Die IHK kennen zwar viele Gründer und Selbstständige, aber nur wenige nehmen deren Angebote und Leistungen in Anspruch. Dabei gibt es gerade für Selbstständige und kleine Unternehmen viele Angebote der IHKs in Deutschland.
Im Interview mit Johannes Weidl von der IHK München geht es um die besonderen Angebote für Selbstständige und welche Herausforderungen gerade diese meistern müssen. So geht es unter anderem um die geplante Altersvorsorgepflicht für Selbstständige.
Viel Spaß mit dem Interview und wenn ihr Fragen habt, dann schreibt diese in die Kommentare. Ich leite diese gern an Herr Weidl weiter.
Guten Tag Herr Weidl. Bitte stellen Sie sich kurz vor.
Guten Tag, mein Name ist Johannes Weidl und ich bin Referent für Selbstständige und Kleinunternehmen in der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern. Ich habe die spannende Aufgabe, die größte Gruppe unserer Mitgliedsunternehmen zu betreuen: (Solo-)Selbstständige und Kleinunternehmen.
Über 60% unserer rund 390.000 Mitgliedsunternehmen in Oberbayern beschäftigen keine Mitarbeiter. Von den übrigen 150.000 Betrieben haben 80% weniger als zehn Beschäftigte.
Um diese Zielgruppe noch besser zu unterstützen, haben wir vor ein paar Monaten eine Initiative für Selbstständige und Kleinunternehmen ins Leben gerufen.
Was wollen Sie mit dieser Initiative erreichen?
Wir stellen immer wieder fest, dass viele Unternehmer, insbesondere Selbstständige ohne oder mit nur wenigen Mitarbeitern, die IHK zwar kennen, uns aber nicht als Ansprechpartner für Ihre individuellen Fragestellungen wahrnehmen. Dabei ist das eine unserer Kernaufgaben. Es ist unser gesetzlicher Auftrag, die gewerbliche Wirtschaft in unserem Kammerbezirk zu fördern und ihr Gesamtinteresse zu vertreten.
Wir reflektieren kontinuierlich – durchaus kritisch – , wie und wo wir bei der Erfüllung dieses Auftrags besser werden können. Eine der ersten Maßnahmen war die Etablierung der Plattform ihk-muenchen.de/selbststaendige. Diese ist eine Art Informationsdrehkreuz für die häufigsten Fragestellungen von Selbstständigen und Kleinunternehmen. Das vereinfacht die Navigation durch Website enorm.
Aktuell bauen wir außerdem unsere digitalen Angebote für die Zielgruppe aus. Schwerpunkte liegen in diesem Jahr auf Webinaren zum Thema Marketing und Vertrieb für kleine Unternehmen und die Entwicklung von Online-Tools. Außerdem arbeiten wir daran, die passgenaue Ansprache unserer Informationskanäle zu verbessern.
Neben der Erweiterung des Serviceangebots stehen aktuell auch zwei wichtige politische Themen auf der Agenda, für die wir uns einsetzen: eine bürokratiearme und unternehmerfreundliche Ausgestaltung der wohl bevorstehenden Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und die Schaffung von mehr Rechtssicherheit beim Thema Scheinselbstständigkeit.
Wie sehen die Pläne bzgl. der geplanten Altersvorsorgepflicht für Selbstständige aus und welche Position vertritt die IHK für München und Oberbayern?
Die Bundesregierung plant, eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige einzuführen. Die grundsätzliche Notwendigkeit dieses Vorhabens erkennen wir an. Sorgen Selbstständige nicht ausreichend für ihr Alter vor, muss die Solidargemeinschaft die resultierenden Kosten tragen. Allerdings plädieren wir dafür, den Selbstständigen die Wahlfreiheit über die Form der Vorsorge zu überlassen.
Eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung lehnen wir ab. Dem Gewerbetreibenden sollte ein möglichst breites Spektrum an Altersvorsorgemöglichkeiten offen stehen. Ein staatliches Eingreifen ist nur insoweit begründbar, als dass hierdurch eine Existenzsicherung im Alter erreicht wird. Da es für ältere Selbstständige, die bislang nicht vorgesorgt haben, schwer möglich ist, eine existenzsichernde Altersvorsorge aufzubauen, sollte für diese Gruppe eine Übergangsregelung gelten.
