Cent-Auktionen, bei denen für jedes Gebot zu bezahlen ist, sind nach einer kurzen Hoch-Phase weitgehend wieder in der Versenkung verschwunden. Die wenigen verbliebenen Anbieter trommeln teilweise mit äußerst perfiden Methoden für ihre vermeintlichen Schnäppchen-Angebote, bei denen es sich tatsächlich wohl um rechtswidriges Glücksspiel handelt – und mit kräftiger Unterstützung deutscher Großverlage.
“Entertainment-Shopping” mit Biet-Robotern
“Mit diesen dreisten Tricks zockt uns die Web-Mafia ab“, eskalierte Focus Online im Zusammenhang mit Cent-Auktionen. Die “Welt” übertitelte Anfang dieses Jahres einen Bericht zum Thema mit So werden Nutzer bei Cent-Auktionen abgezockt, und in einem N-TV-Bericht warnte gerade erst ein Experte der Verbraucherzentrale NRW Schnäppchen-Jäger vor hohen versteckten Kosten. Bei der journalistischen Einordnung der Plattformen gibt es eigentlich keine zwei Meinungen.
Schon im Jahr 2012 kommentierte die Stiftung Warentest “zu schön, um wahr zu sein”. Am Beispiel der Plattform Bidfun errechnete die Stiftung Warentest, dass bei einem für vermeintlich günstige 37,12 Euro “versteigerten” Smartphone stolze 2264,32 Euro in die Taschen der Auktionsplattform geflossen sind – und das auch nur, wenn man den Angaben der Anbieter glauben schenkt. In der Vergangenheit wurden Plattform-Betreiber beim Einsatz von Biet-Robotern ertappt; schaut man in Verbraucherschutzforen, ist die Dunkelziffer offenbar gigantisch.
“Nicht erlaubnisfähiges Glücksspiel”
Abseits davon ist höchst fraglich, ob Cent-Auktionen überhaupt mit deutschen Recht vereinbar sind. Die Stiftung Warentest bekam dazu von einem Verantwortlichen für Glücksspielrecht beim Regierungspräsidium Karlsruhe gesagt: “Sofern der Teilnehmer der Auktion zuvor Gebotspunkte käuflich erwerben muss, um dann an der Auktion bieten zu können, und er durch die Auktion die Möglichkeit hat, den betreffenden Gegenstand deutlich unter Wert zu erwerben, dürfte es sich bei einer solchen Auktion um ein nicht erlaubnisfähiges Glücksspiel handeln”. Entsprechend wurden in Baden-Würtemberg auch schon Untersagungsverfügungen gegen Anbieter von Cent-Auktionen verfasst.
Immerhin: Das Problem hat sich in Deutschland den letzten fünf Jahren weitgehend von selbst gelöst. Schon im Jahr 2010 wurden die “Entertainment-Shopping-Anbieter” Dealstreet (aus dem Hause Rocket Internet) und Rabattschlacht abgeschaltet, im Frühjahr 2011 schließlich schlitterte Pionier Swoopo in die Insolvenz. Das Fachmagazin Gründerszene analysierte dazu, die Gründe der Swoopo-Pleite lägen neben einem miesen Image und einer geringen Nutzertreue bei “illegaler Konkurrenz” aus dem Ausland, die sich “der deutschen Rechtsprechung aktiv widersetzten”.
Deutsche Medienseiten werben für “Abzocke”
Tatsächlich findet man im Impressum der verbliebenen Anbieter von Cent-Auktionen – sollten sie überhaupt über eines verfügen – praktisch durchweg ausländische Anschriften (mit Ausnahme von Snipster). Das gilt für den von der Stiftung Warentest beleuchteten Dienst Bidfun, und das gilt auch für den aus Großbritannien operierenden Anbieter MadBid.
Schert man sich nicht um deutsches Recht, scheint das “Geschäftsmodell Cent-Auktionen” immer noch recht einträchtig zu sein. MadBid jedenfalls nimmt viel Geld zur Kundengewinnung in die Hand, auch in Deutschland. Und dieses Geld landet zu einem beträchtlichen Teil in der Kasse jener Verlage, deren Redaktionen Anbieter wie MadBid als Abzocke titulieren.
Teilweise finden sich Warnungen für Penny-Auktionen und Werbung dafür sogar auf exakt der gleichen Seite. So gibt es in einem alten Stern-Artikel, Titel “Abgezockt beim Höchstgebot“, einen Text-Bild-Anzeigeblock des Vermarkters Ligatus, bei dem MadBid offenbar ein gern gesehener Werbekunde ist.
