16. Finanzplanung & Rücklagen – 52 Tipps für eine erfolgreiche Selbständigkeit

Finanzplanung & Rücklagen - 52 Tipps für eine erfolgreiche SelbständigkeitUnter dem Strich dreht sich bei der Selbständigkeit alles ums Geld.

Nicht weil man unbedingt reich werden will oder weil Geld allein glücklich macht, aber als Selbständiger muss man von seiner Arbeit leben können.

Deshalb sollten Selbständige eine vorausschauende Finanzplanung betreiben.

In diesem Artikel gebe ich dazu Tipps, spreche über Rücklagen und schildere meine eigenen Erfahrungen.

Dieser Artikel gehört zur Serie:
52 Tipps für eine erfolgreiche Selbständigkeit

Finanzplanung & Rücklagen

Als Existenzgründer wird man dazu angehalten einen Businessplan zu erstellen. Dieser enthält in der Regel auch einen Finanzplan.

Manchmal ist dieser zwingend notwendig, wenn man z.B. einen Kredit möchte. Aber auch sonst sollte man sich frühzeitig Gedanken über die finanzielle Situation machen, in die man sich mit einer Selbständigkeit begibt.

Das Problem dabei ist, dass die Einnahmen nur schwer einzuschätzen sind, wenn man nicht schon Erfahrungen als Selbständiger in dieser Branche hatte.

Hinzu kommt, dass bei den meisten Geschäftsmodellen, gerade bei Selbständigen im Netz, in der Anfangszeit nur geringe Einnahmen generiert werden. Wenn man eine Website aufbaut, eine Dienstleistungen anbietet oder Produkte online verkauft, braucht es seine Zeit, bis die Zahl der Kunden steigt und damit auch die Einnahmen.

Und auch danach ist es bei vielen Selbständigen so, dass die Einnahmen recht schwankend sind.

So kann es schnell dazu kommen, dass man in einen Liquiditätsengpass gerät. Viele Selbständige scheitern eben nicht daran, dass das Geschäft an sich nicht läuft, sondern weil sie ihre Finanzplanung nicht im Griff haben und zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Rechnungen nicht bezahlen können, auch wenn das Geschäfts insgesamt gesehen gut läuft.

Liquidität
Unter Liquidität versteht man grundsätzlich, dass man genügend Geld zur Verfügung hat, um die eigenen kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bezahlen.

Diese Verbindlichen können z.B. Rechnungen von Lieferanten sein. Bei Selbständigen im Netz, die einen Shop betreiben, ist das durchaus eine beträchtliche Summe. Aber auch andere Selbständige im Netz müssen für Hosting, Büro-Miete, Werbung oder was auch immer Geld bezahlen.

Idealerweise hat man genügend Geld auf dem Konto, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Eine Liquidität 1.Grades von 100% ist aber nicht immer so einfach zu erreichen.

Deshalb sollte man zumindest mit dem Geld auf dem Konto und den kurzfristigen Forderungen (Rechnungen an Kunden, Auszahlungen von Partnerprogrammen, AdSense-Auszahlung …) genug Geld haben, um die anstehenden Verbindlichkeiten zu bezahlen. Natürlich muss man auch von was leben, weshalb man insgesamt mehr Einnahmen & Geld auf dem Konto haben sollte, als man bezahlen muss.

Rücklagen
Da aber Schwankungen durchaus normal sind, gilt es vorzusorgen.

Leider sieht man immer wieder Selbständige, welche die ersten größeren Einnahmen sofort wieder ausgeben und sich “belohnen”. Nun ist es psychologisch zwar auch wichtig, dass man sich mal was gönnt, aber als Selbständiger muss man begreifen, dass einem vom Geldeingang nur 50-60% wirklich gehören.

Und von diesem Betrag sollte man zudem versuchen Geld zurückzulegen, da es immer wieder zu schlechten Zeiten kommen kann, in denen man nicht so viel Geld einnimmt, bestimmte Verbindlichkeiten aber dennoch bezahlen muss.

Rücklagen sind deshalb ein ganz wichtige Säule für die Stabilität der eigenen Selbständigkeit. Wer vorher angestellt war, hat vielleicht jeden Monat das Einkommen komplett ausgegeben, denn einmal im Monat kam ja pünktlich wieder das Geld von Arbeitgeber. So funktioniert das in der Selbständigkeit aber in der Regel nicht.

