Während für Selbständige im Netz das Internet das zentrale Marketing-Werkzeug darstellt, tun sich viele Handwerker damit noch immer schwer.
Im heutigen Interview spreche ich mit einem Experten über die Möglichkeiten des Internets für Handwerker.
Zudem gibt es interessante Einblicke und praktische Tipps.
Guten Tag. Bitte stellen Sie sich meinen Lesern vor.
Hallo Peer, vielen Dank für das Interesse und das ich die Möglichkeit habe Ihnen und den Lesern vorzustellen.
Mein Name ist René Elsässer und ich bin für den Trapezblech-Hersteller Nordbleche als Verantwortlicher für Marketing und IT tätig. Als gelernter Industriemechaniker (Abschluß 1999) habe ich seitdem diverse berufliche Stationen und Weiterbildungen in der IT (MCSE) und Marketing (Fachwirt und Social Media Manager) sowie Betriebswirtschaft hinter mich gebracht, mit denen ich meinem generalistischen Naturell ein breites Aufgabenspektrum mit viel Freude abarbeiten kann.
Nebenher bin ich noch Ambassador für die Xing Osnabrück Gruppe und seit 10 Jahren bei den Wirtschaftsjunioren Deutschland aktiv, dort 2016 im dritten Jahr als Direktor WJD Training im Bundesvorstand. Ein Mix an Aufgaben und Herausforderungen, die einander befruchten und mich nicht nur in meiner Kreativität fordern sondern auch unterstützen. Sehr wichtig in meinem Job, wo es um Visionen und Strategien geht.
Wie nutzt das Handwerk nach Ihrer Erfahrung bisher das Internet beruflich?
Ich bin Fan des Handwerks. Nicht nur, dass ich selbst etwas handwerkliches gelernt habe, auch wenn es in der Industrie war, so ist es dennoch Arbeit mit Werkstoffen und das Verständnis desselben, auch das Interesse am Handwerk wie auch zugleich die Hochachtung vor vielem künstlerischem Gewerk und der Lust “mit den Händen arbeiten zu wollen”, sind Grund für meine Liebe zum Handwerk.
Aus diesem Grunde fühle ich mich dem Handwerk nahe. Mein Job bei Nordbleche gibt mir den Kontakt zu vielen Dachdeckern, Zimmerleuten, aber auch Spenglern und zahlreichen Handwerkern sowie Heimwerkern. Es macht Spaß.
Doch erkenne ich eines immer wieder: Die meisten Handwerker, die ich kenne, sind richtig gut in ihrem Job, großartige Talente, fleißig und im Sinne ihrer Berufung ganz tolle Menschen. Wenn es allerdings um Selbstvermarktung geht, um die eigene Präsentation, finde ich hier immer wieder extrem viel Ausbaupotential – aber auch das Verständnis für die Notwendigkeit vermisse ich bei ganz vielen.
Was sind die häufigsten Fehler, die von Handwerkern diesbezüglich gemacht werden?
Meiner Meinung nach: Lustlosigkeit und Unverständnis für das Medium Internet. Es wird gemacht, weil es “gemacht werden muß”, weil es “jeder hat”. Doch der Webseitenbesucher spürt eine lieblos gemachte Webseite, und damit meine ich nicht mal aufwendige Grafiken und optische Spielereien, sondern alleine schon das geschriebene Wort und schöne Fotos vom Gewerk sind ein guter Anfang.
Und am wichtigsten ist nun: Steht die Webseite, wird sie genutzt und es flattern Emails in den Postkasten. Jetzt kommt der größte Fehler: In ganz vielen Fällen wird diese gar nicht oder erst nach Wochen oder gar Monaten beantwortet. Dies ist mir sogar bei großen Autohäusern passiert, die Tendenz im Handwerk ist leider noch viel stärker dahingehend zu beobachten.
Ja, es gibt viele Gründe dafür es nicht zu tun, sich lieber auf das Handwerk zu konzentrieren. Doch das ist sehr kurz gedacht, wie ich finde.
