Die Themen Buchhaltung und Steuern beschäftigen die meisten Exisenzgründer und Selbständige regelmäßig.
Es kostet Zeit sich darin einzuarbeiten bzw. sich damit regelmäßig zu beschäftigen, wenn man diese Aufgaben nicht an einen externen Experten abgeben möchte, was gerade zu Beginn natürlich auch eine Geldfrage ist.
Im heutigen Interview spreche ich mit einer Mitarbeiterin eines Online-Buchhaltungstools, die mir viele Fragen, unter anderem zur Umsatzsteuer, beantwortet hat.
Hallo Frau Nielsen. Bitte stellen Sie sich meinen Lesern vor.
Hallo Herr Wandinger, gerne doch. Von Hause aus bin ich Politologin und Publizistin.
Seit gut 2 Jahren mache ich die Online- Kommunikation für das einfache online Buchhaltungsprogramm Debitoor. Zielgruppe sind Kleinunternehmer und Freelancer.
Da ich vor Debitoor selbst als Publizistin freiberuflich unterwegs war, fühlte ich mich gut aufgehoben bei Debitoor und nutzte die Gelegenheit mein Wissen rund um die Buchhaltung zu erweitern.
Wie unser Buchhalter sagt: “Als Selbstständiger kommt man nicht um die Buchhaltung herum.” Recht hat er.
Wie alle Themen, die man sich näher anschaut, fing die Buchhaltung an Spaß zu machen. Deshalb gebe ich mein Wissen gerne unverbindlich weiter.
Sie kennen sich gut mit Buchhaltung und Steuern aus. Welche Rolle spielen diese Themen für Selbstständige?
Das Thema Steuern spielt gerade für Gründer eine entscheidende Rolle. Auf viele wirkt es wie ein Dinosaurier und das Thema Buchhaltung geht oft einher mit Unsicherheit und Angstschweiß vor dem Finanzamt.
Habe ich alles richtig erfasst? Was, wenn ich Ärger mit dem Finanzamt bekomme?
Anfängliche Fehler bei der Buchhaltung sind Standard. Das Gute ist, dass sie meistens korrigierbar sind. Das Schlechte ist, dass sie Kosten und erheblichen Zeitaufwand verursachen.
Und wer hat schon Zeit, gerade in der Gründerphase. Da sind viele so mit dem “Überlebenskampf” beschäftigt, dass sie die Buchhaltung vernachlässigen. Dabei ist eine ordnungsgemäße Buchhaltung das A und O, wenn es um die Existenz geht.
Was sind die häufigsten Probleme rund um das Thema Steuern, die sie von Selbstständigen hören?
Zunächst natürlich Fragen, die in direktem Zusammenhang mit der Gründung stehen: Unternehmensform, Beantragung der Steuer-Nr., Gewerbesteuerpflicht, (Zwangs-)Mitgliedschaften in Verbänden (IHK, HK etc.), rechtliche Voraussetzungen für die Geschäftseröffnung (Lizenzen, Genehmigungen, Abnahmen von Betriebsräumen etc.) und Weiteres.
Auch die Frage nach der Notwendigkeit von Steuerberatern und die Art der Aufzeichnungspflichten sind häufige Probleme.
Unsicherheit besteht auch bei Kleinunternehmen, wenn sie die magische 17.500 € – Grenze Jahreseinkommen überschritten haben. Muss man direkt Umsatzsteuer melden?
Muss ich Belege aufbewahren? Ja, denn das Finanzamt will immer Originalbelege sehen.
Viele denken auch, dass das Scannen von Belegen ausreicht und sie die Belege nicht mehr aufbewahren müssen. Das ist leider nicht der Fall.
Rechnungen müssen z.B. 10 Jahre aufbewahrt werden.
Muss man als Gründer oder Start-up eine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben?