Finanzamt
Ein wichtiger Punkt für Selbständige ist das Thema Steuern. Viele unterschätzen diesen Aspekt, da das Finanzamt in der Regel erst nach ein paar Jahren der Selbständigkeit richtig zuschlägt.

Und das Fatale dabei ist, dass die Steuerbelastung nicht langsam steigt, sondern meist einen sprunghaften Anstieg nimmt.

Denn läuft es im 2. oder 3. Jahr deutlich besser, muss man danach nicht nur Einkommenssteuer und Gewerbesteuer nachzahlen, sondern auch noch ähnlich hohe Vorauszahlungen leisten.

Hier greift dann nicht nur überhaupt zum ersten mal so richtig die Steuerbelastung, sondern durch die Vorauszahlungen verdoppelt sich diese sogar. Genau an diesem Punkt geraten viele Selbständige ins Schlingern, da sie dafür keine Rücklagen gebildet haben.

Im Gegenteil. Viele Existenzgründer kalkulieren ihre Stundensätze noch mit den Ausgaben eines Angestellten im Hinterkopf und vergessen dabei natürlich, dass ein Angestellte nettor bezahlt wird, während ein Selbständiger mit Brutto-Einnahmen arbeiten muss.

Das bedeutet, wie oben schon erwähnt, dass Steuern, Krankenversicherung, Altersvorsorge, Rücklagen, Betriebsausgaben usw. noch von dem Einnahmen abgehen, bevor man vom “Geld zum Leben” reden kann.

Meine Erfahrungen

Ich habe eine recht typische Gründungsphase durchgemacht. Am Anfang habe ich als Webdesigner nur langsam neue Kunden gewonnen, so dass die Einnahmen im ersten Jahr sehr übersichtlich waren.

In dieser Zeit habe ich von Erspartem, einer Existenzgründerförderung und dem Einkommen meiner Frau gelebt.

Nach und nach stiegen die Einnahmen, aber das Problem der schwankenden Einnahmen bestand weiterhin. Das war ein Grund, warum ich mit dem Aufbau eigener Websites begonnen habe. Da sind die Besucherzahlen oft recht stabil und damit auch die Einnahmen.

Dank meiner Frau, die beruflich tief im Thema Steuern drin steckt, habe ich früh begonnen für das Finanzamt und sonstige Ausgaben Geld zurückzulegen. Nach rund 3 Jahren kam bei mir der oben angesprochene Punkt, als das Finanzamt nicht nur kräftige Nachzahlungen wollte, sondern ebenfalls die entsprechend saftigen Vorauszahlungen. Ohne die vorausschauende Bildung von Rücklagen wäre es sicher mehr als nur eng geworden.

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt Geld zurückzulegen und das Geld auf meinem Geschäftskonto nicht als “mein” Geld zu betrachten. Erst wenn ich mir davon etwas als “Unternehmerlohn” auf mein Privatkonto überweise, ist es mein Geld.

Fazit

Rücklagen sind für Selbständige extrem wichtig. Das gilt zum einen für den Start in die Selbständigkeit. Hier braucht es eine gewisse Zeit, bis man relevante Einnahmen erzielt und diese kann man nur überstehen, wenn man Geldreserven hat.

Die zweite kritische Phase kommt dann oft nach 2-3 Jahren, wenn das Finanzamt zuschlägt.

Generell besteht aber immer das Risiko, dass man zusätzliches Geld braucht. Sei es für wichtige Anschaffungen, Werbung oder vielleicht auch mal eine Abmahnung im Netz.

Deshalb sollte man von Anfang an versuchen Rücklagen zu bilden und regelmäßig die kurz-, mittel- und langfristige Finanzplanung kontrollieren.

Habt ihr schon mal Liquiditätsprobleme in eurer Selbständigkeit gehabt?
Wann war es am engsten mit dem Geld?

Peer Wandiger

12 Gedanken zu „16. Finanzplanung & Rücklagen – 52 Tipps für eine erfolgreiche Selbständigkeit“

  1. Rücklagen sind das A und O für jede erfolgreiche Selbständigkeit. Habe über 20 Jahre Erfahrung in diesen Bereich und kenne alle Höhen und Tiefen.

