Der Kauf einer Website bringt gegenüber einem Start bei Null eine ganze Reihe von Vorzügen mit sich. Wie bei jeder Investition gilt es allerdings einiges zu beachten. Denn mit einer falschen Einschätzung kann viel Zeit und Geld verloren werden.
Kommerzielle Online-Projekte werden bisweilen als digitale Immobilien bezeichnet. Eine passende Analogie: In beiden Fällen gibt es idealerweise einen konstanten und ausbaubaren monatlichen Cash Flow. In beiden Fällen stellt sich die Frage “bauen oder kaufen” . Und in beiden Fällen handelt es sich um hochkomplexe Anlagegüter.
Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Kauf von Webseiten: Ob eine Akquisition überhaupt das richtige für dich ist, wo du Online-Projekte am besten erwirbst und was es bei der Auswahl und bei den Verhandlungen zu beachten gilt.
Wir haben selbst bereits eine Vielzahl von Websites gekauft und verkauft – allein in den letzten 18 Monaten jeweils im sechsstelligen Euro-Bereich. Einen dieser Website-Käufe schauen wir uns abschließend im Rahmen einer Case Study an. Der Verkauf illustriert, dass die nachfolgenden Metriken und Punkte längst nicht allgemeingültig sind. Es gibt immer ein “es kommt darauf an”.
Die Betrachtung erfolgt vor allem für klassische Content-Projekte mit einer Monetarisierung über Online-Werbung (Display, Affiliate) und digitale Produkte. Bei E-Commerce-Businesses, SaaS-Tools und Weiterem unterscheiden sich einige Faktoren und Kennzahlen. Viele Regeln sind aber auch auf diese Geschäfte übertragbar.
Website kaufen vs. neu starten
Am Anfang steht die Frage, ob du eine Website kaufen oder selbst starten willst. Die wichtigsten Vor- und Nachteile zum Kauf einer Website im Überblick:
+ Einnahmen ab Tag eins
Wenn die Website schon Geld verdient, erzielst du sofort Einnahmen. Und idealerweise sind dir bei der Due Diligence (tiefgreifenden Analyse) im Vorfeld des Kaufs schon untermonetarisierte Bereiche aufgefallen – etwa naheliegende Affiliate-Links zu bestimmten Themen, die Nutzung eines wenig lukrativen Vermarkters, Keyword-Lücken -, mit denen du diese Einnahmen innerhalb kurzer Zeit erheblich steigern kannst. Merke: Von 1 auf 10 zu kommen ist deutlich leichter als von Null auf 1.
+ Bestehende Domain-Power
Handelt es sich um ein langjähriges, viel besuchtes Online-Projekt, kannst du dich oft über ein gut gereiftes Linkprofil freuen. Eine starke und alte Domain stellt einen enormen und gerade in kompetitiven Bereichen essentiellen Ranking-Vorteil dar.
+ Weniger initiale Arbeit
Design, Seitenstruktur, initiales Content-Gerüst, dazu vielleicht auch digitale Produkte und eine bestehende Community nebst wiederkehrenden Besuchern und Social-Media-Accounts: Bei fertigen Websites ist zumeist eine Menge Arbeit schon getan, die sonst auf dich zugekommen wäre.
+ Proof of Concept
Die bestehende Rankings geben dir einen “Proof of Concept”, dass die Domain mit bestimmten Inhalten für bestimmte Keywords ranken und Traffic gewinnen kann.
– Hohe einmalige Kosten bei unklarer Perspektive
Die initialen Kosten sind sicherlich der größte Nachteil. Auch für relative Schnäppchen fallen – in Relation zu den Erlösen – erhebliche Kosten an. Der Kaufpreis spielt sich erst über einen längeren Zeitraum wieder rein. Ein Zeitraum, in dem viel passieren kann, was die bei anfänglicher Betrachtung vielleicht richtige Investition dann doch zu einem Fehler macht.
Das meistverbreitete Geschäftsmodell von Content-Seiten ist “Besucher über organischen Google-Traffic, Monetarisierung über Display Ads”. Beide Aspekte befinden sich in einem erheblichen Wandel.
