Vom Hobby-Projekt zum Vollzeit-Business – Interview mit einem App-Entwickler

Vom Hobby-Projekt zum Vollzeit-Business - Interview mit einem App-EntwicklerEine eigene App entwickeln und nach einer gewissen Zeit davon leben zu können, davon träumen sicher einige Entwickler.

Im heutigen Interview spreche ich mit einem App-Entwickler, der aus einem Hobby ein richtiges Business gemacht hat.

Dabei geht es um die Ideen, die Anfänge, Tipps und Probleme. Er schildert aber auch, wie sich das alles übe die Jahre entwickelt hat und worauf Gründer achten sollten.

Viel Spaß damit.

Hallo Max. Bitte stell dich meinen Lesern vor.

Hallo! Ich bin Max aus Leipzig und entwickle dort zusammen mit meinem 10-köpfigen Team das Schreibprogramm Ulysses für Mac und iPad.

Mein Partner Marcus und ich haben das Ganze vor 13 Jahren zusammen angefangen und sind sehr glücklich, dass wir das noch immer zusammen machen können.

Wie bist du zum Online-Business gekommen und welche Erfahrungen konntest du bisher sammeln?

Im Jahr 2002 war ich noch technisch versierter Schüler und hab mich im noch recht jungen Internet auf diversen Plattformen rumgetrieben. Dazu gehörten die heute fast ausgestorbenen Mailing-Listen, quasi Foren, in denen man über hunderte E-Mails pro Tag kommuniziert hat.

Dort schlug dann eines Tages Marcus auf und suchte nach jemandem, der mit ihm ein Schreibprogramm bauen würde. Ich hab als einziger Ja gesagt und so kam dann eins zum anderen. Zehn Monate später kam Ulysses 1.0 auf den Markt.

Was die Erfahrungen anbelangt: In dreizehn Jahren mit mehreren Produkten, die gekommen und gegangen sind, Plattformen, denen es ebenso ging, und uns, die schon damals nur einen ausschließlich elektronischen Vertriebsweg hatten, ist einfach unglaublich viel passiert. Und so habe ich auch so ziemlich alle meine Erfahrungen nur in der Welt des Internets gesammelt. Wo soll ich anfangen?

Die wichtigste Erkenntnis ist aber wohl, dass man immer mit der Zeit gehen sollte. Gibt es eine Neuerung, eine Richtungsänderung, eine neue Plattform, etc. – alles natürlich mit einer gewissen Ernsthaftigkeit – nutze sie, adaptiere dein Produkt darauf, denn widerstehen wirst du irgendwann sowieso nicht können und dann läufst du hinterher.

Schreibst du selbst gern und welche Schreibtools hast du ausprobiert?

Ich selbst habe neben meinen Uni-Arbeiten und ein paar Artikeln auch mal ein Sachbuch über eine Programmiersprache geschrieben, welches dann sogar verlegt wurde. Darüber hinaus bin ich aber eigentlich nicht der Schreiber. Ich schreibe zwar unglaublich viel Text am Tag, aber das ist vorwiegend Programmcode oder versinkt in geschäftlichen E-Mails.

Probiert habe ich die meisten Schreibprogramme auf dem Markt. Aber das dann eigentlich nur, um zu schauen, wie andere Apps übliche Probleme lösen oder was sie neues eingebaut haben. Schreiben tue ich damit nicht.

Wie seid ihr auf die Idee für ulyssesapp.com gekommen?

Das waren weniger wir beide zusammen, als Marcus alleine. Er hatte damals Anflüge, einen Roman zu schreiben. Aber die Suche nach dafür geeigneten Programmen blieb erfolglos – auf wirklich allen Plattformen gab es nur welche für Sekretärinnen oder Programmierer, aber nichts für Autoren.

Über die Zeit entwickelte er ein Konzept für Ulysses und kam damit dann irgendwann bei mir an.

Habt ihr das als Hobby gestartet oder war es gleich ein richtiges Startup?

Es war am Anfang ein reines Freizeitprojekt. Ich war ja noch in der Schule und Marcus war als Grafiker in einer Werbeagentur angestellt. Erst neun Jahre später ergab es sich mehr oder weniger durch Zufall, dass wir das jetzt nun in Vollzeit machen.

Ein Startup allerdings waren wir – zumindest in meiner Auffassung des Begriffs – nie. Wir haben nie Fremdkapital aufgenommen, haben auch sonst keine Investoren. Wir haben unsere Produkte auch nie unter Kosten verkauft, um möglichst schnell möglich viele Nutzer anzusammeln, die wir (oder eher unser Investor) dann möglichst gewinnbringend verkaufen kann. Ein richtiges Unternehmen sind wir seit vier Jahren.

Wie sieht das Geschäftsmodell aus und habt ihr den Markt vorher analysiert?

Das Geschäftsmodell ist einfach für Software wie unsere: Wir entwickeln die App, der Nutzer kauft sie und kann sie dann beliebig lang und in beliebigem Umfang nutzen. Fertig.

Alle Jubeljahre kommt mal ein Bezahlupdate oder ein Zusatzprodukt, das dann auch viele unserer Bestandskunden kaufen. Im Prinzip bestreiten wir also unser täglich Brot mit neuen Kunden.

