Die Kalkulation von Design- oder Webdesign-Projekten stellt gerade für Existenzgründer in diesen Branchen eine Herausforderung dar.
Im heutigen Interview geht es um Apps, die bei der Kalkulation helfen.
Zudem spreche ich mit dem Entwickler der Apps über die Umsetzung der Apps, die Vermarktung und die Monetarisierung.
Hallo Herr Linke. Bitte stellen Sie sich meinen Leser vor.
Ich gehöre zur Generation Sesamstraße, das heißt, dass ich schon immer ein wenig zwischen dem kreativ-chaotischen Earnie und sachlichen Bert hin- und hergerissen war.
Auf der einen Seite habe ich Jura studiert und setze mich mit Kalkulationen auseinander. Auf der anderen ist da der Earnie, der rasch merkte, dass Jura nicht mein Lebenstraum ist, und so habe ich meinen Job als Jurist hingeschmissen, Grafik-Design studiert und vor rund 15 Jahren eine Werbeagentur gegründet.
Und auch, wenn ich mich in meinem Beruf heute sehr wohl fühle, meldet sich immer wieder der Bert … und so arbeite ich nebenbei als Gutachter an der Fachhochschule, engagiere mich in der Allianz Deutscher Designer und gebe Seminare für das Kompetenzzentrum für Kreativwirtschaft der Bundesregierung und das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V.
Wie sind Sie zur App-Entwicklung gekommen?
Zur App-Entwicklung bin ich aus der Not heraus gekommen. Es gab schlicht keine App auf dem Markt, mit der ich nach meinen Anforderungen professionelle Angebote kalkulieren konnte.
Also haben wir eine eigene App entwickelt…
Mit dem “Design Fee Calculator” haben Sie eine interessante App für (Web-)Designer entwickelt. Wie kam es dazu?
Die Kalkulation der eigenen Leistung ist eigentlich gar nicht so schwer … und doch schwerer als man glaubt:
- Soll man seine Leistung zu einem Pauschalpreis anbieten oder lieber auf Stundenbasis arbeiten?
- Und wie reagiere ich auf den Markt?
- Orientiere ich mich nach den Kollegen oder suche ich meinen eigenen Weg?
Die bestehenden Kalkulationslösungen auf dem Markt gaben/geben in der Regel nur Pauschalpreise mit Pauschal-Stundensätzen vor. Dies ist meiner Meinung nach nur der halbe Weg. Mit DESIGN FEE verfolge ich einen anderen Ansatz.
Welcher Möglichkeiten bietet die App und wie kann sie einem helfen?
Nach meiner Ansicht sollte man immer nach seinem eigenen Stundensatz kalkulieren. Auch wenn man Pauschalangebote schreibt, sollte man sich bewusst sein, wie viele Stunden im Schnitt von diesem Pauschalangebot gedeckt sind.
Es geht im ersten Schritt also darum, seinen eigenen Stundensatz zu finden. Mit einem Blick auf die Marktsituation kann man ein Gefühl für den eigenen Preis bekommen.
Aber dann sollte man seine eigene “Schmerzgrenze kaufmännisch festlegen”. Nur wenn ich weiß, was ich pro Stunde verdienen MUSS, kann ich als Selbstständiger (über)leben.
Hier hilft die kostenlose In-App “Stundensatz berechnen” ein wenig weiter. Auf der Grundlage eines eigenen (konkurrenzfähigen und kostendeckenden) Stundensatzes kann man dann seine Angebote mit der App nach Aufwand kalkulieren.
Die App gibt Empfehlungen für Hunderte Projekte mit jeweils niedrigem, normalem und hohem Aufwand vor, die alle nach Bedarf angepasst und gespeichert werden können.
Mit DESIGN FEE habe ich versucht, dieses Kalkulationsmodell abzubilden. Übrigens gibt es mittlerweile auch eine maßgeschneiderte Version für Webdesigner: WEB FEE
Wie lief die Umsetzung der App. Was waren die Herausforderungen und welcher Aufwand steckt dahinter?
Die größte Herausforderung war die Erstellung des Datenbestandes. Hier haben wir tausende Werte verglichen, mit Vorgaben der Berufsverbände abgestimmt, unsere 15-jährige Erfahrung einfließen lassen, Feedback aus den Seminaren und zu meinen Büchern berücksichtigt.
Die zweite Baustelle war dann all die Informationen in eine Benutzeroberfläche zu bekommen, die einerseits einfach zu bedienen ist und andererseits all die Funktionen beinhaltet, die uns vorschwebten.
Außerdem wollten wir die App so bauen, dass sie ohne Internetverbindung funktioniert. Zwar kann man die App mit Evernote synchronisieren, Angebote gleich per Mail verschicken etc. Aber im Kern sollte die App ohne Netz laufen.
Ziel sollte ja gerade sein, dass man immer rasch eine Grobkalkulation zur Hand hat. Nichts wäre ärgerlicher, beim Kunden zu sitzen und mangels Netzverbindung kein Zahlenwerk zur Hand zu haben.