Wie können Handwerker eMails nutzen und auf was sollten sie dabei achten?
Zuerst: NUTZEN. Nicht nur “die Existenz akzeptieren”, sondern Emails auch nutzen. Fragt ein Kunde per Email an, kurzfristig antworten (1-2 Tage maximale Wartezeit für den Kunden). Und bitte Verständnis für die Kundenanfrage haben.
Zahlreiche Kunden haben nicht die Möglichkeit am Tage zu telefonieren, sondern sind am Abend online, suchen sich Hilfe und schreiben eine Email. Ab dem Zeitpunkt ist der Handwerker dran. Der Fisch ist quasi fast am Haken und möchte geangelt werden, doch wenn der Auftragnehmer ihn zu lange zappeln lässt, wird er woanders hingehen und einen schlechten Eindruck vom Handwerksbetrieb mitnehmen.
Was bringt eine eigene Website oder ein Blog für Vorteile für Handwerker?
Ein 24 Stunden Schaufenster, eine Tageszeit-unabhängige Präsentationsplattform, die mit relativ wenig Aufwand aktuell zu halten ist, keine Druckkosten mit sich bringt und auch nicht veraltet, wie Prospekte die mal gedruckt wurden.
Hier können tagesaktuell Informationen, Nachrichten und Berichte veröffentlicht werden, die sich bei entsprechender Mühe und Individualität schnell auch optimal für Suchmaschinen auswirken können und die eigene Webseite besser und schneller im Web gefunden wird.
Muss eine eigene Website viel kosten?
Definitiv nein! Wer hier natürlich mit einem Assistentenpaket vom Webhostinganbietern oder “Webseiten aus der Box” für ganz wenige Euronen viel erwartet, wird zu recht enttäuscht sein.
Sowohl die Einarbeitung kostet Zeit, egal wie bewandert man ist und sich Zeit nimmt, es braucht eben etwas Aufwand, aber auch das Ergebnis ist sehr eingeschränkt auf Grund der geringeren individuellen Möglichkeiten.
Gefühlt kann ein Budget von <1000€ ein super Einstieg sein, wer sich leicht darüber orientiert, bekommt ein tolles Paket geliefert und kann sich wieder auf sein Handwerk konzentrieren.
Wie sorgen Handwerker dann für Aufmerksamkeit, damit Besucher auf ihre Website gelangen?
“Tue Gutes und rede darüber” (Walter Fisch). Wenn ein Handwerker seine Arbeiten auch zeigt, sich innovativ und kundennah zeigt, zum Beispiel bei Facebook. Wenn er “Tips und Tricks vom Profi für Selbermacher” veröffentlicht…
Das ist sicherlich erstmal aufwendig, kommt aber immer mehr Zuspruch von der Netzgemeinde, macht es auch zunehmend Spaß und die Kreativität steigt passend dazu.
Kooperationen mit anderen Handwerksbetrieben, Gemeinschaftsarbeiten und all das auch im Web zu veröffentlichen…Mitmachprojekte u.v.m. ziehen die User an und wecken Interesse.
Macht Social Media Sinn für Handwerker? Wenn ja, warum?
Definitiv ja. Aber! Nur wenn sie es auch regelmäßig betreiben. Und dazu gehört Ausdauer.
Aus meiner Erfahrung kann es mehrere Jahre dauern, bis die gewünschte Wahrnehmung erreicht ist. Die meisten, die ich erlebte, haben vorher aufgegeben. So war es auch hier bei Nordbleche. Als ich 2010 mit dem Blog, Twitter und kurz darauf Facebook und später Google+ begann, hatte ich in der Trapezblech-Branche so einige Nachahmer. Teilweise mit großem Aufwand und wirklich schöner Gestaltung der Auftritte.
Doch bereits nach wenigen Monaten war der Hype verflogen, der Alltag kehrte ein und die Arbeit war allen zuviel. Es wurden nur noch “Angebote” veröffentlicht und die oftmals sehr lieblos wie ich finde, das möchte doch kein User permanent lesen.