Außerdem sind Sonderregelungen für Gründer sinnvoll, da in der Gründungsphase in der Regel hohe Ausgaben geringen Einnahmen gegenüberstehen. Die Einführung und spätere Überwachung der Altersvorsorgepflicht muss bürokratiearm in bestehende Kontrollstrukturen integriert werden, um die Bürokratiebelastung nicht noch weiter zu erhöhen.
Es gibt also aus unserer Sicht bei der Einführung einiges zu bedenken. Im Rahmen der politischen Interessenvertretung arbeiten wir daran, dass diese Bedenken berücksichtigt werden.
Viel Neues also in der Pipeline. Wie sehen aber eigentlich Ihre bisherigen Serviceangebote für langjährige Selbstständige aus? Lohnt sich für diese der Weg zur IHK?
Auf jeden Fall! Wir bieten unseren Mitgliedsunternehmen Unterstützung bei allen Fragen rund um die eigene Selbstständigkeit und das (Klein-)Unternehmertum.
Ob Informationen zum Steuer-, Arbeits-, Wettbewerbs- oder Handelsrecht, zu einzelnen Branchen oder zur Umsetzung der DS-GVO – wir helfen dort wo und wie wir können. Je nach Präferenz, können Kurzberatungen per Telefon, in vereinbarten Sprechstunden oder auch per E-Mail durchgeführt werden. Zudem stehen auf unserer Website zu allen Themen Merkblätter, Erklärvideos oder Leitfäden kostenlos zur Verfügung.
Und wer mal raus aus dem Büroalltag will, für den gibt’s bei unseren Branchen- und Fachveranstaltungen neben fachlichem Input gute Gelegenheiten, sein persönliches Netzwerk zu erweitern. Über die Firmendatenbank Firmen-in-Bayern.de haben Sie außerdem die Möglichkeit, an Adressen von über 200.000 Unternehmen z.B. zur Geschäftsanbahnung zu kommen.
Leider stellen wir häufig fest, dass viele die Serviceangebote gar nicht kennen, zum Beispiel, weil die IHK ausschließlich mit dem Thema Ausbildung in Verbindung gebracht wird. Insbesondere für kleine Unternehmen – oder nebenberuflich Selbstständige –, wo mit den Ressourcen besonders schonend umgegangen werden muss, sind wir aber ein verlässlicher und kostengünstiger erster Anlaufpunkt.
Welche typischen Probleme und Fehler gibt es gerade bei Selbstständigen und Kleinunternehmen, die schon ein paar Jahre aktiv sind?
Das ist für eine so diverse Zielgruppe natürlich schwierig zu beantworten. Was aber alle Unternehmen dieser Größenordnung eint, ist die extrem große Bedeutung der Ressource „Zeit”. Schließlich gibt es keine oder kaum Möglichkeiten Aufgaben abzugeben. Selbstständige müssen Vertriebler, Marketeer, Buchhalter, Einkäufer, Netzwerker und, wenn sie Mitarbeiter beschäftigen, auch noch Personalchef in einem sein.
Bei dieser Belastung auch noch einen strategischen Blick für die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells zu haben, ist eine Riesenaufgabe. Doch wie jedes Unternehmen stehen auch die kleinen unter ständigem Veränderungsdruck. Eine große Herausforderung ist daher, Trends und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen. Wir versuchen daher, durch zielgerichtete Informations- und Serviceangebote unterstützend zur Seite zu stehen.
Auch ermutigen wir stets, sich frühzeitig an uns zu wenden, damit nicht unnötig Zeit verstreicht, bis offene Fragen beantwortet werden.
Wie unterstützt die IHK Existenzgründer vor und während der Gründung?
Wir unterstützen Gründer mit Seminaren, persönlichen Beratungen sowie weiteren digitalen und analogen Angeboten bei den wichtigsten Aufgaben und Themen in der Vorbereitungs- und Startphase ihres Unternehmens. Dazu gehören unter anderem Geschäftsidee und Geschäftsmodellentwicklung, Finanzierung und Förderung, Gründungsplanung, Wahl der Rechtsform, Gründungsformalitäten, erste Mitarbeiter, Finanzierungshilfen des Staates und wichtige Formularmuster.
