Die landläufige Meinung Nicht-Selbständiger über die Selbstständigkeit ist ungefähr die folgende:
- Man kann sich die Arbeitszeit frei einteilen und arbeiten wann man möchte.
- Jeder Selbständige ist so erfolgreich, dass er sich umgehend einen großen BMW oder Mercedes leisten kann.
- Die Selbständigen und sowieso alle Unternehmer machen satte Gewinne auf dem Rücken ihrer armen Angestellten.
- Man kann sich die Arbeit aussuchen, um nur Spaß bei der Arbeit zu haben.
- Die können doch eh alles von der Steuer absetzen.
- und weitere Mythen der Selbstständigkeit.
Doch wie sieht die Wahrheit wirklich aus? Was sind die Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit?
Dieser Frage gehe ich im heutigen Artikel auf den Grund, damit angehende Existenzgründer und Interessierte ein realistisches Bild von der Selbstständigkeit bekommen.
Selbstständigkeit ist harte Arbeit … oft für wenig Geld
Zumindest in der Anfangzeit (die ersten 2-3 Jahre) ist die Selbstständigkeit von 14 Stunden Tagen, durchgearbeiteten Wochenenden und lange Nächten geprägt. So sieht es bei vielen Selbstständigen aus, gerade wenn diese ganz allein und von Null beginnen.
Hinzu kommt, dass man fast jeden Auftrag braucht, um die Startphase zu überstehen und das bedeutet auch, dass oft für zu wenig Geld gearbeitet wird.
Ich hatte z.B. bei einem großen Leipziger Unternehmen jahrelang eine sehr gut bezahlte und relativ stressfreie Arbeitsstelle, bevor ich mich selbstständig gemacht habe. Wenn ich dagegen meine Wochenstunden und meinen Stundenlohn nach der Existenzgründung anschaue, so war ich am Anfang weit von dem Niveau entfernt, dass ich als Angestellter hatte.
So viel Spaß die Arbeit in meiner Selbstständigkeit in der ersten Zeit auch gemacht hat, es war keine leichte Zeit. Meine Frau hat viel Verständnis aufgebracht und mich sehr unterstützt.
Geld regiert die Welt – ist aber nicht alles für Selbstständige
Doch das ist in Ordnung, denn für viele Selbstständige ist das Geld nicht die alleinige Motivation. Natürlich müssen die Einnahmen auch am Anfang der Selbständigkeit zum Leben reichen und mit der Zeit sollte ein Aufwärtstrend erkennbar sein, der nach Jahren dann dafür sorgt, dass die ganz oben genannten Punkte wirklich einmal zutreffen.
Doch viele Selbstständige werden es schwer haben, wenn Geld als alleinige Motivation und Belohnung gesehen wird. Nicht nur in den ersten Jahren, sondern auch später muss man als Selbstständiger immer mit vollem Herzen dabei sein.
Es gibt neben der eigentlichen fachlichen Arbeit so viel anderes, um dass man sich kümmern muss. Geld als einziger Motivationsgrund reicht da sehr schnell nicht mehr aus. Und es kommen natürlich auch mal schwere Zeiten. Fehlende Aufträge, Ärger mit Kunden, sonstiges Probleme, die Selbstständigkeit ist kein Dienst nach Vorschrift und nicht immer nur toll. Nur wer mit Herzblut dabei ist, kann dauerhaft erfolgreich Selbstständig sein.
Vorteile einer Selbstständigkeit – Oder warum ich nie wieder Angestellter sein möchte
Für mich spielen auch die folgenden Punkte eine sehr wesentliche Rolle. “Geldwerte Vorteile” einer Selbständigkeit sozusagen:
- Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Selbst 12 oder 14 Stunden am Tag machen mir Spaß. Meistens jedenfalls.
- Früher war ich erst 18 oder 19 Uhr zu Hause und habe meine erste Tochter nur kurz gesehen. Heute bringe ich meinen beiden Töchter in die Schule, hole sie ab und verbringe auch nachmittags Zeit mit ihnen. Dafür arbeite ich dann teilweise Abends noch weiter.
- Man lernt viele nette Leute kennen, knüpft Kontakte und trifft auf Gleichgesinnte.
- Als Selbständiger habe ich mehr Abwechslung und nicht immer den gleichen Trott. Neue Herausforderungen sind vor allem das, was mich noch nach mehr als 12 Jahren immer wieder motiviert.
- Generell habe ich die Selbstbestimmung sehr zu schätzen gelernt. Die Freiheit der Entscheidung bedeutet mir sehr viel.
- Ich bin mein eigener Chef. Jeder, der schon einmal einen kolerischen Chef hatte, weiß was das bedeutet.
- Keine Kompromisse. Da ich allein arbeite, muss ich keine faulen Kompromisse schließen und Dinge nur halbgar umsetzen.
- Ich bin auch bei den Arbeitszeiten flexibel. Zwar beginne ich morgens meist, durch die Kinder, zu einer bestimmten Uhrzeit, aber dennoch bin ich hier viel flexibler.