Die Kontinuität, die Nachrichtenvielfalt, die Kreativität des Auftritts … das sind meine Faktoren nachhaltig die Onlinebesucher zu begeistern. Wozu das Ganze? Kundenbindung und Markenbildung. Wenn es bei der Suche nach den (vertriebenen, hergestellten, angebotenen) Produkten/Dienstleistungen keinen Weg mehr am eigenen Unternehmen vorbei gibt, hat man es geschafft.
Dann gilt es den Ruf und Status zu halten. Und ich meine: Es lohnt sich. Wenn die ersten Anfragen und später Aufträge über soziale Medien eintrudeln, wird es spannend und das Engagement auch messbar. Das macht richtig Spaß!
Wie schafft man es dauerhaft dranzubleiben und nicht irgendwann die Lust zu verlieren?
Gibt es eine nachhaltige Eigenmotivation, die man planen kann? Für mich habe ich noch keine gefunden. Und es gab immer mal wieder Monate in denen ich weniger motiviert war und andere wo ich nur so sprühte vor Ideen.
Doch wenn die ersten Monate bis zwei Jahre erstmal geschafft sind, werden neben der täglichen Schokolade und Lektüre anderer Blogs und Medien dann die Klickzahlen zum Motivator. Wenn Google Analytics und der blogeigene Zähler die stetig steigenden Besucherzahlen preisgeben, welche Artikel sind besonders frequentiert und welche weniger und vielleicht zeigt sich sogar auch warum, dann macht es Spaß und ist ein riesiger Motivator.
Wie geht man als Handwerker am Besten Schritt für Schritt vor?
Im Grunde erstmal an der Einstellung arbeiten. Es ist keine Pflicht zu bloggen oder in sozialen Medien zu schreiben. Wer sich damit quält, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch “zwischen den Zeilen” kommunizieren.
Auch der Gedanke, von einer gratis Werbeplattform auszugehen, auf der ich ungefiltert schreiben kann wie toll meine Produkte seien und die Angebote großartig sind, wird wohl sehr schnell enttäuscht. Es kommen keine Verkäufe, wenig Klicks und auch sonst ist wenig los.
Man stelle sich vor (z.B. als Fliesenleger), in die Fußgängerzone zu stellen, ein paar Fliesen in die Hand zu nehmen und laut zu rufen “Hey…seht meine Fliesen! Billig, günstig und sehen super aus! Kommt her…”. Mehr als verwunderte Blicke dürfte er kaum erhalten. Würde derselbe Handwerker nun ein kleines “Musterbad” aufbauen und ein tolles Fliesenmosaik “zaubern”, würden die Leute stehenbleiben, zuschauen, staunen und einige vermutlich einen ausgelegten Flyer einstecken oder den Handwerker sogar direkt darauf ansprechen.
Quintessenz daraus für mich ist: Authentisch über sich und sein Wirken zu berichten, wenig werblich und einen kleinen Plan machen, worüber ich wann berichte. Saisonbedingte Berichte (Ostern, Weihnachten usw.), besondere Ereignisse “einarbeiten” oder auch mal völlig unternehmensferne Inhalte ausarbeiten.
Wichtig ist, dass der Leser sich wohl fühlt und die Suchmaschine was damit anfangen kann. Genau in dieser Reihenfolge. Und ein kleiner “Redaktionsplan” als roter Faden (Januar: Frostschäden im Bad, Februar: Renovierung der Heizungsanlage, März: Frühjahrsputz…) hilft ungemein. Die spontanen Ideen kommen dann von alleine.
Wie sehen Sie die Zukunft? Geht es noch ohne Internet für das Handwerk?
Natürlich wird das Handwerk ohne Internet weiter existieren können. Bedingt dadurch, dass es immer weniger Nachwuchs im Handwerk gibt, ergeben sich automatisch (leider!) Verknappungen und die Situation, dass Handwerker sich einiges herausnehmen können.