Als Kleinunternehmer reicht meist eine Einnahmenüberschussrechnung aus. Wenn man nicht unter die Kleinunternehmerregelung fällt (§ 19 UStG), ist man dem Grunde nach erst einmal zur Umsatzsteuervoranmeldung verpflichtet.
Das Finanzamt meldet sich aber diesbezüglich und teilt einem die Intervalle der Abgabe mit.
Es kann sich als nützlich erweisen die IST-Versteuerung bei der Unternehmensgründung zu wählen.
Was gilt es zu tun, wenn ich vergessen habe die Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben?
In jedem Fall Kontakt mit dem zuständigen Finanzamt aufnehmen und unverzüglich die Umsatzsteuervoranmeldung einreichen. Dies kann auch online über „Elster online“ erledigt werden.
Wegen der verspäteten Zahlung ist das Finanzamt berechtigt Verspätungszuschläge und Zinsen zu berechnen.
Wenn es das erste Mal passiert, das man die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung vergisst, kann man aber einen Antrag auf Erlass dieser Zusatzgebühren stellen und in den meisten Fällen wird dem auch entsprochen.
Wie korrigiert man eine Umsatzsteuervoranmeldung?
Eine Korrektur der Umsatzsteuervoranmeldung macht beispielsweise Sinn, wenn Belege vergessen worden sind und Ausgaben nicht erfasst wurden.
Eine Umsatzsteuervoranmeldung kann man korrigieren, indem man den gleichen Zeitraum nochmals versendet. In dem Formular bzw. in der Erfassung über Elster Online muss man dann eine 1 oder 10 in das Korrekturfeld setzen.
Damit weiss das Finanzamt, dass die vorherige Umsatzsteuervoranmeldung nicht mehr gültig ist und durch eine veränderte Meldung ersetzt wurde.
Wann ist eine Umsatzsteuer-ID notwendig und wie werden ausländische Einnahmen hinsichtlicher der Umsatzsteuer behandelt?
Die Umsatzsteuer-ID ist nur im Falle eines Handels innerhalb der EU notwendig. Diese gilt nicht für Drittland oder auch im Inland. Die Umsatzsteuerpflicht richtet sich in jedem Fall nach dem Ort der Leistungserstellung und den länderspezifischen Fiskalvorschriften.
Da aber bei B2B (Business to Business) Geschäften beide Teilnehmer meistens „vorsteuerabzugsberechtigt“ sind, stellt die Umsatzsteuer nur einen sogenannten durchlaufenden Posten dar, d.h. dass die Umsatzsteuer einfach bis an den Endverbraucher durchgereicht wird.
Es gibt verschiedene steuerrechtliche Modelle der USt-Verrechnung innerhalb der EU, wie z. B. das Reverse-Charge-Verfahren.
Was hat es mit der Zusammenfassenden Meldung auf sich und für wen ist diese wichtig?
Die sogenannte Zusammenfassende Meldung (ZM oder auch Intrastat-Meldung) dient dem Datenaustausch zwischen den einzelnen europäischen Staaten. Diese Daten werden dann in verschiedenen EU-Kommisionen zusammengefasst und zur weiteren Bearbeitung (etwaige Zahlungsausgleiche, Statistiken, Steuerberechnungen) genutzt.
Die Zusammenfassende Meldung ist eine verpflichtenden Erklärung für alle Wirtschaftsteilnehmer innerhalb der EU, d.h. es werden Säumniszuschläge und Zinsen für verspätete oder nicht abgegebene Meldungen festgelegt.
Über ElsterOnline erfolgt die Zusammenfassende Meldung.
Was ist bei der Kleinunternehmerregelung anders und was gehört auf eine Kleinunternehmerrechnung?
Die Kleinunternehmerregelung dient der Vereinfachung von Verwaltungsaufwand für die Finanzbehörden und des Kleinunternehmers selbst. Bis zu einem Jahresumsatz von 17.500,- EUR kann eine solche Kleinunternehmerregelung beantragt werden.
