Alia Giersch, die Autorin dieser Gastartikels, arbeitet beim DTAD – Deutscher Auftragsdienst.
Öffentliche Ausschreibungen seien nur etwas für alteingesessene Unternehmer und nichts für Existenzgründer – sagt man. Doch was ist dran an dieser Behauptung?
Wir sagen Ihnen, was Sie als Jungunternehmer beachten müssen, um Ihre Erfolgschancen in öffentlichen Ausschreibungsverfahren zu steigern.
Kaum hat man die ersten Hürden einer Existenzgründung überstanden und die ersten Ideen verwirklicht, besteht die größte Herausforderung darin, endlich an lukrative Aufträge zu kommen.
Eine Stammkundschaft muss erst aufgebaut werden. Wer nicht auf Maßnahmen setzen will, deren Erfolg wie zum Beispiel beim Aufbau und bei der Pflege einer Internetpräsenz erst sehr spät greift, braucht andere Möglichkeiten.
Alternative Wege gehen
Die Rede ist von der öffentlichen Hand. Öffentliche Ausschreibungen stellen für Jungunternehmern unter bestimmten Voraussetzungen vielversprechende Möglichkeiten dar, Aufträge zu erhalten. Die öffentliche Hand muss ihren Bedarf an Reinigungsarbeiten, Druckerzeugnissen, Bauarbeiten, etc. ab einem bestimmten Wert öffentlich bekannt geben.
Im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens wartet der öffentliche Auftraggeber auf eingehende Bewerbungen von Bietern. Es versteht sich von selbst, dass der Auftragssuchende alle Erwartungen des Auftraggebers erfüllen muss und eine gewissenhafte Kalkulation durchführen muss, bevor er sich um die Vergabe eines Auftrages bewirbt. Trotz des enormen Potentials dieser Art der Auftragsgewinnung genießt die öffentliche Hand einen Ruf, welcher der Realität hinterherhinkt.
Nicht nur, dass die öffentliche Hand angeblich keine Bewerbungen von Existenzgründern akzeptiere, so sei auch ihre Zahlungsmoral denkbar schlecht. Doch das ist falsch. Auch Existenzgründer haben eine Chance bei öffentlichen Ausschreibungen und die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand bietet gerade Jungunternehmern erhebliche Vorteile.
Berücksichtigung durch die öffentliche Hand
In öffentlichen Ausschreibungen finden sich stets detaillierte Angaben zu den gewünschten Referenzen und Voraussetzungen, die ein Bieter mitzubringen hat. Dazu sollte sich der Existenzgründer mit der Vergabestelle auseinandersetzen, die veröffentlichten Ausschreibungstexte genau durchlesen und keine Scheu haben, offene Fragen telefonisch zu klären. Bereits aus diesen gewonnenen Informationen lässt sich ableiten, wie groß die Chance auf einen Auftrag ist.
Hilfreich ist es zudem, sich einen Leitfaden für öffentliche Ausschreibungen durchzulesen. Diese beinhalten fundiertes Fachwissen rund um das öffentliche Vergabewesen und werden von marktführenden Ausschreibungsplattformen zur Verfügung gestellt.
Auch wenn bestimmte K.O.-Kriterien zum Ausschluss aus einem Ausschreibungsverfahren führen sollten, gibt es noch eine weitere Möglichkeit: Ausschreibungsplattformen bieten die Möglichkeit des Erwerbs von Informationen über bereits vergebene Aufträge.
Diese Informationen enthalten genaue Angaben über jene Unternehmen, welche den Auftrag demnächst ausführen werden. Viele dieser Unternehmen werden im Anschluss nach kompetenten Subunternehmern suchen. Mithilfe der erworbenen Informationen kann ein Existenzgründer direkt mit dem Auftragnehmer Kontakt aufnehmen und sich bei diesem als Subunternehmer bewerben und ist anderen Subunternehmern somit einen Schritt voraus.
Die Zahlungsmoral
Es gibt aktuell kaum sicherere Zahlungseingänge, als die der öffentlichen Hand. Während bei privaten Auftraggebern trotz sorgfältiger Auswahl ein gewisses Risiko besteht, seinen Aufwand nicht vergütet zu bekommen, zahlt die öffentliche Hand deutlich zuverlässiger.
Allerdings muss man damit rechnen, dass diese Zahlungen mit einer Verzögerung getätigt werden. Dies sollten Existenzgründer im Rahmen einer soliden finanziellen Basis einkalkulieren.
Dennoch gilt: Zehn verzögerte aber sichere Zahlungseingänge sind wertvoller als eine gar nicht beglichene Rechnung, die im schlimmsten Falle vor Gericht landet.