Nicht abgegebene Angebote, Unpünktlichkeit, kritisch zu betrachtende Arbeiten, deutliches Potential in der Kommunikation und Außendarstellung kennen bestimmt ganz viele Leser. Das ist nicht die Regel, aber auch nicht mehr unbedingt vereinzelte Ausnahmen.
Durch die Zahl der Aufträge, die auch durch immer weniger handwerklich begabte Konsumenten bzw. die keine Lust mehr zum Selbst machen haben, und weniger werdenden Handwerker, ist das Handwerk nicht auf das Internet angewiesen.
ABER… ich bin überzeugt davon, daß diejenigen, wie auch schon jetzt immer wieder erkennbar, mit gutem Engagement im Internet aber auch direkt am/beim Kunden wirken, nicht austauschbar sind, sondern durch Kundenzufriedenheit und Vertrauen ein starkes Wachstum zu verzeichnen haben dürften und langfristig einen sicheren “Job” mit bester Auftragslage genießen können.
Zum Schluss würde ich mich über ihre wichtigsten Tipps für Handwerker freuen, die das Internet geschäftlich nutzen wollen.
Vertrauen in sich selbst und das Internet haben, sich mal beraten lassen, was zum vernünftigen Preis machbar ist (Bloggestaltung, Einrichtung Facebookseite usw.) und der unbedingte Wille hier nicht etwas abzugeben, sondern wenn kein Mitarbeiter dafür zuständig sein kann, es zur Chefsache zu machen.
Am wichtigsten, wie schon häufiger erwähnt: Nicht nachlassen, Ausdauer haben, aber auch immer daran zu denken, dass der Köder dem Fisch schmecken muß, sprich – nicht permanent werblich sich als den King darzustellen.
Auch immer schauen was die anderen machen, es gibt immer jemanden der etwas anders und/oder besser macht. Doch nicht einfach nachmachen, sondern adaptieren. Wenn es Spaß macht, wird es auch erfolgreich! Ich bin überzeugt davon. Und 5 Jahre Blogging bei Nordbleche.de sprechen eine deutliche Sprache.
Danke Herr Elsässer für das Interview
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Der Handwerker Markt wird häufig unterschätzt. Gerade auf lokaler Ebene kann man da eine Menge in die Tat umsetzen. Werde mir diesen Artikel für einen Kunden merken. Dankeschön.
es fehlt ein neues ebay für handwerker, auch kleinere. ebay kleinanzeigen ist nicht der richtige ort und myhammer war nie gut genug. das problem ist zudem, dass handwerker unheimlich teuer sind, so dass man vieles einfach liegen lässt, oder selbst hand anlegt.
Je intensiver der Wettbewerb, umso schwieriger sticht man als Anbieter von Dienstleistungen hervor. Gerade bei der Handwerker-Branche trifft das wahrscheinlich zu. Ich finde es schon durchaus interessant, dass das digitale Zeitalter jeden zwingt das Internet als Werbeanzeige zu nutzen. Nun gute Handwerker brauchen auch qualitative hochwertige Werkzeuge und Materialien. Ich denke mal, dass die meisten ihre “Lieferanten” haben, aber im Internet findet man immer etwas tolles.
Super Tipps wieder einmal von dir Peer! Was anderes ist man ja nicht gewohnt.
LG Peter
Ich finde heutzutage sollte man auch als Kleinunternehmen und Mittelunternehmen auf jeden Fall im Internet präsent sein. Potenzielle Kunden sind oft im Internet und informieren sich in Foren oder auf anderen Webseiten. Grüße, Jan
Sehr schöner Artikel, vielen dank dafür 🙂
Da sind viele wichtige Tipps dabei, aber ich denke, dass das Internet für Handwerker immer wichtiger wird. Ohne eine Präsenz im Netz wird man in Zukunft kaum noch Geschäfte machen können. Ein Großteil der Aufträge kommt für viele Handwerker mittlerweile aus dem Internet über die eigene Webseite oder über Handwerker-Seiten.