Magst Du Kritik? Ich nicht. Mich nervt Kritik, und sie kratzt an meiner stark ausgeprägten persönlichen Eitelkeit.
Andererseits weiß ich, dass ich aus substanzhaltiger Kritik, auch wenn sie aggressiv vorgebracht wurde, mehr gelernt habe und verbessern konnte als aus allem anderen.
Deshalb ermutige ich meine Mitmenschen, Leser, Teilnehmer und Kunden, mich zu kritisieren. Widerwillig, aber was soll’s. Wenn ich im Wettbewerb bestehen will, muss ich besser werden, denn die anderen werden auch ständig besser.
Wenn Du einen Blog betreibst, hast Du aber vielleicht bereits bemerkt, dass nicht alle Kritik substanzhaltig ist.
Professioneller Umgang mit Kritik
In diesem zweiteiligen Artikel zeige ich Dir, wie Du generell professionell mit Kritik umgehen kannst, so dass es Dir nicht nur keinen Ärger macht, sondern sogar Dir und Deinem Publikum Nutzen bringt.
Im diesem ersten Teil geht es um den professionellen Teil mit Kritik im Allgemeinen. Im zweiten Teil gehe ich auf den Umgang mit Trollen in Internet-Diskussionen ein.
Prinzipiell gehe ich davon aus, dass das Unbequeme zum Leben gehört und, so lange es gesund dosiert bleibt, uns langfristig hilft, dass wir es uns zwischendurch bequemer machen können. Ich gehe davon aus, dass wir Rückmeldung von innen und außen brauchen, um zu lernen und innerlich zu wachsen.
Teil 1: Professioneller Umgang mit „negativem“ Feedback
Bei „negativem“ Feedback unterscheide ich:
- nützliche Kritik
- Beleidigendes, Beschimpfendes
- Gemischtes aus nützlich und beleidigend
Warum setze ich „negativ“ in Anführungszeichen?
Zum Einen hat uns schon Shakespeare gesagt, positiv und negativ gibt es gar nicht im Leben (nur in der Elektrophysik und Elektrochemie, aber die kannte Shakespeare noch nicht), wir bewerten nur in unserem Denken.
Zum Anderen kann auch Unangenehmes oft nützlich sein. Wenn mich jemand kritisiert, hat das mit ihm UND mit mir zu tun. Ich kann den Nutzen dann aus der Kritik herausfiltern.
Kategorie 1: Nützliche Kritik
Manche Kritik ist substanzhaltig, differenziert und enthält sogar konstruktive Vorschläge. So veröffentlichte ich im Mai 2016 einen Artikel über Bildnutzung auf Blogs, der von den Lesern in der Luft zerfetzt wurde. Einige stellten Links zur Verfügung, um ihre Argumente zu beweisen.
Und ich stellte fest: Ja, der Artikel war mittelmäßig, und ich hatte einen grundlegenden Fehler bei meinen Recherchen gemacht. So wurde meine Sorgfalt geschärft. Ich werde ganz sicher nicht mehr über etwas schreiben, mit dem ich mich nicht noch deutlich tiefer befasst habe.
Das war mir unangenehm, also „negativ“. Aber auch nützlich, also „positiv“.
Spezifische Verbesserungsvorschläge
In meiner Tätigkeit als Rechnungswesenlehrer verwende ich Übungsfälle, von denen die Teilnehmer finden, dass sie gut strukturiert sind. Das war nicht immer so.
In einer meiner ersten Klassen hatte ich einen Teilnehmer, der immer wieder gemeckert hat, über dies und das. Schließlich forderte der Kurs ihn auf, nicht nur zu meckern, sondern konstruktive Vorschläge zu unterbreiten.
Dies tat er dann sehr spezifisch und sehr ausführlich. Und er hatte recht, meine Übungsfälle waren ein ziemlicher Salat nach mehrmaligem Umrühren. Er benannte genau, was schlecht strukturiert ist und wie es besser aussehen könnte.
Ihm verdanken es neue Generationen von Schülern, dass meine Fälle jetzt sehr klar und übersichtlich aufgebaut sind. Dieser Teilnehmer hieß mit Vornamen übrigens Osama, das stimmt wirklich.