Da sowohl der Austausch untereinander, als auch Networking entscheidende Impulse bei der Unternehmensgründung und zu Beginn der Selbstständigkeit geben können, organisieren wir regelmäßig Veranstaltungen und Events (z.B. IHK Existenz).
Alle Services für Gründer sowie Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf unserer Website ihk-muenchen.de/gruender
Welche Herausforderungen bringt das Anstellen von Mitarbeitern und wie kann die IHK da helfen?
Die Einstellung eines Mitarbeiters ist für einen Solo-Selbstständigen ein großer Einschnitt. Um diesen Schritt gut zu meistern, sollte klar sein, ob der Punkt, an dem die Arbeit ohne Unterstützung nicht mehr erledigt werden kann, bereits erreicht ist beziehungsweise wann er erreicht sein wird.
Und dabei ist Ehrlichkeit sich selbst gegenüber sehr wichtig: Wer ständig 80 Stunden-Wochen absolviert, ist nach kurzer Zeit überlastet und wird gegenüber seinen Kunden auch die Qualität nicht halten können. Dann auch weiterhin nur auf die eigene Kraft zu setzen, schadet letztendlich dem Geschäft.
Zugleich muss sich der Selbstständige einen Mitarbeiter aber auch leisten können. Der Unternehmer muss deshalb im Vorfeld ausrechnen, was ihn ein Mitarbeiter kostet und ob er das Gehalt aus dem aktuellen Umsatz heraus finanzieren kann. In diese Überlegung einzubeziehen ist auch, ob der neue Mitarbeiter lediglich den eigenen Zeitaufwand minimiert oder ob er zur Umsatzsteigerung beitragen könnte.
Die IHK hilft natürlich bei sämtlichen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Auch auf unserer Website finden sich viele Informationen. Darüber hinaus wollen wir aber auch bei der betriebswirtschaftlichen Abwägung, ab wann sich ein erster Mitarbeiter finanziell lohnt, künftig stärker unterstützen. Hierfür arbeiten wir aktuell an einem neuen digitalen Service.
Wie findet man in der eigenen Region den richtigen IHK-Ansprechpartner?
In Deutschland gibt es insgesamt 79 IHKs. Wenn Sie sich nicht sicher sind, bei welcher IHK Sie Mitglied sind, können Sie das online anhand der PLZ prüfen.
Den richtigen Ansprechpartner für Ihr Anliegen finden Sie am schnellsten über einen Anruf bei der zentralen Service-Hotline oder mit einer Nachricht per E-Mail bzw. Kontaktformular an das Informations- und Servicezentrum. Schildern Sie kurz Ihr Anliegen und entweder können Ihnen die Kollegen direkt weiterhelfen oder Sie werden zum zuständigen Referenten weitergeleitet. In manchen kleineren IHKs finden Sie die Fachansprechpartner auch direkt auf der Website.
Wo finden Interessierte weitere Informationen zu den IHK-Leistungen für Selbstständige?
Für Selbstständige und Kleinunternehmen aus dem Kammerbezirk München und Oberbayern ist unsere Website ihk-muenchen.de/selbststaendige hierfür sicherlich die beste Anlaufstelle.
Gerne können Sie sich auch per E-Mail an mich wenden: [email protected].
Unternehmen aus anderen Regionen Deutschland werfen am besten einen Blick auf die Homepage der zuständigen IHK.
Danke für das Interview
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Ich war mal bei einigen Seminaren der IHK und nützlich waren die überhaupt nicht. Die Referenten waren leider nicht qualifiziert. Generell halte ich auch nicht wirklich viel von Pflichtmitgliedschaft. Mag ja sein, dass es sinnvoll für Betriebe ist, die Nachwuchs ausbilden, aber mal ehrlich. Das haben viele Selbständige überhaupt nicht vor. Zur Vorsorge: Wenn ich nicht gerade in einem Versorgungswerk Mitglied bin, wie zum Beispiel als Anwalt oder Steuerberater, bleibt einem Selbstständigen doch nur die elende Rürup Rente, die einem sehr wenig Freiheiten gibt? Oder öffnen sich auch die Versorgungswerke?