Bei der Google-Suche wird sich der seit mehr als 10 Jahren anhaltende Trend fortsetzen, dass immer weniger Search Traffic auch tatsächlich bei den Suchergebnissen ankommt. Google beantwortet heute schon viele Anfragen so umfassend auf der Google-Ergebnisseite, dass die ersten Such-Treffer nur noch einen Bruchteil der einstigen Reichweite bekommen (Fußballergebnisse, Wetter, …). Und bei vielen kommerziellen Suchanfragen hat die Anzeigendichte so zugenommen, dass kaum noch Platz für organische Ergebnisse bleibt.
Mit der Integration von generativer AI, die bei Google – anders als bei Bing – aktuell noch (!) unter einer eigenen Subdomain lebt, wird sich dieser Trend rapide beschleunigen. Ob die AI-Integration 10 Prozent, 30 Prozent oder 70 Prozet des noch verbliebenen organischen Traffics kosten wird, kann derzeit niemand seriös abschätzen und wird sich auch sehr von Nische zu Nische unterscheiden. Klar ist: Der zu verteilende Traffic-Kuchen wird noch ein bisschen kleiner. Auf der anderen Seite sorgt immer mehr AI-Content durch ChatGPT & Co. für eine Explosion des Wettbewerbs in den Suchergebnissen.
Eine weitere perspektivische Umsatz-Bremse ist das Ende von Third-Party-Cookies in Google Chrome, dem mit Abstand weitverbreitetsten Browser. Nach mehreren Verschiebungen ist die finale Abschaltung aktuell auf Ende 2024 datiert.
Kurz gesagt werden Werbenetzwerke den einzelnen Besucher ohne Third-Party-Cookies nicht mehr genau zuordnen und ihm damit auch keine passgenauen (Retargeting-)Anzeigen ausspielen können. Weniger affine Werbung bedeutet weniger Werbeeinnahmen. Auch hier gleicht eine Abschätzung einem Blick in die Glaskugel, aber wir gehen anhand unserer aktuellen Einnahmedaten mit anderen Browsern (bei Safari & Co gibt es schon länger keine Third-Party-Cookies mehr) von 10-30 Prozent weniger Gesamteinnahmen über Display Ads aus.
– Website-Kauf ist immer ein Kompromiss
Der Kauf einer Website ist immer kompromissbehaftet. Du kaufst immer ein Gesamtpaket, mit dem du erst einmal leben und arbeiten musst. Das umfasst einen vielleicht nicht perfekten Domainnamen, einen bei älteren Seiten oftmals veralteten Tech Stack nebst antiquiertem und lahmem Design und Inhalte mit oft sehr gemischter Qualität und Ausrichtung.
– Altes Projekt birgt Risiken
Vor allem alte Domains haben oft eine bewegende Geschichte, was sich auch im Linkprofil widerspiegelt. Bei der Due Diligence solltest du dir sehr genau die eingehenden und ausgehenden Verlinkungen und plötzliche Sichtbarkeitsverluste anschauen, die auf eine Abstrafung durch Google hindeuten können. Dazu ist natürlich ein Blick auf Archive.org Pflicht, um die Historie der Domain nachzuvollziehen. Hinzu kommen mögliche rechtliche Altlasten, etwa im Bezug auf nicht lizensierte Bilder.
Websites & Domains kaufen – eher für Fortgeschrittene
Solltest du eine Website kaufen oder von Grund auf aufbauen? Unsere Meinung: Wenn du noch sehr wenig Erfahrung hast, bist du mit einem Start von Null besser beraten. Zum einen lernst du so das Handwerkszeug, mit dem du dann später sehr viel erfolgreicher Projekte kaufen und weiterentwickeln kannst.
Zum anderen stehen gerade bei “Einsteigerprojekten” die Risiken, Kompromisse und die hineinzusteckende zusätzliche Arbeit zur Anpassung in keinem vernünftigen Verhältnis zum oft sehr überschaubaren bestehenden Wert der Seite.
In diesem Zusammenhang ist auch die Gefahr sehr groß, dass du den wahren Wert einer Website nicht zuverlässig einschätzen kannst – sei es aus Unkenntnis der Einflussfaktoren oder weil du eine mögliche Manipulation wichtiger Metriken nicht richtig erkennst – und in der Konsequenz zu viel Geld bezahlst.