Nützliche Kritik als Gold-Nugget
Viele Menschen haben Angst davor, Kritik zu äußern oder zu hören. Es ist nicht Bestandteil unserer Kultur, den Umgang mit Kritik zu lernen. Meistens haben wir emotionale Reaktionen auf Kritik, Angst, Rückzug, Rechtfertigungsdrang. Habe ich auch.
Und wenn die Emotion verklungen ist, dann kann ich den Inhalt der Kritik nutzen, mit dem ich etwas anfangen kann.
Tatsächlich finde ich es sehr schwierig, an vernünftiges, differenziertes Feedback zu kommen. Als ich in meinen Seminaren anfangs nach Kritik fragte, starrten die Teilnehmer nur vor sich hin.
Auf Nachfrage sagten sie, sie wollten „nicht verletzend“ sein. Die gleichen Personen hatten allerdings kein Problem damit, mich hinter meinem Rücken in die Pfanne zu hauen. Das ist ja zum Glück gar nicht verletzend…
Die meisten Menschen sind nicht darin trainiert, Feedback zu geben und zu nehmen. Bis jemand überhaupt Feedback gibt, braucht es oft sehr viel Ermutigung. Inzwischen klappt das in meinen Seminaren ganz gut.
Umgang mit Kritik zur Kundenbindung nutzen
In meiner Eigenschaft als Vertriebscontroller weiß ich, wenn ein Kunde sich beschwert, und wenn ich dann mit seiner Beschwerde zeitnah und entgegenkommend umgehe, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder kauft, sogar höher, als wenn er sich nie beschwert hätte.
Darüber berichtet unter anderem Anne Schüller im Loyalitätsmarketing (PDF).
Business-Wissen hat hierzu ausführliche Begründungen geliefert.
Auch Steven MacDonald erklärt, warum Kundenbeschwerden eine Chance statt ein Übel sind.
Einen sehr schön und übersichtlich gestalteten Report zum Thema hat Marc Esser verfasst. Darin geht er auch darauf ein, wie wenige von den Unzufriedenen sich überhaupt äußern.
Die Gerüchteküche behauptet, manche Unternehmen seien sogar dazu übergegangen, ihren Kunden kleine Probleme zu bereiten, um diese dann schnell und konstruktiv zu lösen. Hierzu findet man natürlich keine offiziellen Studien. 😉
In jedem Fall: Echte, fundierte Kritik ist eine Chance besser zu werden. Kritiker sind potenzielle Verbündete.
Wenn es mir wirklich gelingt ein paar Schritte in den Mokassins eines ehrlichen Kritikers zu gehen, wenn ich seine Probleme wirklich verstehe, werde ich zu einem besseren Problemlöser für meine Zielgruppe.
Kategorie 2: Verurteilungen und Beschimpfungen
Um wirklichen Beschimpfungen ausgesetzt zu werden, bin ich einfach noch nicht populär genug. Daran arbeite ich noch.
Manchmal erhalte ich aber Rückmeldungen, mit denen ich gar nichts anfangen kann.
- „Du bist doof!“
- „Was Du schreibst ist alles Blödsinn!“
- „Du hast eine Nase! Das ist sowas von daneben!“
Ich kann damit tatsächlich wenig anfangen. Jeder, der einen Funken Intelligenz hat, weiß, dass er nicht alles weiß, dass er Wissenslücken hat, verschobene Perspektiven, usw.. Ich auch. Das ist also nichts Neues.
Was ich schreibe ist ALLES Blödsinn? Kann sein. Oder nur ein Teil? Wenn ja, welcher? Wie soll ich unblödsinnig schreiben?
Auf meine Nase möchte ich nicht verzichten, auch wenn sie ziemlich groß ist.
Kritik von anderen Ebenen
Manchmal ist es nicht so klar, woher die Kritik kommt, bzw. ich wüsste gar nicht, was ich konkret nachfragen sollte.
Eine unverschämt gut aussehende junge blonde Dame arbeitet in einem Projekt mit. Sie drückt mit Leidenschaft jeden psychologischen Knopf, den ich habe. Sie stellt mich fachlich nicht in Frage, aber als Person und als Organisator, in einer Tour, macht spitze Bemerkungen.
Ich kenne solche Verhaltensweisen schon. Auf meine Nachfragen, was das denn solle, kommt dann ein geflötetes „Ich mach‘ doch gar nix!“ Tatsächlich finde ich es schwer zu benennen, was sie macht. Und ich finde es unerträglich.