Der Weg zur öffentlichen Ausschreibung
Doch wie kommt ein Existenzgründer an relevante Informationen über öffentliche Ausschreibungen. Weit verbreitete Anlaufstellen sind hierbei Amtsblätter und Staatsanzeiger, seltener Rathäuser und andere Ämter.
Allerdings muss der Auftragssuchende eine Menge Zeit und Geduld mitbringen, um über diese Quellen die passenden Informationen zu erhalten. Zudem haftet diesen Quellen der Ruf an, nicht immer über die aktuellsten Auftragsinformationen zu verfügen.
Ähnlich sieht es bei Anzeigen in Tages-, Wochenblättern und auch im Internet aus. Der Bedarf an aktuellen und umfassenden Ausschreibungen wurde längst erkannt. So genannte Ausschreibungsplattformen haben sich auf die Beschaffung und Aufbereitung von Auftragsinformationen spezialisiert. Sie sind an Aktualität unschlagbar, beinhalten die Datenbanken der Marktführer auf diesem Sektor doch weit über 450.000 Auftragsinformationen jährlich.
Doch selbst wenn es mit einer öffentlichen Ausschreibung einmal so gar nicht klappen sollte, so bleibt nach Abgabe der fehlerfrei ausgefüllten Verdingungsunterlagen der entscheidende Vorteil, der Vergabestelle von nun an bekannt zu sein. Im Falle einer späteren beschränkten Ausschreibung ist man nicht mehr der unbekannte Branchenneuling.
Fazit
Keine falsche Scheu vor der öffentlichen Hand!
Gerade für Existenzgründer ist der Weg über Ausschreibungsplattformen sehr interessant und eröffnet oft unterschätzte Möglichkeiten. Wichtig ist dabei jedoch, dass der Jungunternehmer die am Markt verfügbaren Ausschreibungsplattformen miteinander vergleicht – allem voran bezüglich der Aktualität der Ausschreibungsinformationen und der Abdeckung auf dem Markt.
Hat er sich für einen professionellen Informationsservice entschieden, der aktuelle Ausschreibungsinformationen aus allen Branchen und Regionen zur Verfügung stellt, hat der Existenzgründer eine erhebliche Bandbreite an potentiellen Aufträgen dazugewonnen.
Anmerkung
Ein recht interessantes Thema finde ich. Ich selber habe mich damit noch nicht beschäftigt, sehe aber für viele Bereiche da durchaus Potential.
Leider scheint die Vergabepraxis derzeit recht eindeutig auf die Formel “Der billigste bekommt den Zuschlag” hinaus zu laufen, was es oft schwierig macht, mit seriösen Kalkulationen erfolgreich zu sein.
Doch gerade Selbständige und Existenzgründer haben den großen Vorteil, ohne Verwaltungsapperat und Overhead-Kosten kalkulieren zu können. Das können größere Agenturen und Firmen nicht.
Wie auch immer. Die öffentlichen Ausschreibungen scheinen ein interessantes Feld zu sein, welches viele Existenzgründer und Selbständige (mich eingeschlossen) überhaupt nicht auf dem Radar haben.
Hat jemand von euch damit schon Erfahrungen gemacht?
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Ich finde den Artikel echt interessant. Auf so eine Idee bin ich noch gar nicht gekommen und werde mich da sicherlich mal zu weiterinformieren. Was mir jetzt aber auffällt – das mag jetzt Zufall sein – aber für mich klingt der Artikel weniger nach Information, als vielmehr nach Rufverteidigung. Öffentliche Hand ist doch gar nicht so schlecht… und besser spät bezahlt als nie… Ich wusste gar nicht, dass die Behörden da so einen schlechten Ruf haben, dass man den noch mal explizit verteidigen muss.
Ich mache an keinen Ausschreibumgen mehr mit, da
a) Zu Zeitaufwändig, selbst wenn man den Auftrag bekommt, muss man im Vorfeld zu viel Zeir rein stecken die man nicht vergütet bekommt
b) schlecht fürs Image wenn man sich om Preis verkalkuliert bzw. die Wettbewerber geben deutlich zu niedrige Angebote ab, wo man einfach nicht mithalten kann wenn man etwas verdienen möchte
c) es ist demotivierend, den Auftrag nicht zu erhalten. Je mehr desto mehr Energie man reingesteckt hat
d) erhalten meist die gleichen Firmen den Zuschlag, neueinsteiger werden eher belächelt.
Das sind zumindest meine Erfahrungen. Selbiges gilt auch für Pitches.
Zitat:
“Es gibt aktuell kaum sicherere Zahlungseingänge, als die der öffentlichen Hand.”
