Das fatale Streben nach Perfektion, Scheitern lernen und warum mich 80% zufrieden machen

Das fatale Streben nach Perfektion, Scheitern lernen und warum mich 80% zufrieden machenAls Selbstständiger hat man jeden Tag eine volle ToDo-Liste und irgendwie wird diese auch nicht kürzer, sondern immer länger. Schließlich will man weiterkommen und die anstehenden Aufgaben so gut wie möglich erledigen. Dennoch begehen viele den Fehler und streben nach Perfektion.

Die Frage ist, wie perfekt man als Selbstständiger arbeiten muss und warum das Streben nach Perfektion oft eher hinderlich ist.

Zudem gehe ich darauf ein, wieso ich mit 80% in aller Regel zufrieden bin und gebe Tipps, wie ihr mit dem Scheitern am besten umgeht.

ToDo-Liste abarbeiten – Mein Streben nach Perfektion

In den letzten Jahren habe ich immer wieder etwas an meinem täglichen Arbeits-Workflow geändert. Teilweise, um mehr zu schaffen und produktiver zu sein, aber auch um einfach mal etwas anders zu machen und die einsetzende (langweilige) Routine zu durchbrechen.

Allerdings ist eine Sache über die Jahre stabil geblieben und das ist meine ToDo-Liste. Egal ob digital oder auf Papier, groß oder klein, fortlaufend oder jeden Tag neu, so eine ToDo-Liste gehört zu meinem Arbeitsalltag und ist daraus nicht wegzudenken.

Allerdings hat so eine ToDo-Liste auch ein großes Problem. Was ist, wenn ich es nicht schaffe das umzusetzen, was ich mir vorgenommen habe?

Motivation und Schuldgefühle

Es ist ein tolles Gefühl, die einzelnen Punkte einer ToDo-Liste abhaken zu können. So bekommt man nicht nur kleine Motivationsschübe während der Arbeit, sondern sieht am Ende des Tages auch, was man geschafft hat.

Das fatale Streben nach Perfektion, Scheitern lernen und warum mich 80% zufrieden machenIch muss aber zugeben, dass mich lange Zeit gewisse Schuldgefühle geplagt haben, wenn ich am Ende des Arbeitstages (da die Kinder abgeholt werden müssen, kommt das Ende immer pünktlich) nicht alle Punkte auf meiner ToDo-Liste abhaken konnte.

Es kommt immer mal was dazwischen oder man benötigt für eine der Aufgaben mehr Zeit, als geplant. Im Ergebnis schafft man dann nicht alle geplanten Aufgaben und ich habe mich da manchmal richtig schlecht gefühlt.

Irgendwann habe ich mich dann hingesetzt und mir gesagt, dass es so nicht weitergehen kann. Als erstes habe ich begonnen meine ToDo-Listen anders zu strukturieren.

Ich habe oben auf der Liste die wirklich wichtigen Sachen stehen, die ich unbedingt schaffen will bzw. muss. Je weiter unten eine Aufgabe steht, um so weniger wichtig ist sie und wenn ich diese nicht schaffe, ich das kein Drama.

Zudem habe ich mit den Jahren natürlich auch ein deutlich besseres Gefühl dafür bekommen, wie lange bestimmte Arbeiten dauern und das hilft mir bei meiner täglichen Planung ebenfalls.

Beide Maßnahmen haben dazu geführt, dass es seltener geworden ist, dass ich mich nach einem Arbeitstag schlecht gefühlt habe, weil nicht alles erledigt war. Aber so richtig glücklich war ich damit immer noch nicht.

Das tägliche Scheitern

Viele Selbstständige empfinden das Nichterledigen von Aufgaben zumindest als kleines Scheitern. Okay, Scheitern ist in diesem Zusammenhang ein sehr starkes Wort und so wirklich gut beschreibt es nicht was ich meine. Aber ein besseres Wort ist mir nicht eingefallen. 🙂

Mir ging es oft auch so und deshalb habe ich versucht zu verstehen, warum das so ist.