Mit all den Coaches und Unterstützern, mit denen ich arbeite, kommen wir irgendwann an eine Ebene, die ich nicht verbalisieren kann. Es hat mit meiner inneren Haltung zu tun, mit meiner Körperhaltung, damit, wie ich mich bewege ich wie ich spreche.
Jedenfalls, eines Tages schaue ich sie nur an, nicht drohend, nur ganz normal, aber innerhalb einer neuen inneren Haltung. Sie verstummt. Fortan benimmt sie sich geradezu unterwürfig. Das war nicht mein Ziel, aber mit dem Knöpfedrücken ist es jetzt vorbei.
Eine ähnliche Schleife erlebe ich 5 Jahre später mit einem bizarren Ausbildungskurs, der selbst die Institutsleitung zu Wutausbrüchen und Weinkrämpfen treibt. All meine Konfliktstrategien, die sonst geholfen haben, verpuffen komplett.
Danach bin ich angeschlagen und mache eine Woche Urlaub. Erst Wochen später stelle ich fest, dass ich nochmal anders in der Welt auftrete. Ich bin noch etwas entspannter, etwas klarer, etwas besser konzentriert. Wieder aus Kritik gelernt, auch wenn die Situation selbst nicht gelöst wurde.
Bei dieser Art von Kritik genügt es, wenn ich mich damit auseinandersetze, so gut ich kann. Auch wenn ich keine bewusste Lösung finde, lerne ich irgendwann daraus.
Kategorie 3: Gemischtes aus nützlich und beleidigend
Manchmal mischen sich nützliches Feedback und Beleidigendes. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn jemand sich emotional verletzt fühlt oder wenn jemand sich generell nicht so gut ausdrücken kann.
Der Unmut hinter manchen Beschimpfungen
In einem meiner Umschulungskurse sitzt ein kluger Mann, ein französischer Handelsvertreter. Ich habe gerade etwas erklärt, und er fängt an, mich anzuschreien, mein Verhalten sei das Letzte. Er stürmt aus dem Seminarraum. Ich bin perplex. Ein Kollege geht ihm nach.
Es stellt sich heraus: Er war wütend, weil ich einem Teilnehmer gerade sehr ausführlich etwas erklärt hatte, und im Gegensatz dazu fühlte er sich bei einer seiner eigenen Fragen „abgebügelt“. Am Vortag hatte er mich nach Seminarschluss etwas Komplexes gefragt, ich hatte für mein Gefühl so gut ich konnte geantwortet. Allerdings hatte ich ihn dabei nicht angesehen, sondern meine Tasche gepackt.
Er ist sehr aufgebracht, er fühlt sich benachteiligt. Wir besprechen die Situation. Künftig achte ich mehr auf ihn, wenn er eine seiner sehr gut durchdachten Fragen stellt. Manchmal brauchen die Antworten länger, weil er sehr genau nachfragt. Der Kurs insgesamt profitiert davon, weil wir sehr in die Tiefe gehen und viele wichtige Unterscheidungen besprechen.
Als wir ein paar Wochen später in einer schwierigen Situation sind, hilft er sehr engagiert mit, die Probleme zu lösen. Dabei erspart er mir auch einige Probleme. So habe ich über Kritik einen Verbündeten gewonnen.
Angst macht Kritik aggressiv
Eine Teilnehmerin fragt immer wieder sehr aggressiv nach und versucht, Fehler in meinen Unterlagen zu finden. Da Rechnungswesen ein komplexes Thema ist, findet sie ab und zu mal einen Detailfehler oder eine unklare Ausdrucksweise – genau so wie in bekannten Lehrbüchern und Skripten Detailfehler und Unklarheiten sind.
In 2/3 der Fälle liegt sie falsch, fragt aber immer wieder mit einem recht aggressiven Unterton nach, was ist denn hiermit, und habe ich an jenes nicht gedacht, usw.? Ansonsten macht sie sehr gut mit, lacht über meine Witze, lächelt mich an. Es scheint alles okay zu sein.
Ich erinnere mich an die Zeiten, als ich mich selbst so verhalten habe. Das war vor allem aus Angst. Angst etwas falsch zu lernen, schlecht dazustehen, abgelehnt zu werden, nicht genug schlaue Fragen zu stellen. Ich bleibe entspannt. Es läuft gut.