Da höre ich von unseren Kunden, zum Großteil Handwerker, aber ganz andere Geschichten. I.d.R sieht es dort so aus das diese Betriebe Ihrem Geld regelrecht hinterherlaufen müssen.
Ist mal was Neues und für viele sicherlich auch eine Option.
Meine Erfahrung aus Bau bzw. Reinigungsgewerbe:
In der Regel gewinnen die niedrigsten Gebote. Und die werden dann leider oft über ausländische Arbeitnehmer gegenfinanziert bzw. es werden Löhne deutlich unter Tarif gezahlt.
Dass die öffentliche Hand da nicht besser achtgibt ist echt übel.
Also ich mach hauptberuflich Projekte fast ausschließlich für Behörden. Eigentlich machen wir alle Behörden, Ämter, Spitäler, Schulen, Kindergärten, Uni´s, Feuerwehrs einfach alles in dieser Stadt, was im öffentlichen Dienst steht, etc.
Behörden zahlen auch nicht sonderlich gut, eher mies, was ich so merke, aber irgendwann zahlen sie doch 🙂
Die Preise sind sowieso im Keller, dafür sind die Auflagen hart und die Verträge eng.
(Ich rede von der Möbelbranche, aber Behörden sind Behörden, denn meistens rennen die Einkäufe, Fakturen, etc. über eine Einkaufsabteilung / Magistratsabteilung, sodass die Zahlungsmoral in allen Bereichen sehr ähnlich sein dürfte, denn die Nutzer der Produkte, die man liefert sind andere als die Einkäufer und andere als die Buchhalter.)
Öffentliche Ausschreibungen? Auf jeden Fall! Jedoch sollte man darauf achten, dass der Leistungsumfang verstanden und ausgeführt werden kann. In der Regel zahlt die öffentliche Hand pünktlich, jedoch wenig, weil viele da rein wollen. Daher ist es ratsam, an “beschränkten” Ausschreibungen teilzunehmen. Beschränkt bedeutet in diesem Fall, dass nur bestimmte Firmen zugelassen werden. Meistens Firmen, die eine sog. “Präqualifikation” haben.
Aber meine Meinung zu Ausschreibungsportalen: Man braucht diese nicht. Nicht wirklich. Jedes Bundesland hat eine eigene Vergabeplattform, an der man ohnehin angemeldet sein muss, um an den Vergaben teilzunehmen. Und ein Existenzgründer wird nicht durch die Republik rasen, um von Dresden an einer Ausschreibung in Köln teilzunehmen.
Meine Erfahrungen sind in der Baubranche und die dazugehörigen Planungsleistungen. In anderen Bereichen kann das anders sein. Aber ich denke nicht, dass es große Abweichungen gibt.
In der Tat ein sehr interessanter Artikel, an dem sich ja anscheinend die Gemüter schneiden…
@Texterela: wie bitte soll dieser Artikel denn eine Rufverteidigung sein, wo die Verfassein doch nichts mit der öffentlichen Hand zu tun hat? Das ist doch eine Firma in privater Hand, oder habe ich da etwas übersehen?
Naja. Für Existenzgründer ohne Vorerfahrung sind öffentliche Ausschreibungen eine ganz schön harte Nuss. Man muss ja auch die sogenannte Zuverlässigkeit, Fachkunde usw. nachweisen und das ist für ein neues Unternehmen schon mal schwierig. Zudem muss man viel Fingerspitzengefühl in der Preisgestaltung haben. Liegt man zu hoch ist man chancenlos und macht sich viel Arbeit mit den aufwendigen Angeboten, liegt man zu niedrig kriegt man womöglich einen Auftrag, der einen ausblutet. Als “Anfänger” (zumindest im Dienstleistungbereich) würde ich mir da nicht zuviel versprechen und lieber erstmal auf private Unternehmen setzen. Da lassen sich Vertragsbedingungen erstmal flexibler aushandeln. Ist man dann schon mit einigen Wassern gewaschen, kann mans ja mal mit den öffentlichen versuchen.
@peak8
Man kann Referenzen aus den vorherigen Berufserfahrung einbringen und auch auf diese Projekte verweisen. Aber die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung hat auch einen anderen Vorteil: Man kann damit sehen, wie der Markt sich entwickelt und wo die Preise gut oder schlecht sind. Denn mit dem Submissionsergebnis hat man dann auch die Ergebnisse in der Hand und kennt die Marktteilnehmer.
Die behördlichen Anforderungen an die Form der Angebotsabgabe sind natürlich höher als bei einem privaten Auftraggeber. Aber wenn man einmal den Dreh raus hat, ist es nur noch Routine.