Selbstgebaute Ratgeberseite
Die Reklame im Ligatus-Block auf der Stern.de-Artikelseite linkt auf eine Seite im Ratgeber-Look, wo eine “Schnäppchenjägerin” (ihr angebliches Foto ist natürlich ein Stock Image) davon berichtet, “überall im Netz und in Blogs liest man Berichte über glückliche Gewinner, die hochwertige und teure Produkte für wenig Geld ersteigert haben”. Auf diese Berichte wollte sich die Schnäppchenjägerin aber natürlich nicht verlassen: “Wir wollten den Wahrheitsgehalt dieser tollen Angebote auf Herz und Niere überprüfen. Und der beste Weg dies herauszufinden ist es selbst zu testen und etwas zu kaufen, das man selbst gerne haben möchte”.
“Nach Stunden der Recherche” habe sie MadBid ausgewählt, bei der ersten Einzahlung Gratis-Gebote erhalten und prompt “zu meiner Überraschung ein iPhone für 28,22 Euro ersteigert. “Um sicher zu gehen”, dass es sich dabei um keinen Zufall handelte, probierte sie gleich noch einmal ihr Glück und ersteigerte ein Macbook Pro für 79,22 Euro. Fazit: “Nachdem ich die Auktion gewonnen und bezahlt hatte, habe ich die Produktlieferung nur wenige Tage später erhalten. Es war sehr beeindruckend, einfach alles vom Anfang bis zum Ende. (…) Jeder hier benutzt jetzt MadBid für seine persönlichen Einkäufe. Es ist so einfach!”
Die Gratis-Gebote gibt es über einen “exklusiven” Link und natürlich nur heute (ein Script macht es möglich). Einzig ein kleiner Verweis im Footer weist darauf hin, dass der Artikel von MadBid “gesponsert” ist. Offenbar noch eine kräftige Untertreibung: Der Link zum Impressum geht auf das Impressum von MadBid selbst.
Volles Spektrum der Verbrauchertäuschung
Im Vergleich ist diese Landing Page noch harmlos. Unter der gleichen Domain – megabargains24.com – finden sich Promo-Seiten, die das ganze Spektrum an mutwilliger Verbrauchertäuschung der letzten Jahre abdecken
- ein “kritischer Testbericht” einer “Bloggerin”
- ein Facebook-Counter mit mehreren Hunderttausend Likes als Indikator für große Beliebtheit. Das scheinbare Facebook-Widget ist ein Bild.
- Logos großer Medien-Outlets als weiterer Vertrauens-Indikator
- begeisterte Kommentare (unter anderem von einer alleinerziehenden Mutter mit knappem Budget); weitere Kommentare sind “aufgrund von Spam” nicht möglich.
- ein Teaser zu einem Youtube-Video “ebay Mitarbeiter im Streik. Unzufriedene Verbraucher – Nutzer sind schockiert vom schlechten Service und den steigenden Kosten bei eBay”; natürlich ebenfalls eine Bilddatei.
Allein diese Reklame dürfte gegen eine Vielzahl deutscher Gesetze verstoßen, von der beworbenen Website ganz zu schweigen. Und deutsche Verleger verdienen dabei kräftig mit – auf das genannte Beispiel trifft das gleich doppelt zu, denn Ligatus gehört ebenso wie der Stern dem Verlagshaus Gruner + Jahr.
Gewaltiges Qualitätsproblem
Anzeigen von Ligatus sind auf etlichen großen journalistischen Online-Plattformen eingebunden. Diese Plattformen machen – in der Regel wohl völlig unwissentlich – kräftig Werbung für Anbieter, die in den eigenen Redaktionen als Abzocke gebrandmarkt werden und deren Legalität höchst zweifelhaft ist.
Ligatus, ansich ein völlig seriöses Unternehmen mit zahlreichen renommierten Werbe-Kunden und -Trägern, täte hier gut an einer Qualitätsoffensive. Dieser dürften dann gerne auch die unzähligen eingebuchten “Der Crash kommt! Massenmedien, Banken und Politik belügen Sie! Diesen Anlagen sollten Sie jetzt vertrauen!” Kampagnen zum Opfer fallen. Bei gleichartigen CPC-Performance-Netzwerken wie Outbrain, Plista oder Google Adsense haben wir solcherlei Reklame jedenfalls nicht einmal ansatzweise in dieser “Qualität” und Häufung finden können.
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