Die besten Quellen zum Kauf von Websites
International gibt es eine Vielzahl von Online-Plattformen für den Kauf und Verkauf von Websites. Die Marktplätze unterscheiden sich unter anderem bei der Größe und der Art der verkauften Projekte sowie vor allem darin, ob der Plattform-Betreiber die Seiten selbst schon einmal rudimentär prüft (englisch: vetted).
Internationale Marktplätze
Bei den meisten Börsen sind die URLs anonymisiert. In der Regel reicht schon eine simple Registrierung, um Domain und Kennzahlen zu sehen. Empire Flippers geht etwas weiter und erfordert einen Proof of Fund (Kontoauszug oder dergleichen), bis zu dem dann Angebote freigeschaltet werden können.
Weltweiter Marktführer für plattformseitig geprüfte Content-Projekte, die dank viel Käufer-Traffic auch tatsächlich über den Tisch gehen. Die gelisteten Websites kosten zwischen etwa 50.000 US-Dollar und mehreren Millionen US-Dollar, das Großteil liegt im Bereich von etwa 150.000 bis 400.000 US-Dollar. Die meisten Listings sind englischsprachig, seit einigen Monaten akzeptiert Empire Flippers aber auch fremdsprachige Angebote. Die zu bezahlenden Multiples sind im Branchenvergleich ganz klar am oberen Ende.
Weltweiter Marktführer für ungeprüfte Content-Projekte, wobei inzwischen ausgewählte Listings auch vetted werden (allerdings oft sehr zweifelhaft). Von “Einsteigerseiten” für dreistellige Eurobeträge bis in den sechsstelligen Bereich ist alles dabei. Du kannst bei Flippa gute Deals machen, aber auch schnell von Kriminellen übers Ohr gehauen werden. Bei der Abwicklung ist die Nutzung von Treuhanddiensten wie Escrow ein Muss.
Motion Invest (Disclaimer: Geschäftsfreunde von uns) bietet einen interessanten Mix aus Flippa und Empire Flippers. Wie bei Empire Flippers sind alle gelisteten Projekte gevetted. Gleichzeitig gibt es aber auch viele Angebote im vierstelligen und niedrigen fünfstelligen Bereich, womit die potenzielle Käufer-Zielgruppe viel größer ist. Das Team von Motion Invest steht übrigens auch hinter dem führenden AI-Content-Erkennungstool originality.ai.
In der Vergangenheit ausschließlich mit kostenpflichtiger Mitgliedschaft nutzbar, fällt inzwischen “nur noch” für etwaige Verkäufer-Interviews und einen Due Dilligence Report eine Jahresgebühr von 250 US-Dollar an. Immer wieder mit spannenden relativ preiswerten Angeboten.
Wo Empire Flippers preislich aufhört, fängt Quiet Light erst an: Die meisten Listings liegen im deutlich siebenstelligen US-Dollar-Bereich. Eher SaaS- und E-Commerce-Angebote, aber auch immer wieder Content-Dickschiffe. So wechselte etwa der Soap-Opera-Blog Soap Hub bei Quiet Light für knapp unter 10 Millionen US-Dollar den Besitzer (hier das Verkäuferinterview). Wer ein entsprechend großes Rad drehen will, sollte die Seite auf dem Schirm haben.
Große Plattform, wie Quiet Light aber eher im Bereich SaaS und E-Commerce unterwegs. Aktuell stehen ganze sieben Content-Projekte zum Verkauf. Bei einem Budget von unter 100.000 US-Dollar wird es schwierig.
Deutsche Marktplätze
Die deutschen Marktplätze sind leider durch die Bank von eher mauer Qualität. Eine wesentliche Ursache ist natürlich der viel kleinere Markt: 160 Millionen deutsch Sprechende stehen fast zehnmal so vielen Menschen gegenüber, die englisch als erste oder zweite Sprache perfekt beherrschen (1,5 Milliarden). Dazu fehlt es auch einfach an professionellen Strukturen.