- Der Erfolg meiner Tätigkeit spiegelt sich umgehend auch im eigenen Verdienst wieder.
Ich komme zwar gleich zu den Nachteile, aber für mich die Vorteile so wichtig, dass ich mir selbst nicht mehr vorstellen könnte, als Angestellter zu arbeiten.
Nachteile einer Selbstständigkeit
Doch da wo es Sonne gibt, ist natürlich auch Schatten:
- Am Anfang musste ich um jeden Auftrag kämpfen und wusste nicht, ob ich in 3 Monaten noch genügend Aufträge habe. Das war zumürbender, als jeden Monat sein Gehalt pünktlich überwiesen zu bekommen.
- In der Gründungszeit hatte ich so gut wie keine Freizeit, aber zum Glück eine verständnisvolle Ehefrau.
- Die viele Überstunden haben mit der Zeit für gesundheitliche Probleme gesorgt.
- Man muss sich neben der eigentlichen fachlichen Tätigkeit auch um alles andere kümmern. Rechtliche Dinge, Marketing, Buchhaltung und vieles mehr. Nicht alles macht Spaß.
- Existenzängste können motivieren, aber sie können auch sehr belastend sein.
- Mir fiel es lange Zeit schwer abzuschalten, denn es gab immer noch was zu tun. Das schlechte Gewissen war groß, wenn ich einfach mal Freizeit gemacht habe.
- Im Urlaub kann ich nicht einfach für 2 Wochen komplett abschalten. Mit Mails und so weiter muss ich mich auch in dieser Zeit beschäftigen.
- Neben höheren Chancen, gibt es aber auch höhere Risiken (z.B. Abmahnungen)
Viele der genannten Nachteile sind mit der Zeit besser geworden, bzw. ich habe besser gelernt damit umzugehen. Das war sicher eine wichtige Erfahrung in meiner Selbstständigkeit. Man muss sich von vielen Denkweisen eines Angestellten verabschieden und sich an das Leben als Selbstständiger gewöhnen.
Fazit – Selbstständigkeit ist nicht für jeden etwas
Die Selbstständigkeit bedeutet nicht automatisch viel Geld und viel Zeit. Auch wenn dies einige Selbstständige relativ schnell schaffen und für alle anderen dies zumindest das langfristige Ziel sein sollte, so sieht die Welt bei vielen Selbständigen vor allem zu Beginn ganz anders aus.
Dies sollte jedem, der sich für den Weg in die Selbstständigkeit entscheidet, bewusst sein. Nur mit einer sehr guten Vorbereitung, einer Familie, die hinter einem steht und genügend Motivation kann man die harten Zeiten meistern.
Dann stehen die Chancen aber gut, eines Tages wirklich viel Geld zu verdienen. Aber am Nachmittag und Abend die Arbeit wirklich zu vergessen, gelingt den wenigsten Selbstständigen.
Wie sind eure Erfahrungen in der Selbstständigkeit? Was sind für euch die wichtigsten Vorteile, aber auch Nachteile?
Bist du glücklich in deiner Selbständigkeit?
- Meistens schon. (34%, 126 Stimmen)
- Ja, sehr sogar. (32%, 118 Stimmen)
- Ich bin weder glücklich noch unglücklich. (14%, 50 Stimmen)
- Eher nicht. (12%, 45 Stimmen)
- Ich bin total unglücklich. (8%, 31 Stimmen)
Teilnehmerzahl: 370 (1 Stimmen)


Peter meint
Oh Mann, diese “die können alles von der Steuer abesetzen” – Leute, das hört man immer von den absoluten Alpha-Kevins dieser Welt.
Jede Firma setzt die Kosten ab, aber nicht von der Steuer, sondern man zieht sie vom Umsatz ab und erst auf den übrig gebliebenen Gewinn zahlt man Steuern. Das kapieren diese Deppen einfach nicht. Wenn es so leicht wäre, würden alle Firmen und Selbständige schwimmen im Geld, weil sie ja “einfach alles absetzen”. Meine Herren, manche Mythen sind unverwüstlich.
Dass man zuerst Umsatz machen muss, um etwas absetzen zu können, das sehen die nicht. Und das hinter den Kosten, die man da ansetzt auch tatsächliche Ausgaben stehen, die einen Abfluss an Geldmitteln bedeuten, das erst recht nicht.
Dieser Irrtum entsteht hauptsächlich dadurch, dass Selbstänide oft einen Geschäftswagen haben, den sie auch privat nutzen – wofür sie Steuern zahlen. Das mit dem Auto scheint jedoch bei manchen Reflexe auszulösen, die schlagartig das Gehirn schrumpfen lassen. So nach dem Motto: “Mein selbständiger Nachbar, der fährt ein fettes Auto, und auf Staatskosten. Dieser Schmarotzer.”
Als Selbständiger hat man es echt nicht leicht und oft steht man mit einem Bein an der Existenzgrenze. Das ist auch der Grund, warum ich mein Zeug nur nebenbei mache. Hut ab vor denen, die da ins volle Risiko gehen.