Zur Marktanalyse: die Feststellung, dass es absolut keine Konkurrenz gibt, war Anlass genug. Pionier zu sein hat nicht immer nur Vorteile, hat aber für uns aus damaliger Perspektive gut funktioniert.

Heute sieht das anders aus: Allein auf dem iPad gibt es über 70 Programme, die sich speziell an Autoren aller Couleur richten. Zum Glück müssen wir das nicht mehr machen.

Für wen ist ulyssesapp.com gedacht und was ist das Besondere daran?

Wie bereits erwähnt ist Ulysses ein Schreibprogramm. Die Zielgruppe ist kurz gesagt jeder, der schreibt. Also: Autoren, Journalisten, Studenten, Wissenschaftler, Juristen, Geschäftsleute, Politiker, Filmemacher, Autobiografen, Blogger, Restaurantkritiker, etc. Selbst Programmierer finden sich unter unseren Kunden, nämlich dann, wenn sie Dokumentationen oder Artikel schreiben.

Das Konzept besteht im wesentlichen aus drei Komponenten:

  • Erstens ist es eine fokussierte Schreibumgebung. Nichts lenkt dich ab, nur du, dein Text und ein blinkender Cursor auf dem sonst leeren Bildschirm.
  • Zweitens ist es eine Projektorganisation in der Cloud. Alles was du jemals mit Ulysses geschrieben hast, existiert zu jeder Zeit auf allen deine Geräten. Egal, wann du wo bist – alles ist immer in aktuellem Stand dabei.
  • Drittens haben wir einen mächtigen Export. Texte kommen aus Ulysses professionell formatiert und fertig zur Weitergabe oder Weiterbearbeitung heraus.

Warum gibt es keine Windows- oder Linux-Variante?

Wir sind ein kleines Team und haben deshalb nur begrenzte Ressourcen. Unsere Produkte sind sehr tief mit den Apple-Plattformen verwoben und nutzen viele der eingebauten Funktionen. Jetzt auf eine andere Plattform gehen zu wollen, würde eine Menge an Nachbauten und Umstellungen bedeuten. Das ist einfach nicht zu schultern.

Obendrein sind wir alle auch überzeugte Mac- und iPhone-Nutzer, deshalb haben wir selber auch gar nicht den Drang, auf andere Systeme zu expandieren.

Wie habt ihr die ersten Kunden gewonnen und wie läuft das Marketing generell bei euch?

Das ist nun schon so lange her, ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr so genau, wie das am Anfang war. Ich glaube, wir haben eine Pressemitteilung gemacht und diese an ein paar Online-Magazine rausgeschickt. Die haben das dann aufgegriffen und so kamen dann auch die ersten Kunden. Ich war da damals auch nicht so sehr involviert, darum hat sich zum größten Teil Marcus gekümmert.

Wir haben über die Jahre viele Methoden wie Werbung oder Sponsorings probiert, dort aber bisher immer quasi keine Erfolge gesehen.

Heute ist mit sehr großem Abstand unser aller wichtigstes Marketing-Mittel unser bestehender Kundenstamm. Unsere Kunden lieben unsere Programme und empfehlen das dann entsprechend weiter. Einige sind recht bekannt und dadurch funktioniert das ganz gut. Im Prinzip machen wir also “einfach” ein gutes Produkt, das sich selber verbreitet.

Kann man euer Tool testen und was kostet es?

Auf ulyssesapp.com kann man sich eine kostenlose Testversion von Ulysses für Mac herunterladen. Zu kaufen gibt es das dann im Mac App Store für 44,99 €.

Zu guter Letzt würde ich mich über deine wichtigsten Tipps für Online-Startups freuen.

Zu Beginn sollte man auf jeden Fall ein Konzept und ein Modell für die finanzielle Tragfähigkeit haben. Daraus dann den kleinsten Teil finden, den man auch einzeln auf den Markt bringen kann, und damit beginnen.

Wichtig ist, möglichst schnell sowohl das Konzept als auch die Finanzierung zu testen. Wenn es schief geht, dann sollte das möglichst schnell passieren und dann sollte man das auch akzeptieren oder wenigstens das Konzept anpassen.

Ich halte es auch für unheimlich wichtig, das Feedback der ersten Kunden, egal wie kritisch, zu suchen und dieses bei der weiteren Entwicklung zu beachten.

Danke Max für das Interview

Peer Wandiger

4 Gedanken zu „Vom Hobby-Projekt zum Vollzeit-Business – Interview mit einem App-Entwickler“

  1. Eine nette Idee.
    Sehr Interessant. Neuerdings arbeite ich viel mit den Google Cloud Sheets.
    Aber ich bin für alle DInge offen.
    Ich habe mich mal für den Test angemeldet.
    Ich bin gespannt.
    Gruß

  2. Interessantes Interview, habe noch nie von der App bzw. dem Programm gehört…Windows/Android-Nutzer haben mit Google Docs und GDrive meines Erachtens jedoch bereits eine funktionierende Cloud-Alternative. Mir persönlich würde das USP fehlen um 45 Euro für die Software zu investieren…

  3. Vielen Dank für den interessanten Artikel Max und Peer,

    ich finde besonders den Teil mit dem schnellstöglichen Testen am wichtigsten. Nichts ist schlimmer als ein Produkt zu entwickeln, das am Ende niemand haben möchte, wenn es endlich fertig ist. LG Marco

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