Neuregelungen für Selbständige durch die Gesundheitsreform 2011

Ich habe über Änderungen für Selbständige in 2011 schon vor kurzem in einem Artikel einiges geschrieben. Darunter auch ein paar Punkte im Bereich des Gesundheitssystems.

In diesem Gastartikel geht Änne Cordes von 1a-krankenversicherung.de auf die Details genauer ein und gibt es Überblick, was sich 2011 im Detail ändern wird.

Ein wichtiges Thema, bei dem es für Selbständige nicht nur um die richtige eigene Vorsorge, sondern eben auch um Geld geht.

Mit Inkrafttreten der Gesundheitsreform ab 2011 kommen sowohl auf freiwillig gesetzlich versicherte Selbständige als auch auf Arbeitgeber einige Neuerungen zu. Mehr zahlen sollen alle, die Arbeitgeber sollen außerdem die Abrechnung des Sozialausgleichs übernehmen. Ein Überblick über die Auswirkungen der Gesundheitsreform.

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung steigen für Arbeitgeber und gesetzlich Versicherte ab 2011 um jeweils 0,3 Prozent. Die der Arbeitgeber werden allerdings mit Blick auf steigende Lohnnebenkosten bei dann 7,3 Prozent eingefroren. Die Versicherten sollen künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitssystem allein tragen. Für Selbständige mit Familie hat sich die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) bisher wegen der kostenlosen Familienversicherung gelohnt, angesichts steigender Beiträge und unbegrenzter Zusatzbeiträge sollte diese Rechnung in einigen Fällen jedoch neu durchdacht werden.

Was ändert sich für Arbeitgeber?

Außer der Beitragserhöhung um 0,3 Prozent kommt auf die Arbeitgeber ein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand zu: Den Plänen der Bundesregierung zufolge, sollen die Unternehmen den geplanten Sozialausgleich für Geringverdiener verwalten. Wie das umgesetzt werden soll, ist noch unklar. Der Sozialausgleich soll unzumutbare Zusatzbeiträge abmildern und wird für jeden Versicherten anhand seines Einkommens individuell berechnet.

Das Bundesgesundheitsministerium sieht eine “einfache EDV-Lösung” vor, die allerdings erst noch entwickelt und von den Firmen angeschafft werden muss. Neben den Ausgaben für die Anschaffung des EDV-Systems rechnet die Regierung mit laufenden Kosten von etwa drei Millionen Euro pro Jahr für die Unternehmen. Die Arbeitgeber sollen voraussichtlich prüfen, wer Anspruch auf Sozialausgleich hat und die entsprechenden Berechnungen vornehmen und abwickeln. Das bedeutet vor allem in Bezug auf Zusatzbeitragsverweigerer einen erheblichen bürokratischen Aufwand, weil bei Nichtzahlung des Zusatzbeitrags auch der Sozialausgleich ausgesetzt werden muss. Die Idee hinter dieser Art der Abwicklung ist die, dass der Sozialausgleich über das Nettogehalt an geringverdienende Versicherte ausgezahlt werden soll. Die Arbeitgeber verringern dann die anfallenden Krankenkassenbeiträge um den entsprechenden Betrag des Sozialausgleichs.

Was ändert sich für freiwillig Versicherte?

Die seit Jahren stetig steigende Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenze wird 2011 erstmals wieder sinken: Versicherungspflichtig ist ab nächstem Jahr, wer bis zu 49.500 Euro pro Jahr bzw. 4.125 Euro pro Monat verdient. Die Beitragsbemessunggrenze für Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung fällt auf 44.550 Euro pro Jahr bzw. 3.712,50 Euro im Monat. Diese Zahlen gelten jeweils für das Bruttoeinkommen. Diese Zahlen betreffen Selbständige, weil der maximale Beitrag für freiwillig Versicherte auf 575,44 Euro pro Monat fällt (ermäßigter Beitragssatz: 553,16 Euro).

Die Höchstgrenze für Zusatzbeiträge wurde mit der Gesundheitsreform aufgehoben, die Krankenkassen dürfen theoretisch Zusatzbeiträge ohne Limit von den Versicherten fordern. Um unzumutbare Härten durch die Krankenversicherung für Existenzgründer zu vermeiden, greift ab einer Belastung von zwei Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens ein Sozialausgleich. Auch Selbstständige, die freiwillig gesetzlich versichert sind, haben darauf Anspruch. Insbesondere in der Phase der Existenzgründung, wenn noch wenig Gewinn erwirtschaftet wird, kann der monatliche Zusatzbeitrag zur Belastung werden.

Rechenbeispiele

Fall 1:
Bei einem Einkommen von monatlich 1.800 Euro liegt die zumutbare Belastung bei 36 Euro pro Monat, (zwei Prozent des Einkommens). Liegt der durchschnittliche Zusatzbeitrag aber darüber, z.B. bei 40 Euro, bekommt der Versicherte die fehlenden vier Euro bezahlt.