Ich habe festgestellt, dass ich mir selber kein Scheitern erlaube. Ich weiß zwar, dass es dazu gehört, dass man nicht immer alles genauso schafft, wie man es sich vornimmt, aber ich habe mich selber trotzdem so unter Druck gesetzt 100% der gestellten Aufgaben zu erledigen.

Ich war am Ende eines Arbeitstages nur dann wirklich zufrieden, wenn ich alles abgearbeitet hatte und ich ging mit schlechter Laune in den Feierabend, wenn dies nicht der Fall war, selbst wenn ich eigentlich viel geschafft hatte, aber eben nicht alles.

Perfektion anstreben vs. erwarten

Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe irgendwann gemerkt, dass es nicht primär an der ToDo-Liste oder an meiner Art der Aufgabenplanung lag. Es lag vielmehr an mir selber und welche Erwartungen ich an mich selbst gestellt habe. Meine eigene Einstellung war das Problem.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Anstreben von Perfektion und von sich selbst 100% Perfektion zu erwarten.

Ersteres ist oft hilfreich und kann einen zu neuen Höchstleistungen treiben, auch wenn man selbst das nicht zu ernst nehmen sollte, wie ich im folgenden Abschnitt noch thematisieren werde.

Wirklich problematisch ist es aber, wenn man von sich selbst Perfektion erwartet. Das setzt einen zu sehr unter Druck und lässt nur dann Zufriedenheit zu, wenn man 100% erreicht hat. Leider wird man dann häufiger unzufrieden sein, als zufrieden. So eine Einstellung bietet keinen Spielraum und sorgt eher dafür, dass man die Motivation verliert oder sogar in den Burnout läuft.

80/20 Regel als Lösung?!

Deshalb habe ich mir ein Prinzip mal wieder zu Herzen genommen, welches ich an anderen Stellen schon länger befolge. Es handelt sich um das Pareto-Prinzip, auch 80/20-Prinzip genannt.

Der Ökonom Vilfredo Pareto hat mit diesem Prinzip eine von ihm beobachtete Tatsache beschrieben, nämlich dass 80% des italienischen Bodens nur 20% der Bevölkerung gehören. Mit der Zeit hat man dieses Prinzip auf immer mehr Lebensbereiche ausgedehnt und festgestellt, dass es auf fast alles anwendbar ist.

So sorgen oft 20% der Kunden für 80% des Gewinns oder man hört 20% seiner Musiksammlung in 80% seiner Freizeit. Dabei geht es hier mehr ums Prinzip und nicht darum, genau auf 20 und 80 % zu kommen. Aber die Richtung stimmt einfach sehr oft.

Ich habe das Pareto-Prinzip auf meine Arbeit übertragen und damit gute Erfahrungen gemacht. So kann man bei der Gestaltung von Websites das Prinzip ebenso anwenden, wie auf die Suchmaschinenoptimierung oder dem Schreiben von Artikeln.

Es geht hier nicht darum schlampig zu arbeiten oder etwas nicht fertig zu machen. Natürlich korrigiere ich meine Artikel und optimiere mein Layout. Aber ich versuche dabei eben nicht perfekt zu sein, was nur viel Zeit kostet, eh nicht klappt und am Ende keine Mehrwert bietet.

Scheitern einplanen

Die Lösung meines Problems war eigentlich ganz einfach. Statt immer nur mit 100% zufrieden zu sein, habe ich mir einfach vorgenommen, dass (ungefähr) 80% der ToDos mein Tagesziel sind.

Wenn ich mehr schaffe ist das super und grundsätzlich plane ich auch so, dass 100% schaffbar sind. Aber wenn es nur 90 oder 80 Prozent sind, ist das auch Okay.