Auf politischer Ebene ist es immer gut, wenn es Verbände gibt. Diese Lobby-Arbeit bekommt man als Selbstständiger nicht mit, aber sie ist wichtig.
Was die Seminare angeht, so habe ich damals recht gute Erfahrungen gemacht, aber sicher gibt es da unterschiedliche Erfahrungen.
Was die Altersvorsorge angeht, so steht ja auch die gesetzliche Rente jedem Selbstständigen offen. Eine freiwillige Mitgliedschaft ist da möglich. Darüber hinaus gibt es auch die private Altersvorsorge. Wie dann die Pflicht genau aussehen wird und welche Möglichkeiten es geben wird, muss man dann sehen. Aber ich finde es gut, dass die IHK da auf Wahlfreiheit pocht. Eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung würde ich sehr problematisch finden.
Selbständige haben jetzt offenbar nur die Wahl zwischen gesetzlicher Rentenversicherung, Rürup und einem Versorgungswerk, so weit ich das im Moment sehe. Alles keine gute Idee. Schön wäre es, wenn man durch den Nachweis eigener privater Vorsorgeaufwendungen davon kommt. Aber Ziel ist ja auch, dass diese Verträge nicht pfändbar bzw. verwertbar sind. Ich bin mir nicht sicher, ob man Selbständige so bevormunden will, obgleich ich die Vorteile dieser Idee auch sehe.
Die Lobbyarbeit der IHK habe ich als Arbeit für größere Unternehmen kennengelernt, was ich sehr schade finde.Aber auch hier ist das Engagement der IHKs sehr verschieden. Ich bin gerade bei meiner Recherche auf andere Verbände auf den VGSD und dem BDS gestoßen. Der VGSD scheint einiges getan zu haben – zumindest mehr als die IHK, wie ich das sehe.
Generell glaube ich, dass die Zeiten für digitale Selbständige in Deutschland, denen Freiheit in allen Lebensbereichen wichtig ist, immer unangenehmer werden. Aber Sicherheit und Stabilität haben aber auch ihren Preis.
Warten wir’s ab. Mach weiter mit deinen tollen Beiträgen Peer!
Wenn die IHK tatsächlich Selbstständigen helfen würde müsste man die Mitgliedschaft doch nicht verpflichtend machen. Von meinem Standpunkt aus behindern Zwangsmitgliedschaften den freien Markt und fairen Wettbewerb.
Als ich mich letztes Jahr selbstständig gemacht hatte bekam ich Post von der IHK, um mich als Mitglied zu werben. Ich hatte meinen Businessplan dort für die Tragfähigkeitsbescheinigung prüfen lassen. Als Einzelunternehmer besteht dazu allerdings keine Pflicht. Da ich meine Ausgaben erst einmal so klein wie möglich halten wollte (und noch möchte) habe ich mich bisher dort noch nicht als zahlendes Mitglied angemeldet.
Alle sechs oder acht Wochen bekomme ich allerdings ein IHK-Magazin. Und gelegentlich werde ich zu einem Seminar eingeladen. Für mich persönlich macht eine Mitgliedschaft bisher auch noch keinen Sinn.
Hallo Georg,
schön, dass Sie bereits die ersten Services der IHK genutzt haben.
Die Mitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer ist für alle gewerblichen Unternehmen in Deutschland Pflicht – mit Ausnahme der Freiberufler, reinen Handwerker und landwirtschaftlichen Betriebe. Als IHK-Mitglied bieten wir Ihnen eine Reihe von Serviceleistungen. Einen Überblick finden Sie hier: https://bit.ly/2AxNort
Auch Sie sind bereits Mitglied in der IHK für München und Oberbayern – deshalb auch die Magazine bzw. Zeitung, falls Sie nicht im Handelsregister eingetragen sind.
Die Pflichtmitgliedschaft ist die nötige Basis, um uns unabhängig von großen Beitragszahlern und staatlichen Zuwendungen zu machen. Viele Mitglieder der IHK für München und Oberbayern sind übrigens vom Beitrag befreit, weil ihr Jahresertrag zu gering ist oder sie Existenzgründer sind.
Falls Sie Fragen zu Ihrer Mitgliedschaft haben können Sie uns gerne jederzeit kontaktieren.
Viele Grüße
Johannes Weidl