Also mussten alle Zahlen in die App – und trotzdem sollte die App mit all den Datenbankabfragen schnell und flüssig laufen.
Welche Vermarktungs-Maßnahmen für die App haben Sie genutzt und welche haben funktioniert?
Aufgrund meiner Bücher habe ich bereits ein breites Netzwerk an Kontakten nutzen können, welches auch für die Bewerbung der App sehr hilfreich war.
Ich habe einschlägige Blogs und Fachzeitschriften angeschrieben. Erfreulicherweise haben fast alle über die App berichtet. Außerdem habe ich Werbung auf meinem Blog www.designers-inn.de geschaltet und eine eigene Website www.designkalkulieren.de ins Leben gerufen.
Überdies habe ich als Cross-Marketing die App in meinen Büchern beworben.
Wie wurde die App bisher angenommen? Wie ist die Entwicklung seit dem Start?
In der Presse und bei den Nutzern wurde die App sehr gut angenommen. Einen Schub hat die App bekommen, als die PAGE, MacLife und das Portal ifun über die App geschrieben haben.
Dadurch ist die App auf Rang 2 im AppStore geschossen und wurde von Apple unter “Neu und beachtenswert” empfohlen. Seitdem ist die App unter den “Meistverkauften Apps” in der Rubrik Produktivität.
Parallel haben Sie ein eBook veröffentlicht. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen und wie wird es angenommen?
Eigentlich war das Buch “Design kalkulieren” vor der App. Auch hier kam die Idee aus der eigenen Praxis.
Als wir uns damals gründeten, war das größte Problem nicht die eigentliche Arbeit, sondern die Kalkulation derselben.
Die allgemeinen Lösungen auf dem Markt waren nicht sehr zufriedenstellend. Eine Orientierung nach der Konkurrenz kam für mich nicht in Frage, da es immer eine Tochter oder den Sohn eines Freundes gibt, der auch gerade Design studiert und die gleiche Arbeit für die Hälfte anbietet.
Ob dies die “gleiche Arbeit” im Ergebnis ist, sei dahingestellt.
Eine Orientierung nach den Stundensätzen der Berufsverbände war aber damals auch nicht möglich, da wir mangels Erfahrung und Referenzen niemals vergleichbare Stundensätze hätten durchsetzen können. Also mussten wir einen Weg finden, unseren eigenen Preis zu ermitteln, der konkurrenzfähig ist und dennoch all unsere Kosten deckt.
Nachdem ich auf vielen Seminaren und Branchentreffen mit Kollegen gesprochen und meinen Kalkulationsansatz erklärt hatte, meinten diese, ich sollte doch mal ein Buch zu meinen Ideen schreiben. Das habe ich dann getan. 🙂
Wie wird das Buch angenommen? Erfreulicherweise auch sehr gut. Das Buch war fast ein Jahr auf der Amazon-Bestseller-Liste, die Leserstimmen waren überbaus ermutigend. Ganz offensichtlich gibt es einen großen Beratungsbedarf in diesem Bereich. So groß, dass ich über die Entwicklung der passenden App DESIGN FEE nachgedacht hatte …
Welche App-Features sind für die Zukunft geplant?
An Grundfunktionen deckt die App die meisten Situationen ab. Ich werde vor allem an zwei Stellen die App weiter ausbauen:
- Soll die Ermittlung des eigenen Stundensatzes noch weiter optimiert werden.
- Soll der Datenbestand um weitere Leistungen ergänzt werden.
Zum Schluss würde ich mich über Ihre wichtigsten Tipps für App-Entwickler freuen.
- Als Erstes würde ich bei der Idee anfangen. Was benötige ich selbst und wofür gibt es keine (gute) Lösung?
Andere Apps zu kopieren macht meines Erachtens wenig Sinn, da man die Presse kaum begeistern kann und einem in der Regel das Budget fehlt, auf eigene Faust eine “doppelte App” zu platzieren.
Ich brauchte einen Design-Kalkulator und diesen gab es dieser Form nicht. Ein guter Ansatz für eine App.
- Dann würde ich schauen, wie groß die Konkurrenz in dieser Nische ist. Wie “stark” sind die vergleichbaren Apps und habe ich einen wirtlichen Mehrwert gegenüber diesen, um mich durchzusetzen?
Ein Beispiel: Ich bin Vater geworden und habe nach Schwangerschaftsratgebern für Väter gesucht. Damals war das Ergebnis meiner Recherche: Null. Also habe ich einen Ratgeber für Mütter gekauft. Als ich dann in der Woche xy las, dass meine Brüste spannen, dachte ich “Nein. Das tun sie nicht” … Und habe mich daran gemacht, einen Ratgeber für werdende Väter zu schreiben: Die PAPA APP.
Die Papa App ist eingeschlagen wir eine Bombe. App des Monats in der Computer Bild, App der Woche im Fokus, Platz 2 der meistverkaufen Lifestyle-Apps … Ich denke, dass Apps, die ein “Problem lösen” sehr positiv aufgenommen werden, von den Usern und der Presse.
