betreut. Dabei fiel mir auf, dass es bei diesen Kindern (wie aus auch im Interview erwähnt wird) nicht an Intelligenz oder Kraft oder Potenzial fehlt – sondern schlichteweg am Umgang mit dem Lernstoff.

    Aber auch alle anderen Schüler waren nicht gleich beim Lernen. Jeder lernt auf eine gewisse Art besser, oder schlechter. Das hat nichts mit der Intelligenz zu tun.
    Auch für Personen, die sich selbständig im Netz machen wollen gilt es, die eigenen Wege des Lernens zu finden und diese gezielt umzusetzen.

    Ich beispielsweise weiß, dass ich sehr gut texten kann und schreibe meine Blogbeiträge selber. Hingegen habe ich zunächst Lerndefizite im Programmieren und beim Grafikdesign. Daher hole ich mir Hilfe und baue mein Business damit aus.

    Also scheint die Frage auch sehr wichtig, inwieweit Selbständige im Internet ihre Aufgaben outsourcen können ohne alles selber lernen und umsetzen zu müssen!

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  2. Ich habe bis 2001 an der Fachhochschule Hannover im Bereich Medizinisches Informationsmanagement (Biowissenschaftliche Dokumentation) studiert. In mehreren Semestern Statistik hat Frau Klenke mir die Überzeugung “Statistik ist zu hoch für mich” gehörig ausgetrieben 🙂 jedenfalls habe ich irgendwann sämtliche Prüfungen tatsächlich bestanden… Das Lernen wie man etwas lernt, bzw. das Anwenden bestimmter Lerntechniken, hilft mir bis heute bei meiner täglichen Arbeit.

    Scheinbar bin ich eine der wenigen ehemaligen Studenten des Fachbereichs die sich später selbständig gemacht haben.

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