    Habe immer versucht 1/3 von meine Einnahmen bei Seite zu legen und konnte dies auch lange Zeit gut meistern. Damit konnte ich auch längere Phasen mit schwache Einnahmen gut überbrücken.

    Leider kam bei mir dann vor 4 Jahren eine Phase wo mein Geschäfte eingebrochen ist und dies auf Dauer. Habe alles mögliche versucht neue Einnahme Quelle zu schaffen, aber leider war der Erfolg nur durchwachsen.

    Lange Geschichte kurz erzählt.

    Nach gut 18 Monate harten Kampf musste ich erkennen das, es so nicht weiter gehen konnte. Meine Reserven waren auch aufgebraucht und ein größere Zahlung ans FA sorgten dafür dass, ich meine Selbständigkeit aufgeben musste.

    Inzwischen habe ich ein Angestellten Job wo ich zwar nicht mehr die Freiheiten von früher habe, aber zumindest ein nur mäßigen, aber regelmäßigen Einkommen habe.

    Für die Zukunft plane ich aber mit ein oder mehrere Webseiten/Blogs zumindest wieder nebenberuflich Selbständig zu werden. Auch wenn ich schon über 50 sollte dies gelingen.

  2. Oh ja, das kann ich nur bestätigen: bei mir schlägt das Finanzamt nach 3 Jahren gerade so richtig zu. Da sind die Rücklagen plötzlich schnell aufgebraucht.
    Ich habe am Anfang ja eigentlich keine Lust auf diesen Businessplan gehabt, weil ich dachte das bringt eh nichts und kommt sowieso ganz anders. Aber im Nachhinein bin ich doch ganz froh, dass ich ihn 1. gemacht habe und 2. mich auch ein wenig daran gehalten habe. So habe ich jetzt tatsächlich Rücklagen auf die ich zurückgreifen kann.

  3. Danke für diesen Beitrag! Ein sehr wichtiges Thema, das leider viele Gründer nicht ernst nehmen bzw. ignorieren..ich habe es bei einem Freund gesehen, der sich selbstständig machte und diesen Bereich komplett vernachlässigte. Als dann das Finanzamt kam, fiel er aus allen Wolken und konnte dicht machen, da er nahezu keine Reserven hatte. Leider kommt das nicht so selten vor…

    Ich habe mich letztes Jahr ebenfalls selbstständig gemacht und mich im Vorfeld über die Risiken, Pflichten etc informiert, darunter natürlich auch Finanzen und Steuern.

    Deshalb handhabe ich es in meinem Fall so, dass ich ca 1/3 meiner Einnahmen auf ein Tagesgeldkonto überweise, quasi als Steuerkonto. Da bleibt es auch und wird nicht angerührt. Trotz minimaler Zinsen kommt eine sehr kleine Summe am Ende raus, besser als nichts.

    Die Einnahmen sind momentan noch recht überschaubar und man kämpft um Anerkennung und Respekt, da jung/unerfahren/etc ist, aber ich bin zuversichtlich, dass sich das mit einigen Aufträgen ändert.

  4. Ja, man sollte seinen Cashflow immer im Blick haben. Gerade wenn man Bilanzpflichtig ist und eben keine EÜR mehr macht. Denn, dann laufen Gewinn und Freie Finanzmittel ziemlich auseinander (Je nach Geschäftsbereich). Vor allem am Anfang während den ersten paar Jahren wo die Investitionsrate sehr hoch ist und man Einnahmen gleich wieder zur Investition nutzt kann es Finanziell gesehen etwas knapp werden am Ende des Jahres. Deshalb sollte man immer auch unterjährig Rückstellungen für drohende Steuerverbindlichkeiten (in dem Fall nicht Rücklagen ;-P, das wäre sonst Eigenkapital für ungewisse Verluste) bilden. Grüße Felix

  5. Schöner informativer Artikel. Mal eine Frage, hattest du schon mal einen Leistungsfall?

    Ich kann aus aktuellen eigenen Erfahrungen sagen, dass Rücklagen noch so gut gemeint sein können, wenn es dich richtig erwischt, hilft dir auch keine zwei oder drei monatige Rücklage, selbst bis eine eventuelle BU oder bei Fremdverschulden der Hafter eintritt, können JAHRE vergessen.