Die gegenwärtig relevanten deutschen Marktplätze heißen projektify, mabya und traderoo. Deneben werden auch beim Domainhändler Sedo und beim Auktionshaus ebay Projekte gehandelt, wobei hier die Wahrscheinlichkeit von aus Käufersicht attraktiven Angeboten wirklich sehr gering ist.
Deutsche Websites kaufen: Sonstige Quellen
Der größte Umschlagplatz für deutschsprachige Online-Projekte dürfte in den vergangenen Jahren die Facebook-Gruppe Projektverkauf gewesen sein (gehört inzwischen zu traderoo). Daneben besteht auch immer die Möglichkeit, Website-Betreiber direkt anzuschreiben und einen Seitenkauf anzubieten.
Die “Kaltakquise” ist letztlich ein Numbers Game. Wenn du genug Portale kontaktierst – gerade solche, auf denen augenscheinlich seit längerem nichts passiert ist -, wirst du dich früher oder später in Verkaufsverhandlungen wiederfinden. Die Hoffnung, auf diesem Weg besondere Schnäppchen zu machen (weil Webmaster den wahren Wert ihrer Online-Assets nicht abschätzen können), dürfte dir allerdings bald genommen werden.
Im Gegenteil haben die meisten privaten Betreiber nach unseren Erfahrungen völlig überzogene Vorstellungen vom Wert ihrer Schätzchen, in die sie über viele Jahre Herzblut und unzählige Arbeitsstunden gesteckt haben. Dass weder das eine noch das andere einen monetären Wert hat, ist emotional schwer vermittelbar. Was uns zur Preis-Frage führt.
Website kaufen: Was ist ein fairer Preis
Die Gretchenfrage nach der Bewertung lässt sich sehr kurz und sehr ausführlich beantworten. Die kurze Antwort: Üblich sind gegenwärtig 24-45 Monatsgewinne, wobei als Monatsgewinn meist der Durchschnitt der letzten 12 Monate genommen wird.
Schaut man sich Marktplätze mit Vetting an – wo der Plattform-Betreiber auf eine marktgerechte Bewertung achtet -, sieht man große Unterschiede bei der Bewertung von scheinbar sehr ähnlichen Websites. Die Gründe für diese Unterschiede sind zugleich die Kriterien bei der Preisfindung. Vieles dreht sich um die Frage, wie antifragil die Website ist.
Wie diversifiziert sind die Einnahmen? Eine Seite mit 100% Display-Einnahmen oder – noch schlimmer – mit 100% Einnahmen von einem einzigen Partnerprogramm bei sehr wenig und sehr spezifischem Traffic steht auf wackligeren finanziellen Beinen als ein Online-Projekt mit einem Mix aus diesen beiden Quellen. Idealerweise noch ergänzt durch Direkt-Werbung, Online-Kurs-Verkäufe und dergleichen.
Wie diversifiziert sind die Besucherquellen? Kommt die gesamte Reichweite über Google, kann das nächste Algorithmus-Update richtig weh tun. Verfügt die Seite hingegen (dazu) über wiederkehrende Besucher, große Social-Media-Kanäle und eine E-Mail-Liste, muss man sich hier weniger sorgen.
Wie diversifiziert ist der Traffic? Entfallen ein Großteil der Besucher auf einige wenige Top-Keywords, ist die Gefahr von gravierenden Traffic-Verlusten größer als bei einer breiten Verteilung.
Bei internationalen Projekten ist zudem die Besucherherkunft extrem relevant für die aktuellen und perspektivischen Einnahmen, wie du aus dem folgenden Einnahme-Screenshot aus einem unserer englischsprachigen Seiten erkennen kannst. Ein Besucher aus den USA ist hier fast 50x wertvoller als ein Besucher aus Indien (!, RPM-Spalte). Bedingt ist das natürlich durch die unterschiedliche Kaufkraft der Regionen.
Wie stark ist die Domain, und in was für einem Umfeld? Eine alte und von vielen Autoritäten verlinkte Website tut sich leichter beim Besucherwachstum als ein eher junges Projekt. In besonders umkämpften Nischen wie dem Finanzbereich ist eine starke Domain von noch größerer Bedeutung als in softeren Umfeldern mit vielen Long Tail Keywords (genannt sei die Haustiernische), wo du auch mit einem Start bei Null eine gewisse Sichtbarkeit gewinnen kannst.