So geht es weiter
Soweit der erste Teil. Im zweiten Teil wende ich die gezeigten Prinzipien auf die Online-Welt an und gehe speziell auf die „Trolle“ ein, die sich dort tummeln.
Autor
Alexander Meneikis, Jahrgang 1969. Nicht verheiratet, aber solide domestiziert. Freiberuflicher Controller und Dozent für Rechnungswesen. Außerdem Moderator der Seite www.alternative-lebensweisen.de.
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Auf Arbeit hatten wir letzte Woche ein 2-Tägiges professionelles Training zum Thema Kritik und Reklamationen.
Die wichtigste Erkenntnisse daraus waren für mich:
– Jeder hat einen Wahrnehmungsfilter. Den Satz “Wo hast du das denn her?” kann man zum Beispiel als ernst gemeinte Frage verstehen oder aber als Anschuldigung im Sinne von “Das habe ich aber anders gehört”.
Im echten Leben wird das durch die Mimik und Gestik verstärkt, im Internet hat man nur den Text und weiß oft gar nicht, ob es sich um echte Kritik handelt.
Der innere Fokus: Wenn ich schlecht gelaunt in den Tag starte und mir schon die vielen doofen E-Mails vorstelle, dann bin ich automatisch unfreundlich und werde die Emails auch unfreundlicher beantworten. So entsteht Stress. Das kann man trainieren und dadurch viel gelassener in den Tag gehen.
Im Internet übrigens noch sehr verbreitet:
Neid in den Kommentaren. Sobald jemand mit einer Sache im Internet Geld verdient, entsteht Neid und Missgunst. Kann man vor allem auf Youtube schön sehen.
Schöner Artikel, ich freue mich auf den 2. Teil.
LG
Adrian
Hallo Adrian, vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar mit Feedback. Die eigene Laune trägt sicherlich auch dazu bei, wie ich mit Rückmeldungen umgehe.
Sehr interessanter Beitrag. Heute ist Feedback wichtig; aber leider oft von der Konkurrenz gibt es Schmähkritik. Ich finde dagegen müsste man auch gerichtlich gegen vorgehen!
Hallo Julia, danke für Deine Anmerkung! Schmähkritik gibt es manchmal. Solange sie keine nachweislich falschen Behauptungen enthält, sehe ich das entspannt. Und Konkurrenz, die solcherlei Taktiken benutzt, hat wahrscheinlich Schwierigkeiten, inhaltlich zu konkurrieren.
“Wenn Du einen Blog betreibst, hast Du aber vielleicht bereits bemerkt, dass nicht alle Kritik substanzhaltig ist.”
Dass ist das große Probleme. Nur selten bekommt man wirklich Kritik mit der man auch arbeiten kann um dann nachher für alle Leser einen Profit heraus zu holen.
In den meisten Fällen ist es plumpes Gequatsche, Besserwisserei und Gepöbel was man sich so anhören darf.
Allerdings ist wie Du selbst sagst, sehr sehr wichtig Kritik zu bekommen – gerade von den eigenen Lesern – um sich stetig zu verbessern.
Ich finde es auch nicht schlimm wenn man Kritik hart und forsch mitteilt, sofern sie fundiert ist und auch eine Berechtigung hat. Allerdings passiert dass so in den seltesten aller Fällen. Leider.
Hallo Pascal, auf meinem Blog erhalte ich ca. 80% “Kommentare”, die entweder plumper Spam sind, den ich im Backend gleich lösche, oder irgendwelches Geblöke.
Dazu kommt Einiges, was am Thema vorbei geht und Texte, die grammatisch und orthographisch Hilfe brauchen könnten. Vernünftige, hilfreiche Kommentare sind um die 5%.
Im Internet sollte man das nicht immer so ernst nehmen. Kritik hilft einem weiter so lange diese sachlich ist. Allerdings können manche es nicht lassen und müssen einfach Ihre negative Energie auslassen. Das dies im Internet anonym geht, ist ein großes Problem.
Hallo Gerhard, da stimme ich zu. Manche Leute lassen einfach ihren Frust ab. Und, sinnvolle Kritik kann sehr hilfreich sein.