- Ich versuche, meine Apps “einfach” zu halten. Ich konzentriere mich auf ein einzelnes Thema und lasse lieber ein paar Features weg, als die Kernidee der App zu gefährden.
- Als Grafiker liegt mir natürlich das Design besonders am Herzen. Es kann nur wenig schief gehen, wenn man eine gute Idee mit wenig Konkurrenz hat – und diese schick verpackt an den Mann/die Frau bringt.
Entsprechend stecken wir sehr viel Zeit und Energie in das Design und die Anwenderfreundlichkeit.
Danke Herr Linke
für die interessanten Einblicke und Tipps.
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Hatte vor ein paar Monaten genau das Problem. Werde die App aber in Zukunft nutzen, finde die Idee und auch die Umsetzung ziemlich gut.
Sehr interessantes Interview, danke dafür. Ein paar Anmerkungen:
> Dadurch ist die App auf Rang 2 im AppStore geschossen und wurde von Apple unter “Neu und beachtenswert” empfohlen.
Das ist eine tolle Leistung und sicherlich ein schöner Boost für die App.
> Seitdem ist die App unter den “Meistverkauften Apps” in der Rubrik Produktivität.
Das wiederum ist relativ irrelevant, da die “Meistverkauften Apps” die Top 100 sind und, je nach Kategorie der 100. Platz vielleicht noch 1-2 tägliche Downloads bekommt. Hier macht es einen gewaltigen Unterschied, ob man in den Top 5 oder in den Top 100 ist, da die Umsatzkurve extrem stark abfällt. Die Top 5 dürften vermutlich 80% des Umsatzes ausmachen.
> Als Grafiker liegt mir natürlich das Design besonders am Herzen.
Der entscheidende Take-Away ist jedoch der Datenbestand dieser Apps. “DESIGN FEE” ist vermutlich nicht wegen dem Design beliebt, sondern weil Zeit und Energie investiert wurde, um Daten zu aggregieren. Die sinnvolle Darstellung dieser Daten ist sekundär. Kern ist die Datenbank. Was lernen wir daraus? Wenn jemand Einblicke hat bzw. sich die Mühe macht, Daten in einer Nische zu aggregieren, die es zuvor nicht gab, hat man eine valide Idee für eine App oder ein eBook. Dieses Schema zieht sich durch all diese Apps. Auch die PAPA APP ist im Grunde eine Datensammlung, die es zuvor noch nicht gab. Worauf muss man als Mann bei der Schwangerschaft achten? Auf jeden Fall eine super Idee.
Was mich noch interessiert hätte: Haben sich die Entwicklungskosten der Apps mittlerweile aklimatisiert und kommt Gewinn rein oder noch nicht?
Werde mir die App auch mal ansehen. Vielen Dank für die Info und das Interview
Sehr interessantes Interview. Vor allem das beispiel mit der Papa App zeigt, wie einfach es ist eine tolle App mit Mehrwert zu kreieren.
Dieser Artikel hat mich dazu inspiriert meine App Idee doch noch in die Tat umzusetzen. Ich hoffe ich werde meinen Vorsatz auch weiterhin in mir tragen und ihn nicht wieder aufgeben bevor ich damit angefangen habe.
Wenn man nur mehr Zeit hätte im Leben… Irgendwie kommt man zu nichts
Hallo 🙂 Also ich benutze DesignFee schon seit der ersten Version. Die App kann ich nur loben, sie ist wirklich klasse. Damit kann man im Zweifelsfall oder auch im Regelfall, kommt natürlich darauf an wie man das selbst handhabt, eine unverbindliche grobe Peisauskunft ohne Gewähr geben.
Ganz klare Empfehlung für Designer und Fotografen, aber auch für andere Selbstständige mit Sicherheit in einigen Bereichen anwendbar.
Ich finde die Idee ziemlich interessant. Die App ist ganz klar zu empfehlen für Selbstständige – ich werde die auch mal testen.
Man sollte aber auch unbedingt beachten: Ohne Budget lässt sich eine App (ohne die nötigen Programmierkentnisse, Programme, Tools,..) nicht kreieren. Natürlich gibt es einige App-Baukasten… aber ehrlich: so erhält man nicht wirklich DAS Ergebnis, das man sich eigentlich wünscht. Ein Bekannter von mir hatte sein Budget in das Team von http://www.app-inventor.de/ gesteckt – er hat einfach sein iPhone ausgewählt, Budget und Kontaktdaten eingegeben. Und jetzt lässt er seine App von denen entwickeln – zwar etwas mehr als das geplante Budget aber was soll’s.
Ganz wichtig bei der App Entwicklung ist es, wie auch im Artikel erwähnt, sich auf die Hauptfunktionalitäten der App zu konzentrieren. Es sollte für den Nutzer leicht zu erkennen sein, welchen Mehrwehrt die Software liefert. Zudem lassen wir unsere Apps in Indien programmieren, wodurch wir unsere Kosten zusätzlich senken. So wird es wahrscheinlicher, dass die App auch einen Gewinn abwirft.