Wie sieht die Kostenstruktur aus? Projekte wie die oben genannte Soap-Infoseite brauchen beständig neuen aktuellen Content (der dann auch noch schnell veraltet) und verursachen entsprechende Kosten, während bei einer Gartenseite Evergreen Content rund um vielgesuchte Keywords erstellt werden kann und der benötigte regelmäßige Aufwand sehr gering ist.
Was für ein Aufwand fällt insgesamt an? Und: Sind alle Arbeiten leicht delegierbar, oder ist der Verkäufer noch selbst viel im Tagesgeschäft eingespannt? In diesem Zusammenhang eine kleine Warnung: Viele Verkäufer setzen ihre eigene Arbeitszeit zu niedrig an und messen ihr vor allem keinen Wert zu. In der Konsequenz ist der angegebene Gewinn dann höher, als tatsächlich angemessen wäre.
Wie geht es nach Übernahme weiter? Wer schreibt aktuell Artikel? Können die Autoren vom Käufer übernommen werden?
Wie entwickelt sich die Seite? Wurde die Domain in den letzten Monaten anscheinend von einem Google-Update getroffen und verliert seither weiter kontinuierlich an Reichweite, oder zeigen alle relevanten Kennzahlen steil nach oben?
Wurden Links verkauft? Eine beliebte Taktik von Verkäufern ist es, in den Monaten vor dem geplanten Verkauf ihrer Seite den Verkauf von Gastbeiträgen hochzufahren und damit kurzfristig die Einnahmen und damit den Verkaufspreis (der ja ein Multiple der Einnahmen ist) signifikant zu erhöhen.
Das ist zunächst einmal legitim, sollte in der Aufschlüsselung der Einnahmen aber auch offengelegt sein. Vor allem aber müssen sich Käufer bewusst darüber sein, dass dieser Einnahmekanal nicht skalierbar ist und die verkauften Links perspektivisch hochproblematisch für das Ranking der Seite sein können.
Auch wenn domainweite Abstrafungen von Linkverkäufern die Seltenheit sind (in der Regel entwertet Google nur die Links innerhalb von gekauften Artikeln), ist Linkverkauf in unseren Augen immer ein Spiel mit dem Feuer. Gerade, wenn die Seite auf Google-Traffic angewiesen ist.
Hier ein konkretes Beispiel einer Seite bei traderoo, die mit 800 Euro Gewinn pro Monat gelistet ist. Dabei entfallen im zweiten Halbjahr 2022 allerdings mehr als zwei Drittel der Einnahmen auf verkaufte Links. Für wen das per se kein Ausschlusskriterium ist (für uns wäre es das), sollte zumindest bei seiner Bewertung das Multiple entsprechend mindern.
Wie sehr ist die Seite mit der Person des Verkäufers verbunden? Wenn die Social-Media-Kanäle und regelmäßige Besucher den Großteil des Wertes einer Seite mit einem sehr persönlichen Twist (vielleicht sogar inklusive Namensdomain) ausmachen, ist fraglich, wie viel hier bei einer Übernahme durch einen Dritten verloren geht. Hier gibt es zweifelsohne ein großes Von-Bis – auf der einen Seite die komplett unpersönliche Medienmarke, auf der anderen Seite der erfolgreiche Hobby-Blog mit angeschlossenem Youtube-Kanal und Podcast des Betreibers.
Das ist ein Gedanke, den wir uns natürlich auch gemacht haben vor dem Kauf von Selbständig im Netz. Und tatsächlich war Peer in den letzten 16 Jahren zweifellos das Gesicht dieser Seite und hat auch nahezu alle Artikel geschrieben (anders als bei Blogs wie Stadt Bremerhaven, Mobiflip oder auch MyDealz, wo sich die Gründer im Laufe der Zeit zumindest noch ein Content-Team dazu geholt oder sich komplett in den Hintergrund zurückgezogen haben). Weil bei SiN am Ende aber dann doch die Inhalte und weniger die Person im Fokus standen, war das für uns keine Red Flag.