ONMA Hannover meint
Natürlich gibt es Hürden, wenn man Selbstständig wird aber wenn man diese überwunden hat, ist man stolz mit seinen “eigenen Händen” etwas aufgebaut zu haben.
Benni meint
Vor- und Nachteile hängen auch vom Verlauf der Selbständigkeit ab, daher fällt es mir schwer mich festzulegen.
Es ist schön, wenn viel am Monatsende übrig bleibt. Es kann aber auch sein, dass man unbewusst an seinem goldenen Käfig baut.
4.000 Euro sind viel Geld am Monatsende. Wenn man allerdings zuvor 9.000 Euro pro Monat eingesteckt hat, kann das eine leichte Panik auslösen.
Es herrscht ein gewisser Druck.
Der Lebensstil passt sich an höheres Einkommen an. Die Angst vorm Absturz ist groß.
Wenn man aber mit dieser Angst umgehen kann und die Familie zu einem steht, dann ist das eine gute Einstellung, um damit umzugehen.
Patrick meint
Als bedeutendsten Nachteil sehe ich die Krankenversicherungspflicht in Deutschland und damit die horrenden Beiträge für Selbständige, die man Monat für Monat erst mal erwirtschaften muss – egal ob Aufträge da sind oder nicht.
Ich stimme den aufgeführten Vor- und Nachteilen im Artikel vorbehaltlos zu: Ich mache, was mir Freude bereitet, lerne viel dazu, genieße die Abwechslung und die Freiheiten. Und ich habe glücklicherweise ebenfalls eine sehr geduldige Ehefrau, die mich in allem unterstützt.
Liebe Grüße
Peer meint
Mag sein, dass man das als gesunder Mensch als Nachteil ansieht. Wenn du erstmal krank wirst, siehst du das sicher völlig anders. Aber ja, es ist eine Zusatzausgabe, die man einplanen muss. Genauso, wie man von Anfang an auch an die Altersvorsorge denken sollte.
Kevin meint
Ich denke die Selbstständigkeit an sich sollte generell weniger als “Job” betrachtet werden,
sondern eher als ein Werkzeug, welches einem ermöglicht ein selbstbestimmteres Leben führen zu können.
Auch wenn die Belastung bzw. das Arbeitspensum zum Teil deutlich höher ausfallen kann als in einem Angestelltenverhältnis (vor allem zu Beginn) bietet eine Existenzgründung ein Maß an Freiheit, welches man als Selbstständiger von Tag zu Tag mehr zu schätzen weiß.
Krypton meint
Selbstständigkeit ist kein Selbstläufer und die meisten Menschen, die nach einem Leben mit viel Freizeit und Sicherheit suchen, bleiben besser Angestellte. Am Ende geht es weniger darum, “selbstständig” zu sein. Denn die Abhängigkeiten eines Selbstständigen sind nicht kleiner als die eines Angestellten. Ein Selbstständiger ist keine isolierte Einheit. Auch wir sind Teil des Ozeans. Aber wir bauen etwas auf. Etwas, das uns gehört. Wenn Peer Wandiger in 2 Jahrzehnten aufhört zu schreiben und sich nach Honolulu zurückzieht, ist es immer noch seine Seite, ist es sein Besitz. Wer einen Blogartikel für einen anderen schreibt, tritt die Nutzungsrechte daran ab gegen einen einmaligen Obolus. Wer für seinen eigenen Blog schreibt, besitzt den Artikel für immer.
Wir nehmen am Ende des Tages nicht die Weisungen eines anderen entgegen, sondern entscheiden selbst, wohin die Richtung geht. Es ist dieses Gefühl einer größeren Kontrolle über das eigene Schicksal und des langsamen Aufbaus einer Idee, der den Selbstständigen durch die Dürrephase bringt.
Ruby meint
Ich stimme zu, dass die Selbstständigkeit nicht jedermanns Sache ist. Manche Leute finden es schwierig, ein Geschäft zu führen, und können es nicht gutheißen. Aber gut in ihrer Arbeit und nur auf ihre Rente warten. Unternehmer auswendig, auf der anderen Seite, Geschäfte viel besser. Ich denke, es geht darum, wie eine Person ihr Leben leben will. Es gibt sowohl gute als auch schlechte Dinge in beiden Positionen, es geht darum, wie du dein Leben leben willst.
Alexander F. meint
Tatsächlich habe keine der oben genannten Mythen zum Thema Selbständigkeit im meinem Leben angetroffen. Die Leute haben meiner Meinung nach eher das gegenteilige Bild. Ständig viel Arbeiten mit einer hohen Unsicherheit, ob auch wirklich genug Geld rein kommt.
Lg,
Alexander
Mario Duesseldorf meint
Selbständigkeit ist kein Selbstzweck, auch wenn von der Idee der eigenen Unternehmung Zugkraft, Ausstrahlung und Faszination ausgehen. Es gibt ganz verschiedene Gründe, sich selbständig machen zu wollen. Bevor du in die ernsthafte Planung gehst, solltest du die ganz genau überprüfen, denn es geht definitiv auch anders.