    Wie gesagt, ich sehe mich gerade mit so einer Situation konfrontiert, hatte Rücklagen, wenn man dann aber noch so nette Kunden hat, die einen abzocken ( 😉 ) kann der Exit ziemlich schnell gehen, egal welche Sicherheitsvorkehrungen man dachte zu haben.
    Vielleicht tut der ein oder andere Erfahrungsbericht diesem Beitrag als Ergänzung ganz gut.

    Was denken die anderen?

  6. Was heißt Leistungsfall.

    Ich musste schon mal eine 2.000 Euro Abmahnung bezahlen.

    Ansonsten habe ich keine großen Kunden, wo ein Ausfall meine Selbständigkeit gefährden könnte.

    Aber du hast natürlich recht. Eine 100% Absicherung gibt es nicht. Selbständigkeit ist eben auch Risiko.

  7. Wundert mich auch, das was Dirk schreibt und schockt einen schon?

    Aber was soll man sonst machen. Wer sehenden Auges einfach nur ohne Planung seine Selbstständigkeit durchzieht geht doch noch viel mehr Risiko. Deshalb finde ich den Artikel auch sehr gut, er zeigt einige Punkte auf, bei denen es notwendig ist Rücklagen zu bilden.

    Wer mit nichts kalkuliert (und sei es Krankheit) der wird früher oder später echte Probleme bekommen. Auch wenn Rücklagen für Liquidität oder eventuelle Krankheitstage gerade am Anfang ziemlich reinhauen.

    Dennoch, beschäftigt Euch mit Eventualitäten, dann habt ihr zumindest einen Plan B!

  8. Ob Geld da ist oder nicht ist eine Frage des “mind set”!!! Als jemand der durch eine Erbschaft schon einen Haufen Geld hatte und dann 3x pleite war (Gerichtsvollzieher, Kontosperrung, etc.) weiß ich von was ich spreche. Erst das Buch “Secrets of the Millionaire Mind” hat mir eine Ahnung davon gegeben daß es an meinem Unterbewusstsein liegt, an meinen “Programmierungen” ob ich im Überfluss lebe oder nicht. Und das wunderbare Wissen daß ich das alles beeinflussen kann! Einige Jahre später habe ich ein passives Einkommen – auch wenn ich immer noch alte Schulden abzahle (“Schulden” haben was mit “Schuld” zu tun) und muß mir vor allem nie mehr Sorgen über Geld (Rücklagen etc.) machen weil immer genug da ist und sein wird. Noch ein Buchtipp, diesmal englisch: “The Trick to Money is having some” von Stuart Wilde.

  9. Ich hatte bei einem psychischen Produkt mal große Probleme mit der Liquidität. Wir sind einfach zu schnell gewachsen, haben immer größere Mengen von unseren Lieferanten bestellt und diese letztendlich auch verkauft. Jedoch hatten wir große Probleme mit der Liquidität, da es natürlich einige Zeit dauert, bis wir die Produkte erfolgreich weiterverkauft haben.

    Inzwischen haben wir uns entschlossen, einfach die Geschindigkeit beim Wachstum deutlich zu drosseln.

  10. Sehr guter und informativer Artikel. Ich kann das mit dem Thema Finanzamt ebenfalls bestätigen, spätestens bei der ersten Vorauszahlung wird das ganze Thema deutlich spürbar wenn dann Gewerbe- und Einkommenssteuer in der gleichen Höhe vorausgezahl werden müssen wie sie in dem Jahr angefallen sind, wird es sicherlich für einige recht unschön, hat man allerdings die erste Vorauszahlung gut überstanden ist man meist, so war es bei mir, sensibler für das Thema steuern und bildet deutlich mehr Rücklagen.

  11. Vielen Dank für den Artikel.
    Mich würde noch interessieren, wie es mit “temporären” Fixkosten aussieht. Also z.B. dem Abbezahlen eines (Auto-)Kredits oder ähnlichem. Wenn ich vorhabe mich selbstständig zu machen, sollte ich dann versuchen vorher alles soweit wie möglich abzubezahlen oder dieses Geld ehr zur Seite legen und als Startkapital nutzen?

  12. Also ganz ehrlich, keiner wird daran gehindert im laufenden Jahr dem Finanzamt bescheid zu geben wie sich die einnahmen entwickeln… dann muss man nicht alles sofort auf einen schlag nachzahlen.

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