Eine damit verbundene Frage ist die, wie sehr die Content-Qualität vom Verkäufer abhängig ist respektive wie gut der Content skalierbar ist. Wie schon im Übernahmebeitrag als Beispiel aufgeführt: Eine Werkstudentin kann mit etwas Recherche problemlos einen vernünftigen bis guten Artikel über die beste Katze für Kinder schreiben. Aber einen fundierten Artikel über die beste Newsletter-Software für Freiberufler?
Auch dafür wirst du qualifizierte externe Autoren finden. Unter dem Strich wird aber ein vielfach höherer Content-Preis stehen, der dann erst einmal wieder eingespielt werden muss.
Kommen eine Expired Domain oder Domain-Weiterleitungen zum Einsatz? Professionelle Website-Betreiber starten neue Projekte oftmals mit Domains, auf denen in der Vergangenheit andere Inhalte publiziert wurden. Oft geht damit ein Ranking-Bonus einher – weil Google die neuen Inhalte mit der Power der alten Links auf die Domain belohnt -., der aber genauso oft temporärer Natur ist. Hier hilft eine genaue Analyse des Linkprofils mit SEO-Tools (wie alt sind die Backlinks? Wohin zeigen sie? Finden Umleitungen statt?) und ein Blick auf Archive.org.
Bei vetted marketplaces wie Empire Flippers ist der Einsatz von Weiterleitungen, Expired Domains oder auch Black Hat Techniken wie Private Blog Networks (dir sagt dieser Begriff absolut nichts? Dann solltest du unseren Rat im Abschnitt “Website kaufen – eher für Fortgeschrittene” unbedingt beherzigen) in der Regel offengelegt. Siehe etwa hier im Beschreibungstext. Schaust du dich auf unregulierten Marktplätzen um oder gehst in die “Kaltakquise”, musst du dir diese Arbeit selbst machen.
Case Study: tarteletteblog.com
Tarteletteblog ist eine von vier englischsprachigen Websites, die wir in der zweiten Jahreshälfte 2022 gekauft haben. Die Seite besteht seit 2005 (anfänglich auf Blogger, seit 2011 auf eigener .com-Domain) und war ein typischer privater Foodblog mit Schwerpunkt Häppchen und Desserts vorwiegend französischer Herkunft.
Mit der kleinen Besonderheit, dass die Tartelette-Gründerin Helene Dujardin – eine in die USA ausgewanderte Französin – professionelle Foodfotografin ist und ihre Rezepte extrem hochwertig bebildert waren (Beispiel). In der Konsequenz und weil Helene sehr früh, lange und umtriebig dabei war, verfügt Tarteletteblog über ein extrem starkes Linkprofil.
Wir hatten uns ganz gezielt nach englischsprachigen Foodblogs umgeschaut. Die Gründe:
- sehr viel Google-Traffic im Verbund mit einem großen Long Tail. Allein jedes der zehntausenden viel gesuchten Rezepte ist eine Ranking-Chance.
- innerhalb des Verticals gibt es unzählige Teilbereiche, die für sich genommen oftmals größer sind als komplette andere Themenfelder, gerade im englischsprachigen Bereich. Von veganer Küche bis zum Beef Blog, von üppigen Kuchengerichten bis zu Healthy Living, von mexikanischem Fast Food bis portugiesischem Sea Food gibt es unzählige Ausrichtungen. Wie schon in unserer letzten Food Blog Case Study geschrieben: In wohl keiner anderen Nische gibt es so viele gut verdienende Amateure. Und wir sind keine Amateure.
- die Zielgruppe im Foodbereich ist wirtschaftlich attraktiv und gut monetarisierbar, sowohl über Display Ads als auch mit Affiliate-Angeboten (Küchengeräte, Messer, …) und eigenen Produkten (Bücher, …).
- die Content-Produktion ist gut delegierbar. Bei Freelancer-Plattformen wie Upwork gibt es zahlreiche englischsprachigen Texter für vergleichsweise kleines Geld, die teilweise sogar auf den Foodbereich spezialisiert sind.