In jedem Fall muss auf jeder Kundenrechnung deutlich angegeben sein, dass die Rechnung aufgrund der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) steuerfrei ist. Ansonsten würde die Umsatzsteuer im Falle einer Betriebsprüfung vom Leistungsersteller im Nachhinein verlangt.
Was muss man bzgl. der Umsatzsteuer beachten, wenn man nebenberuflich selbstständig ist?
Wenn der Selbstständige unter die Kleinunternehmerregelung fällt, ist nur der Zusatz in der Kundenrechnung zu beachten. Ansonsten gelten auch für nebenberufliche (freiberufliche oder gewerbesteuerpflichtige) Tätigkeiten die gleichen Aufzeichnungspflichten wie für hauptberuflich Tätige oder Unternehmen. Das bedeutet auch, das Rechnungen unter 150,- EUR keinen USt-Betrag ausweisen müssen (ab 2017 liegt die Grenze zur Umsatzsteuer-Kleinbetragsregelung bei 200 Euro).
Zum Schluss würde ich mich über ihre wichtigsten Steuer-Tipps für Selbstständige und Gründer freuen.
Ich bin keine Steuer-Expertin, aber vor, beziehungsweise bei der Gründung ist es wichtig, dass
- die Unternehmensform richtig gewählt wird
- das Geschäftsmodell exakt definiert wird
- ein Geschäftskonto eröffnet wird, um private Aufwendungen von geschäftlichen zu trennen.
Danke Frau Nielsen
für das Interview.
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Danke für dieses interessante Interview. Leider wird das Thema Buchhaltung tatsächlich gern vernachlässigt, so dass es bei einer Betriebsprüfung oder Steuernachzahlung ein böses Erwachen gibt. Daher sollte man hier immer am Ball bleiben oder das Thema an den Steuerberater des Vertrauens übergeben, wenn man sich nicht damit beschäftigen kann oder will.
Gruß
Wie schon erwähnt, gerade bei der Gründung eines Unternehmens haben viele vor allem kleinere Unternehmen die Bange, um die Buchführung.
Ich habe zwar die doppelte Buchführung gelernt, bin aber dann doch ganz froh, nur monatlich die Umsatzsteuervoranmeldung und einmal im Jahr die EÜR machen zu müssen.
Ich habe damals als ein Einzelunternehmen gestartet und hatte letzten Monat einen offiziellen Zusammenschluss zu einer GbR, mit meinem Kollegen.
Die rechtlichen Dinge bleiben davon alle gleich.
Ich kann jedem empfehlen, der keinen Umsatz von 17.500€ im Jahr erreicht, trotzdem auf diese §19 Kleinunternehmerregelung zu verzichten.
Dadurch könnt ihr ohne Probleme, bei eingekaufter Ware die Vorsteuer und somit auch andere Dinge, Abschreiben sowie Geräte leasen welche dadurch steuerlich geltend gemacht werden können.
Vielen Dank, dass Sie das Interview gelesen haben.
Den Hinweis von Anfang auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten finde ich sehr interessant.
Der Verzicht kann psychisch den Vorteil haben, dass man nie in Zweifel kommt, ob man noch Kleinunternehmer ist oder nicht, wenn mal einen Monat so richtig gut verdient hat.
Interessanter Artikel dazu: https://debitoor.de/blog/hilfe-bin-ich-noch-kleinunternehmer
Sehr interessantes Interview! Danke Peer! Was mir persönlich neu war: “Das bedeutet auch, das Rechnungen unter 150,- EUR keinen USt-Betrag ausweisen müssen.” Solche Interviews sind immer wieder spannend!
Hallo Karl,
danke auch an Peer.
Und danke an die Leser. Das inspiriert für neue Themen und neue Interviews.
Gibt es Themen von Interesse?