Das hat dazu geführt, dass ich deutlich entspannter aus dem Arbeitstag gehe. Sicher gibt es auch Tage, an denen ich nur 50% schaffe und natürlich bin ich dann auch mal unzufrieden, aber meist schaffe ich zumindest das meiste und vom Kopf her ist das für mich mittlerweile völlig in Ordnung.

Bevor hier einer anmerkt, dass die Einstellung, ein gewisses Scheitern zuzulassen und mit 80% zufrieden zu sein, mit dem Pareto-Prinzip eigentlich nichts zu tun hat, dann ist das natürlich richtig.

Allerdings ist der Ansatz dahinter ein ähnlicher, denn auch das Pareto-Prinzip wendet sich gegen die Perfektion und gegen das 100% Denken. Beide Vorgehensweise ergänzen sich gut und verbinden Effizienz mit Zufriedenheit.

Eure Erfahrungen mit Scheitern und Perfektion

Seit ich mit dieser neuen Einstellung in meinen Arbeitstag gehe, bin ich zufriedener und kann deutlich besser nach der Arbeit abschalten.

Mich würde interessieren, wie ihr damit umgeht und welche Erfahrungen ihr mit ToDo-Listen, dem Streben nach Perfektion, dem Scheitern (auch im Kleinen) und nicht geschafften Aufgaben gesammelt habt.

Peer Wandiger

10 Gedanken zu „Das fatale Streben nach Perfektion, Scheitern lernen und warum mich 80% zufrieden machen“

  1. Kleines Beispiel aus dem News-Geschäft. Da geht es meist darum, möglichst früh oder einer der ersten zu sein. Bist du der Letzte, hat sich die Arbeit schon nicht gelohnt und wird nicht mehr honoriert. Ergo werden bewusst News-Artikel mit Fehlern veröffentlicht, die dann im Nachhinein noch einmal überarbeitet oder erweitert werden. Ist dort ganz normal und anders geht es auch gar nicht, wenn man mit der News Besucher anziehen will. 20 Prozent sind also die Zeit, die 80 Prozent des Erfolges ausmachen. Bist du zu langsam, bringt dir deine Qualität meist nichts mehr.

    Ich mag das 80/20 Prinzip trotzdem nicht so, weil es gefühlt bei vielen dazu führt, dass sie gewisse Dinge nicht mehr so ernst nehmen, wie sie sollten. Ich weiß, bei dir ist das anders, aber diese Selbstreflexion haben viele nicht, so scheint es mir oft. Und ich persönlich hasse es, wenn Dinge nicht bis zum Ende geführt werden.

    Ist es dumm, beispielsweise beim Design einer Website, drei Stunden an einer CSS-Änderung zu hängen, die einfach nicht so gelingen will, wie gedacht, anstatt es anders zu lösen? Oder über eine Stunde an einer Überschrift zu arbeiten, damit sie einfach perfekt ist? Ja, ist es! Aber irgendwie ist es für mich auch Feinschliff. Nötig ist der meist nicht, schon klar, nur für einen selbst ist er wichtig.

    Und ich bin halt der Typ, der mit Makeln nicht leben kann, wenn er sie kennt. Das ist so, als wenn ein Pixelfehler im TV oder sonst wo ist. Für mich ist das Gerät dann kaputt, obwohl es objektiv betrachtet egal ist und ich es von der Couch vermutlich nicht einmal wahrnehmen würde. Er ist aber eben da, ob sichtbar oder nicht.

    Aber ich weiß natürlich worauf du hinaus willst und grundsätzlich gebe ich dir recht. Bei mir ist es immer so, dass mein Tagesplan nicht zu schaffen ist. Geht einfach nicht. Trotzdem peile ich es an und manchmal, wenn ich komplett im Fokus-Modus bin, gelingt er dann doch. Was ein Glücksgefühl. Aber wie du schon sagst… oft endet der Tag auch unbewusst unbefriedigend, weil es einen Hauch von – nicht geschafft – hinterlässt.