- wir betrieben mit gesundfit bereits eine deutschsprachige Foodseite. Entsprechend kannten wir den Markt und erhofften uns auch gewisse Synergien, etwa bei der Übersetzung von Rezepten.
- ich als Geschäftsführer hatte Lust auf die Herausforderung und aufs Thema. Obwohl ich auf der Seite keine Artikel selbst schreibe, hilft eine grundlegende Passion fürs Projekt enorm bei der Entwicklung. Das tolle am Foodbereich ist die Kombination aus “richtig coole Inhalte” (wer bekommt hier keine Lust auf Eis?) und “man kann sehr gutes Geld damit verdienen”. Eine Seite über Datenrettung, Antivirussoftware oder dergleichen würde sich mehr nach Arbeit anfühlen. Eine Seite etwa im Gaming-Bereich würde dem gegenüber bei gleichem Aufwand wie mit Foodblogs viel weniger Geld abwerfen, einfach weil die typische Zielgruppe einkommensschwächer ist.
Ein Neustart bei Null stand außer Frage. Um gegen Content-Tanker wie allrecipes, bbcgoodfood oder auch die zahlreichen professionellen Foodblogs überhaupt eine Ranking-Chance zu haben, war der Kauf einer Seite mit entsprechender Historie und Link-Power für uns Pflicht.
Bei der Suche nach passenden Kaufobjekten scannten wir die großen Marktplätze, fanden hier aber vornehmlich relativ frische Content-Projekte. Parallel schrieben wir die Betreiber von Seiten an, bei denen offensichtlich schon lange Zeit nichts mehr passiert ist. Und wurden auf diesem Weg fündig.
Null Einnahmen, nahezu Null Traffic
Vor unserer Übernahme datierte der letzte Beitrag bei Tarteletteblog aus 2017. Die Seite hatte Null Einnahmen und nahezu Null Search-Traffic (Helene beschäftigte sich seit jeher weder mit dem einen noch mit dem anderen, die Seite war ein reines Hobby-Projekt). Wir kauften ausschließlich die Domain nebst WordPress-Installation mit etwas über 200 Rezepten. Sonstige Assets wie Social-Media-Kanäle oder eine E-Mail-Liste gab es nicht.
Wir bezahlten 20.000 US-Dollar (18.200 Euro) für tarteletteblog.com. Die Abwicklung war infolge unserer Anfrage extrem unkompliziert. Es gab einige wenige E-Mails hin und her und einen Skype-Call, dann stand der Kaufvertrag. Wir nutzen dazu ein minimal angepasstes Standard-Template. Dank Escrow.com war der Transfer von Geld und Content für beide Seiten eine sichere Angelegenheit.
Die ersten 5 Monate
Im Februar 2023 begannen wir mit dem aktiven Betrieb der Seite und publizierten neue Artikel. Die alten Beiträge von Helene haben wir bislang nicht angefasst. Hier gibt es zweifelsohne beträchtliche Ranking-Chancen, allerdings auch viel Arbeit, weil die Rezepte initial im Rahmen von sehr persönlichen Blogbeiträgen verfasst wurden.
In den ersten fünf Monaten sah die Entwicklung beim Traffic wie folgt aus.
Zwischen Februar und Juli 2023 hat sich die Besucherzahl in etwa verdreifacht. Unsere Wette auf die trotz der langen Inaktivität noch vorhandenen Domain-Power geht hier offensichtlich auf: Google sieht Tarteletteblog (zurecht) wie gehabt als Autorität im Foodbereich. Damit konnten wir vom Start weg vielgesuchte und wettbewerbsintensive Keywords angreifen, bei denen wir mit einer frischen Seite keine Chance auf Sichtbarkeit hätten.
Dazu greift hier der Matthäus-Effekt “wer hat, dem wird gegeben”. Durch die Sichtbarkeit der Inhalte gewinnt Tarteletteblog von alleine weitere organische Backlinks, womit die Domain noch stärker wird.