Grüße
Ich finde, wenn man auf die ZM eingeht, muss man auch erwähnen, dass man die ausländische Vorsteuer nur geltend machen kann, wenn man Rechnungen mit der jeweiligen Landes ID erhält. Andernfalls kann man keine Vorsteuer ziehen, in manchen Fällen muss man sogar Umsatzsteuer bezahlen. Gerade beim Internethandel über Grenzen hinaus, sind nicht alle Händler Unternehmer. Zusätzlich muss man die Ausgaben, Einnahmen und die EU-Umsatzsteuer auf verschiedene Konten buchen, sonst kann man keine ZM erstellen. Außerdem kann man auf die Gebühren von Paypal, Amazon und Google keine Vorsteuer geltend machen, weil diese Firmen nicht im deutschen Raum veranlagt werden und ich habe noch nie eine ID-Nr. von denen auf einer Rechnung gesehen.
Meiner Meinung nach sollte wer ernsthaft Geld verdienen möchte, auf die Kleingewerberegelung verzichten. Gerade durch diverse Anschaffungen kann man sich zu Beginn der Gründerphase die Vorsteuer wieder zurückholen und erhält sich ein wenig die Liquidität.
Und letztendlich darf man auch nicht vergessen, dass die verbleibenden Gewinne alle der Einkommensteuer unterliegen. Wer dann z.B. noch Einnahmen mit Affiliaten im Ausland erzielt, ist eventuell in diesen Ländern umsatzsteuerpflichtig und unterliegt in Deutschland der Einkommensteuerpflicht.
Hallo,
was mir in dem Interview gefehlt hat, ist ein Hinweis darauf auf die wichtigen Änderungen in Bezug auf Umsatzsteuer auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen die innerhalb von Europa erbracht werden.
Für Selbständige im Netz ist das sehr relevant, wenn man z.B. eBooks, Apps oder Software online verkauft.
Hier Informationen dazu: http://www.e-recht24.de/artikel/steuerrecht/8019-neue-umsatzsteuer-2015.html
Ich habe da echte Befürchtungen mit der Umsetzng, da ich ja dann in meinem Shop für jedes einzelne EU Land die Mehrwertsteuer pflegen und korrekt auf der Rechnung ausgeben muss. Außerdem muss man ja nach den Gesetzen in Deutschland dem Endkunden die Preise mit Mehrwertsteuer anzeigen – wenn man aber nun unterschiedliche Mehrwertsteuern (entsprechend des Herkunftlandes der Käufers) hat, dann muss die Software also automatisch erkennen, woher jemand kommt. Das ist beliebig schwierig, sprich 100%ig wird man das technisch gar nicht hinbekommen.
Hat da jemand Tipps, wie man das am besten abbildet? Also der Spagat zwischen rechtlich sauber und trotzdem kundenfreundlich/benutzbar?
Vielen Dank!
Gruß
Markus
Hallo,
danke für das Input. Das ist ein interessanter Punkt, den ich mir näher anschauen werde.
Gruss, Susanne
Wie ist das eigentlich, wenn ich gewerbliche Arbeit von einer nicht-gewerblichen Privatperson machen lassen möchte?
Z.B. Wenn mein Bruder, der kein Gewerbe angemeldet hat und auch nicht vorhat, regelmäßig gewerblich zu arbeiten (was einer Gewerbeanmeldung entgegen spricht) mir ein Logo für meine Webseite macht und ich ihm das vergüten möchte.
Normalerweise kann man ja die gewerblichen Ausgaben von der Steuer absetzen (Kostenüberschussrechnung). Vorraussetzung hierfür ist eine Rechnung. In dem Fall könnte man, denke ich, eine Gutschrift schreiben, damit es schriftlich festgehalten ist.
Aber kann die Person dadurch nicht Probleme bekommen, wenn das Finanzamt das prüft und merkt, dass der von der Gutschrift begünstigte kein Gewerbe angemeldet hat und auch keine Steuererklärung macht (muss man ja als Privatperson nicht)?