Fall 2:
Unter denselben Voraussetzungen muss ein Arbeitnehmer, der monatlich 2.500 Euro verdient, die vollen 40 Euro zahlen und bekommt keinen Zuschuss durch den Sozialausgleich. Da seine Belastungsgrenze bei 50 Euro monatlich liegt (zwei Prozent von 2.500 Euro), könnte die Krankenkasse auch einen höheren Zusatzbeitrag als den durchschnittlichen verlangen.

Fall 3:
Verlangt eine Krankenkasse einen Zusatzbeitrag, der über dem vom Schätzerkreis festgelegten durchschnittlichen Zusatzbeitrag liegt, hat der Versicherte keinen Anspruch auf einen Sozialausgleich, selbst wenn der geforderte Betrag seine Belastungsgrenze übersteigt. Seine einzige Möglichkeit, dem überzogenen Zusatzbeitrag zu entgehen, ist sein Sonderkündigungsrecht und der Wechsel der Krankenversicherung.

  Fall 1 Fall 2 Fall 3
Einkommen: 1.800€ 2.500€ 3.500€
durchschnittlicher Zusatzbeitrag: 40€ 40€ 40€
verlangter Zusatzbeitrag der Kasse 40€ 45€ 80€
individuelle Belastungsgrenze: 36€ 50€ 70€
Anspruch auf Sozialausgleich: 4 €
(40€ – 36€)
kein Sozialausgleich kein Sozialausgleich
zu zahlender Zusatzbeitrag 36€ 45€ 80€

Nicht einfach zahlen: Sonderkündigungsrecht nutzen!

Auch Gutverdiener müssen hohe Zusatzbeiträge nicht einfach hinnehmen, sie haben mit dem Sonderkündigungsrecht die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen nach der Ankündigung einer Einführung oder Erhöhung der Zusatzbeiträge die Krankenkasse zu wechseln. Dieses Sonderkündigungsrecht wird ab 2011 erstmals auch Versicherten mit einem Wahltarif eingeräumt. Für die Sonderkündigung ist ein formloses Schreiben ausreichend, und so geht’s:

  1. Die Krankenkasse ist verpflichtet, ihre Versicherten einen Monat vor der ersten Fälligkeit des Zusatzbeitrages über dessen Einführung zu informieren. Genauso lange hat der Versicherte dann Zeit, seine Sonderkündigung einzureichen: Vier Wochen.
  2. Die Kündigung muss schriftlich bei der Krankenkasse eingehen, kann aber in einem formlosen Schreiben verfasst sein. Wichtig ist die Angabe der persönlichen Daten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Versicherungsnummer) und der Bezug auf das Sonderkündigungsrechts nach Paragraph 175 Abs. 4 Satz 5 Sozialgesetzbuch.
  3. Der Austritt aus der Krankenkasse kann nicht sofort mit der Sonderkündigung erfolgen, da die üblichen Kündigungsfristen eingehalten werden müssen: Jeweils zum Ende des übernächsten Monats.
  4. Wegen der herrschenden Versicherungspflicht ist ein lückenloser Wechsel erforderlich. Ist die Kündigung bei der alten Krankenkasse eingegangen, muss diese die Kündigung schriftlich bestätigen.
  5. Mit dieser Kündigungsbestätigung kann anschließend bei der neuen Krankenkasse eine Mitgliedschaft beantragt werden.

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Peer Wandiger

7 Gedanken zu „Neuregelungen für Selbständige durch die Gesundheitsreform 2011“

  1. Hallo und vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Bin gerade am Nachdenken, ob und wie ich wechsele und da kommt mir der Absatz mit dem Sonderkündigungsrecht zu gute :-).

  2. das mit dem sonderkündigungsrecht ist ja interessant, hab vor kurzem erst meine KV gewechselt, wenn ich es richtig verstehe kann ich also im neuen jahr dann ganz spontan (4 wochen-frist) wieder wechseln oder?!

  3. Hallo Benni,

    du kannst nur ganz spontan wieder innerhalb der vier Wochen wechseln, wenn deine neue Krankenversicherung einen Zusatzbeitrag einführt oder den bestehen Zusatzbeitrag erhöht. Ansonsten gelten die ganz normalen Kündigungsfristen.

  4. Vielen Dank für den nützlichen Artikel. Hab mich im Zuge der ganzen Reform nämlich gefragt, was da auf mich zukommt, und die meisten Informationen sind ja schwer verständlich. Vor allem die 4 Wochen-Frist interessiert mich, meine KV will nämlich ihren Zusatzbeitrag erhöhen (der Schrieb kam letzte Woche), da muss ich mich mal flugs schlau machen, welche KV das nicht vor hat.

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