In den letzten Monaten kamen zu den 20.000 US-Dollar initialen Kosten noch einmal etwa die gleiche Summe als Entgelt für Freelancer und angestellte Redakteurinnen. Diesen rund 40.000 Euro Gesamtkosten stehen aktuell Einnahmen in Höhe von exakt Null Euro gegenüber.
Wir implementieren Display-Werbung erst, wenn es auch monetär anfängt Spaß zu machen. Dafür müssen sich die Besucherzahlen noch einmal mindestens verdoppeln, was durch die Kombination aus weiterem Output und einer gesunden Alterung der bestehenden Inhalte auch passieren wird.
Gastbeiträge (es kommen täglich Anfragen rein) sind für uns keine Option. Die Schädigung der Domain-Power als wesentliches Asset ist uns zu riskant. Hier lassen wir gegenwärtig geschätzte 2.000-5.000 Euro im Monat liegen.
High risk, high reward
Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch völlig unklar, ob die Akquisition eine gute Idee war. Zwar handelt es sich nicht eine Expired Domain, sondern um eine “echte” Fortführung eines bestehenden Projekts mit einem neuen Betreiber, ähnlich wie jüngst etwa bei (ebay-)kleinanzeigen.de. Aber trotzdem kann die Seite in der Gunst von Google natürlich jederzeit verlieren, wie jede andere Seite auch.
Der Kauf eines Online-Assets mit schon bestehenden Rankings und Einnahmen zu einem marktüblichen Multiple ist im Vergleich weniger risikobehaftet, weil die Kosten vom ersten Tag an wieder eingespielt werden. Dafür ist ist die upside aber auch kleiner.
Zur Einordnung: Eine aktive und professionell optimierte & monetarisierte Foodseite auf einer Domain mit den Eckdaten von tartetteblog.com wirst du nicht für unter 200.000 Euro finden. Gelingt unser Aufbau, wird der Verkaufswert des Projekts zwangsläufig auch in diesen Bereich hineinlaufen, mit entsprechenden monatlichen Einnahmen. “High risk, high reward” lautete hier also unser Kalkül beim Website-Kauf.
Was ist dein unfairer Vorteil?
Unser Vorgehen ist natürlich nicht beliebig übertragbar. Man muss es sich im Wortsinne den Kauf eines Projekt leisten können, mit dem man auf absehbare Zeit kein Geld verdient, sondern vielmehr noch einiges mehr zu investieren hat. Gerade darum verschafften wir uns hier einen unfairen Vorteil gegenüber jüngeren Seiten und Neueinsteigern ohne diese Ressourcen (wobei wir natürlich immer noch ein winziger Fisch im Medienmeer sind).
Und an dieser Stelle wird das Vorgehen dann doch wieder übertragbar. Beim Website-Kauf musst du dich fragen: Wo ist dein unfairer Vorteil, der die Übernahme eines Projektes für dich zu einer guten Investition macht? Das kann besondere Expertise sein, die Entdeckung einer ungenutzten Möglichkeit zur Monetarisierung oder auch einfach nur eine große Passion für den Fortbetrieb. Unter Berücksichtigung davon steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit deiner neu erworbenen Website erheblich.
Nische der Woche – nur im Newsletter
In unserem Newsletter stellen wir in jeder Woche eine wenig beachtete Nische vor, in welcher wir große geschäftliche Chancen sehen. Exklusiv für Abonnentinnen und Abonnenten.
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Meine Lebenserfahrung zeigt mir “Alles was Du ausschließlich für Geld machst, hat auch nur den halben Wert”.
Ich finde diese ganzen Studien ganz okay und auch recht interessant. Was aber jeder zu jeder Zeit vergisst ist das bewerten einer Passion von jemanden der hinter seinem Projekt steht, was in meinen Augen viel wichtiger ist als alle Kennzahlen zusammen. Wenn Du ein Projekt machst, nur um Geld zu machen, dann ist klar, dass man ein bestehendes kaufen muss, denn von alleine würde man das nicht schaffen und das nicht weil der Markt zu groß ist, nein, weil die eigenen Beweggründe keinen Wert haben.
Hallo Johannes,
danke für die Einblicke.
Ein sehr interessanter Artikel. Ich bin schon auf zukünftige Updates gespannt.
Gruß
Roman