Zu alt für die Selbstständigkeit? – Tipps und Hilfen für ältere Gründer

Wenn man an Existenzgründer denkt, dann sieht man vor allem die jungen Männer und Frauen vor sich, die mit einer tollen Geschäftsidee starten und sich Nächte und das Wochenende um die Ohren schlagen, um die Idee umzusetzen.

An ältere Menschen, die mit 50+ den Schritt in die Selbständigkeit wagen, denkt man aber meist nicht.

In diesem Artikel möchte ich der Frage nachgehen, ob man zu alt für die Selbständigkeit sein kann.

Ich gehe dabei auf Nachteile ein, zeige aber auch die Vorteile älterer Gründer und gebe Tipps.

(Zum Artikel Zu jung für die Selbstständigkeit?)

Kann man zu alt sein für die Selbständigkeit?

Wenn es um die Existenzgründung geht, dann sind meist eher jüngere Menschen beteiligt. Zumindest hat man oft diesen Eindruck.

Ist es aber wirklich so und spielt das Alter eine Rolle bei der Gründung?

Unter meinen Lesern habe ich eine Umfrage veranstaltet und hier ist das Ergebnis:

Spielt das Alter ein Rolle bei der Existenzgründung?

  • Nein, das Alter egal. (70%, 85 Stimmen)
  • Ja, man sollte schon etwas älter sein. (13%, 16 Stimmen)
  • Ja, man sollte jung sein. (12%, 14 Stimmen)
  • Weiß nicht. (7%, 8 Stimmen)

Teilnehmerzahl: 121 (max. 1 Stimmen)

Mehr als zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sind der Meinung, dass das Alter keine Rolle bei der Existenzgründung spielt. Das finde ich schon eine sehr deutliche Aussage.

Ebenso überrascht habt mich, dass sich die Befürworter von jungen Gründern die Waage halten mit den Befürwortern von älteren Gründern. Jeweils 12% haben dies angegeben.

Nun stellt sich aber natürlich die Frage, was diese Leser unter “älter” verstehen. Als ich mich mit 31 selbständig gemacht habe, gehörte ich wahrscheinlich schon zu den eher älteren Gründern.

Doch was ist mit jenen, welche die 50 bereits überschritten haben?

Altersstruktur deutscher Gründer

Menschen, die älter als 50 sind, sind verhältnismäßig selten als Gründer anzutreffen.

Laut dem KfW-Gründungsmonitor lag der Anteil der 45 bis 55 jährigen Gründer bei rund 20%.

Älter als 55 Jahre war nur jeder 10. Gründer. Der Anteil der älteren Gründer ist damit nicht nur absolut gesehen niedriger, sondern auch relativ zur Gesamtbevölkerung machen sich verhältnismäßig wenige Ältere selbständig.

Doch es bewegt sich was. Laut DIHK-Gründungsreport hat der Anteil der über 50-jährigen Gründer seit 2003 deutlich zugenommen. Waren es vor 10 Jahren noch 12%, so sind es mittlerweile 20%.

Die Gründe dafür sind sicher vielfältig. So sind die heutigen über 50 Jahre alten Menschen sicher gesünder und fitter als jemals zuvor. Leider sind auch mehr ältere Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen und da bietet die Selbständigkeit einen Ausweg.

Nicht vergessen werden sollte das Internet, welches heute natürlich auch älteren Menschen viele Möglichkeiten zur Existenzgründung bietet.

Warum ältere eher selten gründen

Was hält dennoch viele ältere Menschen davon ab zu gründen? Im Folgenden ein paar typische Gründe:

  • Neues wagen
    Es ist nicht ungewöhnlich, dass man mit fortschreitendem Alter etwas mehr Respekt vor einem Neuanfang hat. Man hat schon viel erlebt, sich etwas aufgebaut und da fällt es vielen nicht so einfach, nochmal den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.
  • Angst vor dem Scheitern
    Es gibt aber auch ganz handfeste Gründe. So haben viele Ältere Angst vorm Scheitern. Das ist verständlich, denn während jüngere Gründer nach dem Scheitern nochmal anfangen können, sieht das bei älteren Gründern ein wenig anders aus. Dann ist nicht mehr so viel Zeit, um es nochmal zu probieren.
  • Altersabsicherung
    Mit dazu gehört bei vielen auch die Angst davor, die eigene Altersvorsorge zu riskieren. Diese Angst ist aber zum Teil unbegründet, da es einen gewissen Pfändungsschutz für die Altersvorsorge gibt. Dennoch hält das Risiko viele ältere Menschen davon ab zu gründen.
  • Finanzierung schwierig
    Aber selbst wenn man als älterer Mensch gründen will, ist das gar nicht so leicht. Mal abgesehen davon, dass es so gut wie keine Förderprogramme für ältere Gründer gibt, tut sich auch die Hausbank oft schwer die benötigten Kredite zu geben.
  • Bild in der Öffentlichkeit
    Es ist in unserer Gesellschaft noch nicht wirklich üblich, dass man als 50+ den Weg in die Selbständigkeit geht. Das Bild des typischen Gründers ist ein anderes und das lässt viele ältere Menschen zweifeln, ob es überhaupt möglich ist.
  • fehlendes Know How
    Wer viele Jahre in einem Angestelltenverhältnis gearbeitet hat, dem fehlt oft dann das kaufmännische Know How: Marketing, Kundengewinnung, Buchhaltung etc. sind aber wichtig. Zudem haben viele ältere Menschen nicht mehr so den Zugang zu aktueller Technik und tun sich damit schwer. Aber z.B. Kundengewinnung ohne Internet ist heute schon oft ein Nachteil.
  • Belastung
    Nicht zuletzt ist die Selbständigkeit natürlich eine Belastung für Körper und Geist. Mit fortschreitendem Alter nehmen natürlich auch die Probleme in diesem Bereich zu und selbst wer mit 50 noch fit ist, fragt sich natürlich, wie das mit 55 oder 60 aussieht.

Diese und andere Gründe halten viele ältere Menschen davon ab sich selbständig zu machen, obwohl sie schon Interesse daran hätten.

Vorteile älterer Gründer

Doch ältere Menschen bringen auch viele Pluspunkte mit, die sich bei der Existenzgründung positiv auswirken können:

  • Berufserfahrung
    Wer bereits 20 oder 30 Jahre in seinem Fachgebiet gearbeitet hat, bringt natürlich eine Menge Berufserfahrung mit, die in der Selbständigkeit Gold wert sein kann. Man macht viel weniger Fehler und weiß, worauf es ankommt.
  • Lebenserfahrung
    Aber auch die Lebenserfahrung, die man bisher sammeln konnte, wirkt sich positiv aus. Man hat schon viele Gutes und Negatives erlebt und kann mit Menschen insgesamt ganz anders umgehen.
  • Vertrauen bei älterer Zielgruppe
    Der Anteil der Rentner und generell der älteren Menschen in unserer Gesellschaft wächst und natürlich haben diese auch Bedürfnisse und dort gibt es viel Geld zu verdienen. Gerade für ältere Gründer bietet sich hier die Chance, Leistungen oder Produkte für ältere Menschen erfolgreich anzubieten. Da ist oft eine bessere Ebene vorhanden, als wenn ein 20-Jähriger oder eine 20-Jährige sich an dieser Zielgruppe versucht.
  • Mitarbeiterführung
    Die sozialen Kompetenzen und die meist höhere innere Ruhe sorgen dafür, dass ältere Unternehmer oft besser mit Mitarbeitern umgehen können. Das kann ein Vorteil sein.
  • Netzwerk
    In den vielen Berufsjahren und im Privatleben hat man viele Kontakte geknüpft und kennt eine Menge Menschen. Solch ein Netzwerk kann bei der Existenzgründung sehr nützlich sein.
  • Eigenkapital
    In der Regel haben ältere Menschen mehr Eigenkapital zur Verfügung, so dass sie nicht auf Kredite oder ähnliches zurückgreifen müssen.
  • Sorgfalt
    Ein Auge für Details und mehr Sorgfalt zeichnet ebenfalls viele ältere Gründer aus.