    Schlussendlich muss jeder seine eigene Lösung finden und es ist gut, dass du das Thema ansprichst. Denn es ist und bleibt Kopfsache, wie man mit solch einem »Scheitern« umgeht. Vor allem gehört es aber zwangsläufig dazu, wenn man selbständig ist.

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  2. An Herrn Pareto versuche ich mich auch oft zu erinnern, wenn ich dabei bin, mich im Perfektionswahn zu verlieren 🙂

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  3. Hallo Peer,

    absolut richtig. Geht mir ganz genauso. Mein Problem ist noch folgender: Ich nutze digitale PM Apps und ich sehe leider nicht was ich erledigt habe. Ich sehe nur, was ich nicht geschafft habe. Ziemlich deprimierend 😀

    Danke für deine Tipps und Motivation!

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  4. Ich kenne das so gut, mich im Perfektionswahn zu verlieren – ich selber erinnere mich immer an das Pareto Prinzip. Biss ich das dann umsetze, habe ich mich aber schon zu genüge gepusht und es ist wieder an der Zeit etwas mehr einsichtiger zu werden. To-do-Liste hilft mir auch – ist quasi ein Muss – aber das setzt mich dann auch manchmal unter Stress – weil die ja nie aufhört:-) Die richtige Einstellung und tiefes Atmen hat mir aber schon meistens geholfen.

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  5. Sorry, ich nehme niemals eine To Do Liste. Ich habe alles im Kopf was ich so zu erledigen habe. Nehme ich eine Liste , ist das wirklich negativ für mich. Es erhöht den Druck und den Zwang.

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  6. Ich ‘scheitere’ zur Zeit jeden Tag. Da ich beide Kinder zu Hause habe + Homeschooling, Kinderbespaßung und Haushalt, kommt das Homeoffice fast immer zu kurz. Ich arbeite zwar abends und am Wochenende, aber ich gehe jeden Tag ins Bett mit den Gefühl zu wenig getan zu haben. Aber nicht nur das. Gleichzeitig denke ich auch, ich werde meinen Kindern nicht gerecht, die jetzt fast 7 Monate zu Hause sind und sein werden (ich wohne in Italien und die Schulen machen erst wieder Mitte September auf). Die Wohnung schaut schlimm aus (normal, mit 2 Kids und Lockdown) und zum Sport komme ich erst gar nicht.
    Ich lebe mit dem Gefühl, nie Zeit zu haben. Aber nicht mal für mich, sondern für meine Aufgaben.
    Aber ich weiß, dass es wieder bessere Zeiten geben wird. Und dann brüte ich nachts über neue Projekte und Strategien.
    Wie sagt man so schön? Aus der Krise kommt man gestärkt heraus.

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    • Ja, das geht uns zwar nicht so, aber ich kenne auch einige, die die derzeitige Situation sehr belastet.

      Ich wünsche dir viel Kraft das durchzustehen und gerade in solchen Zeiten ist es wichtig sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Familie.

      Und wie du schon sagst, wird man am Ende gestärkt hervorgehen und dann wieder zu schätzen wissen, wie es ohne Lockdown ist.

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  7. In Wirklichkeit gibt es ja auch keine Perfektion. Was für mich Perfektion ist , erkennt ein anderer nicht mal. Perfektionisten sind in der Regel langsame Menschen , die falsch denken – denn es gibt keine wirkliche Perfektion , es ist ein wenig wie in der Kunst…

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  8. Danke für den Artikel! Das 80:20 Prinzip sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Ich merke das ganz konkret beim Schreiben von Artikeln für den Blog oder dem Design der Website. Man kann immer noch ein bisschen machen. Mein aktueller Blog ist gerade 1 Monat alt und ich habe schon 50 ToDos mit Unterpunkten.

    Scheitern ist normal im Leben und nur dadurch wird man besser. Man tut dennoch immer Alles, um nicht zu Scheitern 😉

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