Die Vorteile eines erfüllten Lebens und der dabei gewonnenen Erfahrung können bei der Existenzgründung große Pluspunkte sein.

Tipps für ältere Existenzgründer

Um auch mit mehr als 50 Jahren erfolgreich zu gründen, sollte man unter anderem die folgenden Tipps beachten:

  • Beratung
    Man sollte sich auf jeden Fall ausreichend Beratung holen. Die Anforderungen für Gründer sind hoch und die IHK oder andere Stellen können sehr viele hilfreiche Informationen bieten.
  • Absicherung
    Man kann sich zwar nicht gegen das Scheitern versichern, aber man sollte zumindest sicherstellen, dass die eigenen Vermögenswerte möglichst sicher sind. Das fängt bei der Wahl der Rechtsform an und betrifft auch die möglichen Versicherungen.

    Auch die freiwillige Fortzahlung in die gesetzliche Rente ist zu überlegen, besonders wenn man schon lange eingezahlt hat.

  • freiwillige Arbeitslosenversicherung
    Man sollte genau überlegen, ob eine freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung sinnvoll ist. Hat man schon lange eingezahlt, kann sich das durchaus lohnen, besonders wenn man nicht sicher ist bzgl. des Erfolges der Gründung.
  • Risiko minimieren
    Man sollte bei der Planung der Selbständigkeit auf jeden Fall darauf achten, dass man das Risiko minimiert, da man bei einem Scheitern eben nicht mehr so viel Zeit hat, das Geld wieder “rauszuholen”. Zudem wird es mit jedem Jahr später sicher nicht einfacher.
  • schnelle Amortisation
    Das Geschäftsmodell sollte zudem nicht zu langfristig ausgelegt sein. Es sollte relativ schnell möglich sein, das investierte Geld wieder zu verdienen.
  • Kaufmännische Kenntnisse
    Ganz wichtig ist es, sich auf den aktuellen Stand bzgl. der kaufmännischen Kenntnisse zu bringen. Genauso wie bei allen anderen Gründern nützt das beste Fachbwissen nichts, wenn man die Firma betriebswirtschaftlich vor den Baum fährt.
Fazit

Wenn ich mich heute mit meinem 18 jährigen Alter Ego vergleiche, dann fallen einem schon Unterschiede auf.

Damals hatte ich weniger Disziplin, keine Erfahrung, war mir unsicher wohin ich wollte und was ich konnte und hatte kein besonders ausgeprägtes Durchhaltevermögen.

Dafür hatte ich sicher mehr Energie und war natürlich auch flexibler.

Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob eine Selbständigkeit mit 18 Jahren gut gegangen wäre. Wahrscheinlich zumindest in meinem Fall nicht.

Doch jeder ist anders und man sollte das Beste aus seinem Alter machen. Als älterer Gründer hat man andere Stärken als ein junger Mensch und das sollte man nutzen, statt über die Nachteile zu klagen.

Die richtige Einstellung ist am wichtigsten. Es gibt 20-Jährige, die bereits von der Rente träumen und nicht viel Antrieb haben und es gibt 50-Jährige, die noch Träume haben und voller Energie stecken.

Weitere Informationen findet ihr unter anderem im kostenlosen PDF-Magazin Gründerzeiten Nummer 19 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie.

Peer Wandiger

8 Gedanken zu „Zu alt für die Selbstständigkeit? – Tipps und Hilfen für ältere Gründer“

  1. Hi Peer,
    interessante Statistik bzgl. der Selbstständigkeit. Werden doch Unterschiede gemacht zwischen Leuten die aus einer Festanstellung in die Selbstständigkeit gehen und vielleicht schon länger nebenbei selbstständig waren und Leuten die wirklich bei 0 anfangen bei der Gründung?

    Ich denke, dann würde sich die Verteilung weiter nach links verschieben. Ich persönlich kann mir kaum vorstellen, dass jemand, der sein Leben lang Angestellter war, sich dann mit über 50 nochmals selbstständig macht und bei 0 anfängt. Wenn man der Typ dafür ist, dann macht es schon früher würde ich denken.
    Gruß
    Greg

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  2. Als beinahe 50 jährige der sich mit den Gedanken trägt, nochmals neu mit eine Selbständigkeit durch zu starten, ertappe ich mich oft als Bedenkenträger.

    Ich habe eine gute Geschäftsidee, habe mich ausreichend Zeit in die Planung gelassen und von fachkundige Seite erfahren das mein Weg und Business Plan tragfähig wäre.

    Trotzdem fehlt mir irgendwie Mut den letzten entscheidende Schritt zu machen und mein Vorhaben in die Tat zu setzen.

    Kurzum meine größte Hürde bin derzeitig ich selber !

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  3. Hallo!

    Also ich muss ehrlich sagen, ich dachte mir immer, dass es mit fortgeschrittenem Alter leichter wird zu gründen :). Vielleicht ist 50+ wieder zu alt, aber mit 40+ war immer mein Gefühl wäre das beste alter.

    Ich tue mir mit 26 Jahren am Ende meines Studiums schwer zu gründen. Viele in meinem Umfeld meinen, dass ich zuerst noch 5-10 Jahre Berufserfahrung sammeln sollte. Deshalb bin ich ein wenig hin- und hergerissen.

    Aber danke für den Artikel! Ist mal eine interessante andere Ansichtsweise, weil echt kaum jemand daran denkt, dass Neugründer 50+ sind.

    Gruß,

    Matthias

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  4. Die Zahlen der selbstständigen 50+ Generation haben sich in den letzten 10 Jahren nahezu verdoppelt, die Zahl der 50+ die einen Nebenjob angenommen haben, hat sich im gleichen Zeitraum vervierfacht. Ein Grund dürfte die aktuelle Diskussion zum Thema Altervorsorge/Rentenarmut in Deutschland sein und immer mehr in diesem Alter bauen sich ein 2.Standbein auf. Das sollte man auch. Ich denke, für die Selbstständigkeit ist man nicht zu alt, wenn man sich noch fit fühlt und Lust auf neue Herausforderungen hat.

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  5. Du hast Recht, Peer, im Endeffekt liegt es an der inneren Einstellung, und wenn der unbedingte Wille ist, kann es auch klappen. Ich wundere mich allerdings doch darüber, dass es nicht mehr ältere Existenzgründer gibt, denn: Wer bekommt schon mit 40 Jahren oder älter, geschweige denn 50 Jahren einen Job. Die Arbeitgeber legen Wert auf junge, dynamische Mitarbeiter, die Kompetenzen werden einfach in den Hintergrund geschoben. Ob das sinnvoll ist, ist noch eine andere Frage.

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  6. Liebe Menschen egal welchen Alters, diese starren Schranken und Sichtweisen weichen doch sowieso immer mehr auf. Ich bin 53, seit drei Jahren freiberufliche Texterin und wundere mich häufig über die ganzen Schubladen, die es so gibt (Alter, Geschlecht usw). Und was mehr als überfällig ist für alle, die etwas verkaufen oder als Dienstleistende unterwegs sind: Trennt euch im eigenen Interesse von den allzu abgezirkelten Zielgruppen, sonst grabt ihr euch selbst das Wasser ab. Die Realität ist längst weiter als die Denke vieler Marketer, die ja oft ach so dynamisch sind. Manche sind auch ganz schön statisch! Zum Schluss noch ein Lob für diese Seite hier. Ich habe in meinem hohen Alter *grins* gerade einen Kurs im Online-Marketing absolviert und kann jetzt viel mehr damit anfangen.

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  7. Erfolgreich gründen kann man in beinahe jeden Alter.

    Es kommt vor allen auf die innere Einstellung an und auch ob diese Selbständigkeit nicht eine Notlösung ist (z.B wegen lang anhaltende Arbeitslosigkeit)

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  8. ich bin 73 Jahre und möchte mich nochmal als Dekonäherin in einem Raumaustatterbetrieb Selbständig machen.Bin ich dafür zu alt?

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